Protokoll der Sitzung vom 14.02.2008

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Das Gleiche gilt für die Grenzen der Auftragsvergabe. Die CDU-Fraktion hat dazu im Dezember 2006 einen Antrag eingebracht. Er wurde im Ausschuss beraten. Herr Wolf hat damals schon signalisiert, dass die Grenzen angepasst werden könnten und dass sie im bundesweiten Vergleich sehr niedrig sind. Wir schreiben jetzt das Jahr 2008. Sie sind Akteur des politischen Handelns, nicht wir! Sie bringen die Vorlagen ein. Sie haben das Gesetz erst jetzt eingebracht und über anderthalb Jahre Zeit verstreichen lassen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Quatsch!]

Die europäischen Richtlinien schreiben 5,1 Millionen € als Untergrenze vor, ab der öffentlich ausgeschrieben werden muss. Wir haben in Berlin im Bereich VOB derzeit 100 000 € als Untergrenze. Allein diese Differenz sollte jedem deutlich machen, dass man seit mehr als zwei Jahren im Verfahren der beschränkten Ausschreibung eine Anpassung hätte vornehmen können. Den Vorschlag, den Herr Wolf in seinem Papier hat, finde ich sehr gut. Ich vermisse ihn nur hier. Er ist hier nicht dargestellt.

[Bürgermeister Harald Wolf: Er kommt noch!]

Andere Bundesländer agieren hier deutlich schneller und effektiver, gerade zum Wohl der kleinen und mittleren Unternehmen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Durch uns getrieben!]

Das sagen Sie jetzt. Sie sind aber sehr langsam! Der Gesetzentwurf lässt lange auf sich warten. Sie haben ihn angekündigt! Sie reden seit September 2007 davon! Hier wäre schnelleres Handeln zum Wohle der Wirtschaft und zum Wohle der Arbeitnehmer deutlich besser gewesen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brauner! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Liebich das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Was ich an unserer CDU-Opposition immer so süß finde, ist, dass sie es zwar schafft zu gucken, ob der Senat und die Koalition ihre eigenen ehrgeizigen Ziele erfüllen – und auch darauf hinweist, wenn wir es einmal nicht ganz so schnell schaffen –, dabei aber völlig vergisst, was für eine Partei sie eigentlich ist. – Ich erinnere noch einmal daran: Sie sind in der CDU! Die CDU ist die Partei, die keine gesetzlichen Mindestlöhne möchte. Sie lehnen das alles ab! Sie sind dagegen!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie halten hier eine Rede, in der Sie herumjammern und klagen, dass wir nicht schnell genug einen Mindestlohn von 7,50 € einführen. Das ist ein Scherz.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben hier die drittbeste Lösung zur Diskussion gestellt, weil die Gewerkschaften bundesweit leider nicht stark genug sind, um flächendeckend Löhne, von denen man nicht leben kann, zu verhindern. Das ist bedauerlich.

Der zweitbeste Weg wurde bei den letzten Bundestagswahlen – ebenso bedauerlicherweise – nur von meiner Partei – damals noch die PDS – vorgeschlagen. Ich erinnere mich noch gut an die Debatten, die ich mit Wolfgang Thierse auf so manchem Podium geführt habe, in denen er mir erläutert hat, dass ein gesetzlicher Mindestlohn der völlig falsche Weg sei. In dieser Hinsicht hat sich die SPD inzwischen zum Glück anders entschieden.

Herr Liebich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trapp?

[Beifall von Dr. Andreas Köhler (SPD)]

Auf Bundesebene gibt es inzwischen eine Mehrheit. Die SPD, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wollen einen gesetzlichen Mindestlohn. Und welche Partei verhindert ihn? – Ihre Partei, Herr Brauner! Also brauchen Sie hier kein Klagelied über die armen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu singen. Sie wollen das Ganze nicht, das können Sie auch ganz klar sagen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Daniel Buchholz (SPD): Das darf er nicht!]

Das Vergabegesetz ist deshalb nur die drittbeste Lösung, weil wir keine gesetzliche Grenze festlegen, sondern uns nur auf die öffentlichen Aufträge beziehen. Aber immerhin: Ein Gesetzentwurf wie dieser, so er Gesetz werden sollte, ist der fortschrittlichste, den wir bundesweit haben, auch wenn er nicht der schnellste ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich hatte neulich schon einmal einen kurzen Disput mit der Kollegin Pop von Bündnis 90/Die Grünen. Sie wies zu Recht darauf hin, dass Bündnis 90/Die Grünen in Bremen gemeinsam mit der SPD schneller ein Vergabegesetz beschlossen haben.

[Beifall bei den Grünen]

Das ist gut, das verdient Anerkennung. Aber – das sei hier nicht verschwiegen – das ist ein Vergabegesetz, das sich nicht auf alle Branchen bezieht, sondern lediglich auf zwei. Ich finde es trotzdem gut. Das ist ein wichtiger Schritt im Vergleich zu anderen Bundesländern. Aber das Gesetz kann dem Gesetzentwurf, den wir diskutieren, nicht standhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Deshalb schreibt die IG BAU – völlig zu Recht; darüber habe ich mich gefreut; die Gewerkschaften loben uns nicht immer –, das in die Wege geleitete neue Vergabegesetz entspreche dem, was man sich als Gewerkschafter unter rot-roter Politik vorstelle: Tariftreue für alle Branchen, Vorreiter in Deutschland für die Einführung eines Mindestlohns von 7,50 €. – Das ist wunderbar!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Und das, wo Lindner nicht da ist!]

