Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

Wenn sie nicht funktionieren, muss man damit umgehen und nachschauen, wo der Knoten ist, aber die Möglichkeiten haben wir.

[Mirco Dragowski (FDP): Ja, soll er machen!]

Ich sage Ihnen allerdings: Ob es jedoch sinnvoll ist, jedes Zwischenergebnis zu kommunizieren, weiß ich nicht. Das bringt doch wohl eher Unruhe und nicht unbedingt Nutzen.

[Beifall bei der SPD]

Wichtig ist, dass wir ganz klar die Botschaft vermitteln, dass wir als Land Berlin an der Tagespflege festhalten werden und dass die Pflegepersonen damit rechnen können, dass sie keinerlei finanzielle Einbußen davontragen werden. So weit zum ersten Antrag.

Das zweite Thema waren die Tagesgroßpflegestellen, also Pflegestellen, die fünf und mehr Kinder betreuen, eine spezifisch Berliner Problemlage. Die gesetzliche Lage ist so, dass wir nur noch fünf Kinder pro Tagespflegestelle zulassen dürfen.

[Mirco Dragowski (FDP): Das wird gerade novelliert!]

Aber Montag dieser Woche, vor vier Tagen, ist der Entwurf vorgelegt worden, der jetzt Möglichkeiten enthält, doch ein bisschen anders, flexibler zu verfahren. Es gibt z. B. über die Betreuungszeiten, wenn man Kinder nur halbtags betreut, die Möglichkeit, doch mehr als fünf Kinder zu betreuen – fünf am Vormittag, fünf am Nachmittag etwa. Das ist nicht so ganz überprüfbar. Da muss man schauen, wie man das behandelt. Oder es gibt die Möglichkeit, Personen mit besonderen Qualifikationen einzusetzen. Da muss man fragen: Was heißt „besondere Qualifikationen“? Das muss geklärt werden. Es gibt auch die Möglichkeit, den Bestandschutz zu nutzen. Wenn ich allerdings lese, dass er bis 2010 gilt, dann ist das nicht viel, was man den Betroffenen anbieten kann.

Momentan ist also die Tagespflege mit bis zu acht Kindern nur mit zwei Betreuungspersonen gesetzlich abgesichert. Ansonsten muss reduziert werden. Nun wissen wir eben aus der vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfs, dass vieles möglich ist.

Ihre Redezeit ist beendet. Sie müssen leider zum Ende kommen.

Ja, letzter Satz. – Da vieles noch offen ist, ist es vernünftig, in Berlin bezüglich der Gruppengröße bis zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung auf Bundesebene keine abschließenden Entscheidungen zu treffen. So wird jetzt schon verfahren. Das ist ein Vorgehen, mit der wir auch leben können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Demirbüken-Wegner das Wort. – Bitte schön!

Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge der FDP beschreiben Probleme in der Berliner Tagespflege, die durch bundesrechtliche Änderungen entstanden sind. Zum einen kam durch die Absicht des von der SPD geführten Bundesfinanzministeriums, Geldleistungen an Pflegeeltern und Tagesmütter als Einkommen anzurechnen, im letzten Jahr eine ausführliche Diskussion in Gang. Mit einem Teilerfolg und einer Galgenfrist ist diese Diskussion erst einmal etwas ruhiger geworden. Allerdings hätten wir vom Senat Aktivitäten erwartet, die hier und heute noch einmal durch den Antrag gefordert werden.

In dem zweiten Antrag geht es um die seit längerem stattfindende Strukturdebatte in der Betreuung der Tagespflege. Der Berliner Senat sieht zu – und lässt dabei wenig Engagement erkennen –, und eine einzigartig gute Struktur der Tagespflege, insbesondere der Tagesgroßpflege in Berlin, droht kaputt gemacht zu werden. Außer vollmundigen Erklärungen ist bis heute nicht viel geschehen.

Wir haben immer wieder daraufhin gewiesen, dass vor Erlass der notwendigen Ausführungsvorschriften und bevor die bestehenden Tagespflegegroßstellen mit mehr als fünf Kindern durch fehlende Zuweisung bereits vernichtet sind, mit den betroffenen Eltern und Erziehern eine einvernehmliche Lösung im Sinn der neuen Gesetze zu finden ist.

Erst nach vielfältigen Protesten der in Berliner Tagesgroßpflegestellen Tätigen sind die Probleme beim Bundesjugendministerium vorgetragen worden. Die Senatsaktivität zur vollen Ausschöpfung der Übergangsfrist für vor dem Jahr 2005 genehmigte Großpflegestellen und die Signale, dass auch über diesen Zeitpunkt hinaus ein Fortbestand durch das Bundesministerium in Betracht gezogen wurde, werden aber bis heute ignoriert. Spätestens seit der im letzten Jahr getroffenen Vereinbarung zum

Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige war es nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Verbesserung für Berlin greifen würde. Doch der Senat hat den Abbau fleißig weiterbetrieben. Deshalb ist das, was der Kollege Dragowski vorgetragen hat und der Antrag der FDP wichtig und richtig.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Opposition muss wieder einmal die Verantwortung dafür übernehmen, dass vorauseilender Verwaltungsgehorsam gestoppt und Schaden von Berlin, Berliner Kindern und Eltern und Betreuungspersonen abgewandt wird.

