Protokoll der Sitzung vom 14.02.2008

Ja, ich komme zum letzten Satz. – Wollen Sie bei der Tarifdiskussion nur die Löhne für alle Beschäftigten der BVG erhöhen und gleichzeitig den Beschäftigten in den Verwaltungen weiterhin erklären: Basta! Vor 2010 reden wir mit Ihnen nicht? – Das ist zutiefst ungerecht.

Herr Esser! Bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Beim Konflikt mit der BVG entscheidet sich das Gesamtpaket. Dort entscheidet sich die Leistungsfähigkeit des Staates in Berlin für alle seine Bürgerinnen und Bürger. Mit faulen Kompromissen geht es diesmal nicht. Diesmal wird Herr Wowereit Regierungskunst, klar erkennbare Prinzipien und kreative Lösungen bieten müssen. Ich bin gespannt, was Sie anzubieten haben.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Esser! – Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass zu Beginn der Sitzung verlesen wurde, dass der Herr Regierende Bürgermeister ab 14.45 Uhr für die heutige Sitzung entschuldigt ist.

[Zuruf von den Grünen: Na und?]

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Gaebler. – Bitte sehr!

Herr Esser! Wenn Sie der Meinung sind, dass der Regierende Bürgermeister bei der Föderalismuskommission überflüssig ist, dann ist das Ihre Privatmeinung. Das würde, glaube ich, nicht einmal Herr Ratzmann unterschreiben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

So viel zu Ihrem Gebrüll hier.

Und ein Zweites: Frau Ströver, Sie haben doch davon gar keine Ahnung!

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Herr Esser! Ich habe jetzt das Wort. Sie hatten hier schon 10 Minuten das Vergnügen, oder wir hatten das Vergnügen mit Ihnen.

[Jutta Leder (SPD): War aber kein Vergnügen!]

Eines will ich Ihnen sagen: Das, was Sie hier gemacht haben, nämlich den Beschäftigten bei der BVG – immerhin 12 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, die jeden Tag

ihren Job für unsere Stadt machen, vorzuwerfen, sie würden bei einem Abbruchunternehmen Däumchen drehen und dafür noch überzogene Gehaltsforderungen stellen, ist eine Unverschämtheit, Herr Esser, und das weisen wir mit aller Kraft zurück.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Mehr hat Ihr Beitrag nämlich nicht ausgesagt: null Substanz, viel Klamauk, viel Rauch, viel Lärm um nichts! Danke, Herr Esser!

Ich sage Ihnen: Die Regierungskunst des Regierenden Bürgermeisters hat sich tatsächlich – –

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Seien Sie doch mal ruhig! Ich habe Herrn Esser auch relativ ruhig zugehört. – Der Regierende Bürgermeister hat hier am 16. Juni 2005 in einer Regierungserklärung – –

[Dr. Martin Lindner (FDP): Hat das Parlament getäuscht!]

Er hat Sie vielleicht enttäuscht, aber das Parlament hat er sicherlich nicht getäuscht, Herr Dr. Linder. Er hat in einer Regierungserklärung dargestellt, was elementarer Bestandteil des damals abgeschlossenen Absenkungstarifvertrags ist. Die Ergebnisse dieses Vertrags waren tatsächlich dramatisch, dramatisch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil ihnen nämlich abverlangt wurde, auf wesentliche Teile ihres Gehalts zu verzichten. Das wurde auf der anderen Seite kompensiert, das ist richtig, Herr Esser, und zwar mit einem klaren Bekenntnis des Landes Berlin und damit auch der Bürgerinnen und Bürger zur BVG. Das war ein gemeinsames Projekt, und wenn Sie versuchen, das als ein Wahlkampfgeschenk darzustellen, dann geht das völlig an der Sache vorbei.