Und nun wird manchmal von Herrn Lindner, von der CDU gesagt, dass das alles Sozialismus sei und dass man das mit dem Mindestlohn überhaupt nicht brauche. Deshalb noch ein Blick in die Welt rundherum:

20 von 27 EU-Staaten haben einen gesetzlichen Mindestlohn. Die USA haben einen gesetzlichen Mindestlohn. Australien hat einen gesetzlichen Mindestlohn. – Herr Lindner! Gut, dass Sie kommen! –

[Uwe Doering (Linksfraktion): Findest du?]

Die Höhen der gesetzlichen Mindestlöhne können sich übrigens auch sehen lassen – Beispiel Irland: 8,65 €; Frankreich: 8,44 €; Großbritannien: 8,00 €. Deshalb ist die Öffnung, die in dem Gesetz vorgesehen ist, völlig richtig.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wenn die Entwicklung nach vorne geht, muss man das anpassen können, und zwar nach oben, das ist doch klar.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Darauf, dass das Gesetz noch nicht gilt, hat der Kollege Jahnke von der SPD schon Bezug genommen. Wir sollten das Gesetz im Wirtschaftsausschuss zügig, aber nicht hopplahopp beschließen.

Es ist darauf hingewiesen worden, dass es neben dem Mindestlohn noch weitere Interessen gibt, die Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Änderungsantrag auch angesprochen hat. Wir finden es auch richtig, dass die lokale Wirtschaft beispielsweise durch die Erhöhung der Grenzen besser gefördert wird. Wir finden es auch richtig, dass die Beförderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Vergabe noch stärker, als das ohnehin schon passiert, berücksichtigt wird. Wir finden es richtig, dass ökologische Kriterien und Kriterien des fairen Handels, die Vermeidung von Kinderarbeit im Zuge der Entscheidung über dieses Vergabegesetz mit berücksichtigt werden.

Das werden wir auch machen, weil gefragt wurde, wo das Maßnahmepaket von Harald Wolf geblieben ist. Wer das Maßnahmepaket gelesen hat, weiß, dass es dort einen Teil gibt, der gesetzlich – nämlich im Vergabegesetz – geregelt wird. Das liegt hier vor. Es gibt einen anderen Teil, der beispielsweise über die Änderung der Landeshaushaltsordnung, über das Landesgleichstellungsgesetz oder Frauenförderungsrichtlinien verändert wird. Das werden wir entweder zeitgleich schaffen oder mindestens als Parlament beauftragen. Sie müssen also keine Sorge haben. Das ist nicht vergessen. Auch wenn wir durch die öffentliche Auftragsvergabe künftig nicht alle Probleme der Erde lösen können, ist es doch richtig, dass wir als Land Berlin als Vorbild dastehen. Dazu haben wir einen guten Schritt geleistet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Liebich! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Frau Abgeordnete Paus schon unterwegs. – Sie haben das Wort, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! 4 bis 5 Milliarden € im Jahr gibt Berlin für den Einkauf von Produkten und Dienstleistungen aus. Die beiden Zahlen wurden schon genannt. Aber wo Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Entscheidungsmacht zu nutzen bereit sind, beispielsweise Bioprodukte oder Fair-TradeProdukte kaufen und ökologisch-sozialen Gütern und Dienstleistungen jährlich zweistellige Wachstumsraten bescheren, da findet Mann oder Frau bei der öffentlichen Hand praktisch gar nichts, freundlich formuliert: wenig.

Wir Bündnisgrünen wollen das ändern. Wir wollen Berlin zum Vorreiter in Punkto ökologisch-sozialer Beschaffung machen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ökologisch-sozial!]

Deswegen haben wir einen Änderungsantrag zur vorliegenden Vergabenovelle eingebracht.

[Beifall bei den Grünen]

Das Hauptgegenargument gegen unseren Antrag ist, dass der öffentliche Haushalt kein Geld habe. Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Wenn Fair-Trade-Produkte bevorzugt oder ökologische und soziale Kriterien bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt werden, dann erhöhen sie die Qualität, dann verbessern sie die Nachhaltigkeitsbilanz, aber sie machen die Vergaben im Normalfall jedenfalls nicht billiger. Dennoch gibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass es oftmals nicht am Geld mangelt, sondern schlicht am Wissen, an der Kompetenz und an der praktischen Kultur, um solchen Vorgaben zum Durchbruch zu verhelfen.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Zum Beispiel der Strom in Berlin: Was war das für ein langes Hin und Her, meine Kollegin Frau Kubala wird sich noch erinnern, bis endlich im Jahr 2005/2006 ein Stromliefervertrag abgeschlossen wurde, der ein Drittel Strom aus erneuerbaren Energien enthielt. Immer kommt das Gegenargument, das sei vergaberechtlich schwierig und vor allem schlicht zu teuer. Am Ende bekam Lichtblick im Rahmen einer Ausschreibung den Zuschlag mit einem Drittel erneuerbaren Energien, aber nicht wegen ihres Strommixes, sondern weil das Unternehmen auch noch billiger als die Konkurrenten war.

[Beifall bei den Grünen]

Mit anderen Worten: Wir begrüßen die vorgelegte Novelle des Berliner Vergabegesetzes. Wir unterstützen die Ausweitung der Tariftreuepflicht. Wir stehen auch beim Mindestlohn an Ihrer Seite, das wissen Sie. Herr Liebich, Sie haben es schon erwähnt. Ich erinnere nur an den von uns initiierten Antrag von Rot-Rot-Grün für eine Berliner Bundesratsinitiative. Wir fragen uns bei Ihren Punkten lediglich, warum erst jetzt, warum noch Vertragsabschlüsse vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. Dazu hat Herr Wolf in der letzten Plenarsitzung deutlich gesagt, man hätte es anders handhaben können. In der Zwischenzeit handhaben Sie es auch anders. Die Vergabe an die BIM hätte so nicht erfolgen müssen. Herr Brauner hat weitere Argumente genannt.