Es ist so, dass in SGB VIII der § 43 dieses Mal den Ländern ihr eigenes Regelungsrecht in Bezug auf die spezifische Ausgestaltung der Betreuungsgrößen aufzeigt. Der Abs. 3 des Gesetzentwurfs lautet:

Landesrecht kann bestimmen, dass die Erlaubnis zur Betreuung von mehr als fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern erteilt werden kann, wenn die Person über besondere Qualifikation verfügt.

Seit dem BBP wissen wir, dass viele Tagesgroßpflegestellen eine diesbezügliche Qualifizierung durchlaufen haben.

Der Gesetzentwurf des Bundes sagt – jetzt noch einmal im Klartext – alles das, was die bisherige Übergangsregelung schon ermöglichte und nun auch für die Länder lesbar sein sollte, die es bisher nicht richtig verstanden, vielleicht aber auch nicht verstehen wollten. Der Berliner Senat muss endlich einsehen, dass Eltern und Kinder aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenssituation und Bedürfnisse Betreuungsangebote in großer Vielfalt benötigen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das kann nicht allein durch die Betreuung neuer Plätze in Tageseinrichtungen in Berlin sichergestellt werden kann. Es geht um die Vielfalt der Angebote in Kinderkrippen, in altersgemischten Gruppen und in der Kindertagespflege. Deshalb ist es insbesondere erfreulich, die gut aufgebaute Struktur der Kindertagespflege in Berlin zu erhalten und das Berufsbild weiterzuentwickeln, das für Eltern, Kinder und Tagespflegepersonen attraktiv ist.

Wäre der Senat unserer Aufforderung gefolgt, hätte er bereits im Jahr 2003 eine Bedarfsentwicklung aller Tagesbetreuungsangebote vorgelegt. Dann hätte er auf der Grundlage vernünftiger und abgesicherter Zahlen nicht nur weniger Chaos bei der Umstrukturierung der Betreuung in Berlin vermieden, sondern auch die Umstrukturierung mit dem SBG VIII besser bewältigen können. Ich hoffe, dass der Berliner Senat jetzt mit dem Referentenentwurf seiner Verantwortung nachkommt, denn Berlin täte gut daran, das jetzt im Sinn der Tagesgroßpflegestellen schnell zu nutzen und umzusetzen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Abgeordnete Dr. Barth. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welche Aufregung zum Thema Tagespflege in diesem Haus existiert.

[Mirco Dragowski (FDP): Sie geben doch Anlass dazu!]

Frau Kollegin! Sie haben es bereits gesagt: Uns liegen zwei Anträge vor, die Sachverhalte von bundespolitischer Relevanz betreffen. Ich wiederhole es noch einmal: Es geht darum, im Kinder- und Jugendhilfegesetz eine Veränderung zu erwirken – einerseits. Andererseits geht es darum, eine Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen zu verändern.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

So ist es doch, Herr Kollege! – Nun, meine Damen und Herren von der FDP, ich würde mir wünschen, dass Sie sich vielleicht direkt mit den vertrauten Kollegen auf der Bundesebene zu diesem Thema zusammensetzen. Hier in Berlin hat der Senat gehandelt. Was Sie ihm vorwerfen, dass er nicht rechtzeitig informiert hat, das stimmt nicht.

Schauen wir uns beide Sachverhalte genauer an. – Zum Ersten: Durch das Tagesausbaugesetz wurde das KJHG dahingehend geändert, dass die bisher in Berlin ausschließlich praktizierte Tagesgroßpflege abgeschafft wurde. Maximal fünf Kinder, nicht mehr, so wie wir es hatten, acht Kinder, sollen in einer Kindertagespflegestelle betreut werden. Das hat der Bundesgesetzgeber geändert.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Vergessen Sie das bitte nicht! Der Bundesgesetzgeber hat es sogar mit dem ausdrücklich gewünschten familiären Charakter solcher Angebote begründet, die er bei acht Kindern nicht mehr gegeben sieht. Das Land Berlin hat sich bereits nach Verabschiedung dieser Gesetzesänderung bei Frau Bundesministerin von der Leyen – und sie trägt ja Ihr Parteibuch! – für eine großzügigere, fünfjährige Übergangszeit eingesetzt, um die bewährten Berliner Einrichtungen langsam auslaufen zu lassen.