Abgesehen davon, dass das damals ein rot-grüner Wahlkampf war und ich mich wundere, dass Sie der Meinung sind, es hätte nichts genutzt, wenn man positive Stimmung erzeugt. Hier hat man aber gar keine positive Stimmung erzeugt, viele BVG-Beschäftigte haben sich gefragt, warum sie auf 10 bis 12 Prozent ihres Lohns verzichten sollen. Es war eine schwierige Überzeugungsarbeit sowohl der Regierungskoalition als auch des Senats und natürlich der Gewerkschaft Verdi, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu zu bringen, den Pakt zu schließen – sie davon zu überzeugen, dass sie ihn für das Unternehmen schließen, für die Bestandssicherung der BVG. Sie waren bereit, ihren Teil dazu beizutragen. Das war ein gravierender Teil und nicht lediglich – wie Sie es hier darstellen – ein Verzicht auf zwei Überstunden. Herr Esser! Das war schäbig, was Sie hier gemacht haben. Wir bedanken uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BVG für das, was sie jeden Tag für die Stadt tun und für das, was sie an Einbußen hingenommen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Ein solches Verkehrsunternehmen ist natürlich kein Selbstzweck. Die 12 000 Mitarbeiter sind ein wichtiger Arbeitsplatzfaktor. Es geht aber natürlich auch um die Si

cherstellung des ÖPNV-Angebots in der Stadt. Die Leistungen der BVG sind weltweit vorbildlich. Herr Esser! Sie haben vielleicht den Tunnelblick, den Grüne ja gerne mal kriegen, wenn sie sich zu sehr mit sich selbst beschäftigen, aber gehen Sie doch mal auf den Potsdamer Platz und fragen zwei beliebige Touristen, was die von dem Verkehrsangebot der Stadt halten.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Ich schließe hohe Wetten mit Ihnen ab, dass die sagen, dass sie so ein Verkehrsangebot in anderen Städten noch nicht gesehen haben, von der Qualität her, der Sicherheit, der Sauberkeit und der Taktfrequenz.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bezüglich der Fahrpreise würden die Touristen wohl sagen, ihr seid verrückt, die Leute so billig durch die Gegend fahren zu lassen, bei uns im europäischen Ausland kostet das das Doppelte.

[Ramona Pop (Grüne): Da verdient man auch das Doppelte!]

Frau Pop! Vielleicht verlassen Sie mal die Berliner Landesgrenze, dann werden auch Sie es erleben können. Reisen bildet bekanntlich, und auch in dieser Hinsicht kann man lernen, dass nicht alles so schlecht ist, wie man es sich einredet.

Natürlich gibt es in Berlin eine Art Hassliebe zwischen den Berlinerinnen und Berlinern und „ihrer“ BVG. Aber dass die Leute allein schon von „ihrer“ BVG reden, ist dadurch abgesichert, dass diese Koalition die BVG als kommunales Unternehmen erhalten will – was Sie nicht wollen, Herr Esser, und das unterscheidet uns schon einmal sehr deutlich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Natürlich kann man stets sagen, wir wollen es noch besser machen, aber man sieht doch, dass die Leute die BVG nutzen, sie wollen auch, dass dieses Angebot existiert. Forderungen, was man noch verbessern kann, sind dann natürlich berechtigt und werden von uns im Rahmen des Möglichen umgesetzt.

