Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

[Steffen Zillich (Linksfraktion): Ich habe nur Herrn Mutlu zitiert!]

Wie auch immer! Ich habe niemanden konkret angesprochen. Wir sollten künftig darüber nachdenken, welche Worte wir wählen. – Jetzt hat Frau Senftleben von der FDP-Fraktion das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! – „Stümper“ würde ich nie sagen! – Sieben Stunden pro Tag ohne Bedarfsprüfung – tolle Sache, und das auch noch umsonst, also zum Nulltarif! – Lieber Herr Zillich! Wo steht das, und wer finanziert das?

Apropos umsonst: Wir machen hier alles umsonst. Das letzte Kitajahr ist umsonst, zukünftig auch noch die anderen beiden Kitajahre. Ich frage nur: Wo bleibt die Qualität?

[Özcan Mutlu (Grüne): Und wo bleibt die Knete?]

Das ist die entscheidende Frage, aber die Antwort darauf wird Rot-Rot uns wie üblich schuldig bleiben. Eines wis

sen wir: Seit Jahren haben wir alarmierende Meldungen über unzureichende Deutschkenntnisse der Schulanfänger. Im neuen Schuljahr wieder: 5 800 Erstklässler werden eingeschult, die eine verstärkte Förderung in Deutsch benötigen. Wir wissen alle, dass die Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse in der gesamten Bildungskarriere Probleme behalten. Das sind jetzt 23 Prozent aller Kinder. 2007 waren es 24 Prozent aller Kinder. 2006 waren es 25 Prozent aller Kinder. Wenn das so weitergeht, werden wir es im Jahr 2031 geschafft haben, dass alle Kinder mit ausreichenden Deutschkenntnissen eingeschult werden. Das ist weniger als Schneckentempo!

[Beifall bei der FDP]

Es wurden immer wieder Maßnahmen ergriffen. – Ihr Vorgänger, Herr Senator Zöllner, unser aller Freund Senator Böger, hat immer wieder betont – und Rot-Rot macht weiter –: „Wir in Berlin sind die Besten. Wir tun etwas Einmaliges. Wir fördern schon früh, und dann auch noch umsonst.“ – Denkste! Es wird herumgewurstelt: erst zwei Stunden, dann drei Stunden. Die Ergebnisse bleiben gleich schlecht, konstant schlechte Zahlen! – Ihre Maßnahmen, meine Herren und meine Damen von Rot-Rot, sie verpuffen! So muss man es nennen.

Genau an diesem Beispiel, an dieser miserablen Sprachförderung, dieser Konzeptionslosigkeit zeigt sich die Bildungspolitik von Rot-Rot. Sie sorgen dafür, dass es in dieser Stadt keine gerechten Startchancen für alle Schülerinnen und Schüler gibt. Das nennen Sie rot-rote Bildungsgerechtigkeit. Wir nennen das einen Skandal. Nichts, aber auch gar nichts kriegen Sie hier auf die Reihe!

[Beifall bei der FDP]

Nun haben Sie sich gestern im Hauptausschuss entschieden. Endlich! Das war eine richtige „Zeremonie“, hätte Konrad Adenauer gesagt. Ja, das war es. Es hat lange gedauert – eine weitere Blamage, eben en passant!

Nun zum Gesetz! Es ermöglicht eine verpflichtende Sprachstandserhebung für alle vierjährigen Kinder, also für diejenigen, die bislang keine Kita besucht haben. Das sind fünf Prozent eines Jahrgangs, das ist nicht sehr üppig. Alle Kinder, bei denen der Förderbedarf festgestellt wird, erhalten dann über ein Jahr hinweg täglich drei Stunden Förderung, egal, ob in Schule oder Kita, in einer homogenen Gruppe, also in einer Gruppe, in der alle Kinder dieselben Defizite haben. In dieser Gruppe sollen die Kinder Deutsch lernen. Wo bleiben dort Sprachanlässe? Das ist die große Frage. Gerade Sprachanlässe waren einer der wesentlichen Punkte, die uns Herr Prof. Mertens hinter die Ohren geschrieben hat. Diese Sprachanlässe müssen geschaffen werden. – Es passiert also nichts anderes als bisher. Das verkorkste Konzept der letzten Jahre wurde lediglich auf ein Jahr verlängert.

Wir haben drei Kritikpunkte. Unser Hauptkritikpunkt: Wo bleibt die genaue Zielvorgabe? Die Zielvorgabe muss heißen: Die erfolgreiche Teilnahme aller Kinder am Unterricht ist mit Beginn der Schulanfangsphase gesichert.

Eine Zielvorgabe ließe sich auch überprüfen. Eine Evaluation der eingeleiteten Maßnahmen scheuen Sie jedoch wie der Teufel das Weihwasser. Dabei wäre es so einfach: Direkt mit Schulbeginn wird noch einmal überprüft.