Entschuldigung! – Es liegt der Wunsch auf eine Zwischenfrage vor.

Nein! Danke! – Im Landesjugendhilfeausschuss hat Ihnen das die Verwaltung in der vergangenen Woche noch einmal ausführlich erläutert und auf den Sachstand verwiesen. Danach besteht die Bundesregierung – was ich auch nachvollziehen kann – auf der Einhaltung des Gesetzes. Das, was Sie zitiert haben, ist ein neuer Entwurf des Kinderförderungsgesetzes. Wie kann ich verlangen, dass der

Senat sozusagen in vorauseilendem Gehorsam diesen Entwurf umsetzt? – Ich glaube, das ist ein bisschen eigenartig.

Wenn wir so weit sind, wenn dieser Entwurf auf der Bundesebene diskutiert wurde – ich gehe davon aus, dass wir auch in unserem Ausschuss darüber debattieren –, werden wir uns noch einmal mit der Rechtslage auseinandersetzen. Das Bundesministerium hat die Besteuerung in der Tagespflege verändert, nicht das Land Berlin. Darauf will ich verweisen. Sagen Sie bitte allen Betroffenen, wie es in Wirklichkeit ist.

[Beifall von Karlheinz Nolte (SPD)]

Aufwandsentschädigungen an die Tagespflegepersonen sollen künftig als steuerpflichtiges Einkommen gelten, was wiederum Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht hätte. Mit einem Wort: Es besteht die berechtigte Frage, welche Auswirkungen das auf den Bestand der Tagespflege hätte. Auf eine Anfrage von mir hat Herr Senator Prof. Zöllner bereits im Mai 2007 auf die Neuregelung mit großer Sorge reagiert.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Das konnten Sie nachlesen! – Im November 2007 haben sich die Arbeits- und Sozialminister der Länder auch auf Initiative des Landes Berlin dafür eingesetzt, dass der betreffende Erlass des Bundesministers für Finanzen zumindest für ein Jahr verschoben wird. Das wurde auch erreicht. Mittlerweile bemüht sich eine Bund-LänderArbeitsgruppe um eine tragfähige Lösung, die den Interessen aller Beteiligten gerecht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Der Senat hat seine Hausaufgaben gemacht. Er handelt und wird das auch weiter tun. Wir werden die Möglichkeit haben, im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie noch einmal darüber zu diskutieren. Für meine Fraktion kann ich Ihnen versichern, dass wir der Tagespflege in Übereinstimmung mit dem Berliner Kindertagesfördergesetz einen wichtigen Platz im Rahmen der Angebote der Tagesförderung einräumen. Also lassen Sie uns darüber einmal in aller Unaufgeregtheit sprechen. Ich denke, es gibt gar keinen anderen Grund. Und wenn von der Bundesebene eine Änderung bereits angedacht ist, werden wir die Letzten sein, uns nicht in diesen Prozess einzubringen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte schön!

Ihre Ruhe, liebe Kollegin Frau Barth, finde ich schon bemerkenswert. Fakt ist, dass wir schon in der letzten Legislaturperiode die Situation der Tagesgroßpflegestellen auf der politischen Agenda hatten. Fakt ist auch, dass auf die Kleine Anfrage der damaligen jugend- und familienpoliti

schen Sprecherin meiner Fraktion die Senatsverwaltung Folgendes gesagt hat: Es gibt ein Abkommen zwischen dem Bundesjugendministerium und der Senatsverwaltung für Bildung, dass folgender Lösungsvorschlag umgesetzt werden soll: Bis zur Novellierung des SGB VIII gibt es eine Besitzstandswahrung, also bis September 2010 sollte eine solche vorgenommen werden. Fakt ist aber, dass man auf diese neue Situation, die Sie positiv beschrieben haben und die positiv ist, nicht gewartet hat. Es wurde peu à peu, das haben wir in der letzten Landesjugendhifeausschusssitzung von den Vertretern der Tagesgroßpflegestellen erfahren können, abgebaut. Es hieß dann nur noch aus der Senatsverwaltung: Es geht lediglich noch um 17 Prozent Tagesgroßpflegestellen, dieser Alleinmerkmaltatbestand für Berlin dürfte nicht so ein großes Problem sein mit seinen 17 Prozent. Wir haben zugesehen, dass die Tagesgroßpflegestellen nicht mehr weiter in der Größe Bestand hatten, mit der sie einmal angefangen haben. Berlin hat auf der politischen Ebene nicht den Kampf geführt, für diesen Alleinmerkmaltatbestand überhaupt etwas auf der politischen Ebene zu machen. Insofern die Ruhe zu bewahren und nicht zu sehen, dass draußen peu à peu abgebaut wird, – das finde ich sehr bemerkenswert.

Das Wort zur Erwiderung hat Frau Dr. Barth. – Bitte schön!