Wir haben Angebote für alle Zielgruppen. Wir haben als Angebot für die achtjährige Janine den Schülerverkehr, für den 21-jährigen Martin Urban den Nachtverkehr, für die 88-jährige Emma Krause die Kiezbusse – es ist für alle etwas dabei; die Touristen wurden bereits genannt. Es ist wichtig, dass das Angebot ein integriertes, ein vielfältiges ist, dass es eine soziale Verantwortung hat, eine Flächenerschließung. Das kriegen Sie mit Ihrer kleinteiligen grünen Sicht, wir machen mal kleine Netze mit kleinen Unternehmen, die hier ein bisschen fahren und dort ein bisschen und zudem alles billiger und viel grüner anbieten, nicht hin. Das funktioniert nicht, Frau EichstädtBohlig, das haben wir Ihnen schon mehrfach erklärt.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Aber deshalb regieren wir an dieser Stelle auch nicht miteinander, weil das mit Ihnen nicht klappen würde.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ein solches ÖPNV-Angebot ist nicht kostendeckend, deswegen braucht es einen Zuschuss. Diesen Zuschuss haben wir in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt. Ich erinnere daran, dass BVG West und Ost im Jahr 1990 zusammen 850 Millionen € an Zuschuss bekommen haben. Mit dem aktuellen Verkehrsvertrag haben wir dies auf 250 Millionen € plus 50 Millionen € für Investitionen, also 300 Millionen € abgesenkt. Auch das zeigt, dass es eine klare Änderung gegeben hat: Höhere Produktivität, geringere Kosten und mehr Leistungen, lieber Herr Esser, mehr Leistungen. Sie können Statistiken offensichtlich nicht lesen, es hat einen Vertrag gegeben, der die Verkehrsleistungen der BVG bis Ende 2007 in Kilometern festgeschrieben hat. Dieser ist immer erfüllt worden. Es hat natürlich Umschichtungen und Veränderungen gegeben, damit reagiert man auf Entwicklungen in der Stadt, was für eine dynamische Metropole und für ein sachgerechtes und zielorientiertes ÖPNV-Angebot nötig ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben ein neues Vertragsverhältnis begründet, weil wir nicht nur wissen wollen, wie viel wir bestellen, sondern weil wir auch klarer definieren wollen, was wir bestellen. Dafür gibt es den Verkehrsvertrag und das neue Verhältnis: Wer bestellt, bezahlt. – Dazu gehört nicht nur der Traum, nicht nur das Wünsch-dir-was, sondern eine Definition dessen, was man will und eine entsprechende Finanzierung. Genau dies haben wir auf den Weg gebracht. Weitere Forderungen nach Ausschreibung und Aufteilung des Verkehrsnetzes kann ich nicht nachvollziehen. Sie brauchen nur einmal in andere Metropolen zu schauen – in Wien, Paris oder Rom käme niemand auf die Idee, das Unternehmen zu zerschlagen und eine Ausschreibung vorzunehmen, um es auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Das einzige Beispiel, das Sie anführen könnten, ist London. Ob London an dieser Stelle aber ein Vorbild ist, Frau Hämmerling, Herr Esser?

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Ich weiß, dass Sie vielleicht von englischen Verhältnissen träumen. Hamburg hat auch keine Ausschreibung gemacht, Hamburg hat einen Verkehrsvertrag mit der Hamburger Hochbahn – –

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Sie sind aber doch für Ausschreibung, Herr Esser, Sie müssen sich mal entscheiden. Wollen Sie eine Ausschreibung, wollen Sie einen Verkehrsvertrag, wollen Sie ein kommunales Unternehmen? – Sagen Sie doch nicht immer, was Sie nicht wollen, sagen Sie, was Sie wollen, dann kommen wir hier vielleicht auch weiter.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das ist das Problem mit den Grünen, Sie sagen stets, was schlecht ist, was Sie nicht wollen, und zum Teil ist die Kritik ja auch berechtigt, aber im Ergebnis steht nur: Jetzt soll der Regierende Bürgermeister mal machen.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Will er regieren oder nicht?]

Ich kann Sie beruhigen, der Regierende Bürgermeister macht, er hat schon den Absenkungstarifvertrag erfolgreich mitverhandelt, und für die weiteren Dinge werden wir sicherlich auch Lösungen finden. Auf jeden Fall steht diese Regierung für eine Bestandsgarantie für die BVG und auch für Vertragstreue. Wenn wir mit den Beschäftigten eine Vereinbarung bis 2020 geschlossen haben, dann gilt die auch. Für die SPD gilt das jedenfalls, für die Linksfraktion, denke ich, auch. Was für Sie gilt, das wissen wir leider immer noch nicht, trotz Ihrer über 10-minütigen Rede.