Wir lehnen dieses Gesetz ab. Wir waren eigentlich offen, weil wir die Notwendigkeit sehen. Wir wollten zustimmen, aber nach den Beratungen, nach der Anhörung bekommen Sie von uns ein klares Nein. Wir haben mit den folgenden drei Änderungsanträgen versucht, dieses Gesetz zu präzisieren:

Erstens: Eine Zielvorgabe muss definiert werden.

Zweitens: Eine Förderung der Kinder durch qualifizierte Kräfte, das ist das A und O, alles andere ist Herumgewurstel.

[Beifall bei der FDP]

Drittens: Eine Evaluation dieser Maßnahmen nach drei Jahren ist dringend geboten. Das sind wirkliche Essentials einer vernünftigen Sprachförderung, die nicht die Vorschule will, wie wir es gerne würden. Der Gesetzentwurf hingegen ist ein Herumgewurstel, eine Mauschelei. Ich prophezeie Ihnen, in einem Jahr werden wir vielleicht 24 Prozent Kinder mit Förderbedarf haben. Sie werden sich dann wieder hier hinstellen und behaupten, Sie seien toll, Sie seien die Größten. Nein, Sie sind nicht toll, Sie sind Stümper. – Entschuldigung! Das durfte ich nicht sagen, das nehme ich zurück.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Gesagt ist gesagt!]

Sie sind diejenigen, die in den letzten Jahren in diesem Bereich versagt haben und weiter versagen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Ausschüsse empfehlen jeweils mehrheitlich mit Änderungen die Annahme – und zwar jeweils gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Grünen im Fachausschuss und bei Enthaltung von CDU und Bündnis 90 im Hauptausschuss.

Wer gemäß der Drucksachen 16/0794 und 16/1284 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen. Die Gegenstimmen! – Das ist die FDP. Enthaltungen? – Das sind CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 6:

I. Lesung

Achtes Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/1235

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU in Person des Herrn Braun. – Bitte schön, Herr Braun, eilen Sie herbei, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es schon merkwürdig. Der Senat beschreibt Problemlagen, die außer ihm in Berlin nun wirklich keiner kennt. Das gilt auch für die heute zu diskutierende Vorlage zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes. Der Senat stört sich daran, dass der innere Aufbau nicht in jeder Bezirksverwaltung gleich ist. Was ist so schlimm daran? – Friedrichshain-Kreuzberg hat andere Probleme als Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf wiederum andere als Neukölln. Wenn wir es mit der kommunalen Selbstverwaltung ernst meinen, wenn wir den Bezirken mehr Eigenständigkeit zubilligen wollen, dann lassen Sie doch die Bezirke selbst entscheiden, wo sie ihre politischen Schwerpunkte sehen, wie sie ihre eigene Verwaltung und ihr eigenes Rathaus organisieren. Der Senat, aber insbesondere auch die Abgeordneten müssen nun wirklich nicht alles regeln, schon gar nicht interne Strukturen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für den Senat ist es offensichtlich auch ein Problem, dass heute ein Bezirksamt aus einem Bezirksbürgermeister und fünf weiteren Stadträten besteht. Bis vor kurzem wusste ich noch nicht, weshalb dies problematisch sein soll. Durch die Zusammenlegung der Bezirke sind die Bezirksämter von – wie im Fall Pankow – 21 Ressorts auf 6 zusammengeschnurrt, in vielen Bezirken von 14 auf 6. Ich persönlich hatte nicht den Eindruck, dass die Bezirksvertreter nicht ausgelastet wären, zusätzliche Aufgaben übernehmen könnten und – das ist mir besonders wichtig – gleichzeitig bürgernah arbeiten können.

Es geht um ein grundsätzliches Problem. Lassen Sie mich dies anhand einer Anekdote erläutern. Ein väterlicher Freund von mir, der leider viel zu früh verstorbene Abgeordnetenhausdirektor Winfried Fest, war in jungen Jahren Redenschreiber beim damaligen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Er hat mir erzählt, dass Willy Brandt darauf bestanden haben soll, dass er an jedem Mittwoch ab 15.00 Uhr keine Termine mehr wahrnehme. Er nutzte den freien Nachmittag und Abend, um zu entspannen und um mit seinen politischen Freunden aktuelle politische Fragen zu erörtern. Oft sah man sie dabei um den Grunewaldsee spazieren gehen. Ich weiß nicht, ob diese Anekdote stimmt, aber ich finde, Willy Brandt hat richtig gehandelt. Jeder Politiker braucht manchmal eine Phase der Entspannung, Zeit zum Nachdenken.

Ich weiß, dass viele politische Besprechungen in Senats- und Bezirksverwaltungen morgens bereits um 6.00 Uhr

beginnen und die letzte abends um 23.00 Uhr stattfindet. Ob unter diesen Bedingungen getroffene Entscheidungen immer wirklich gut für den Bürger sind, kann ernsthaft infrage gestellt werden. Meine Fraktion ist deshalb strikt gegen eine Reduzierung der Anzahl der Bezirksstadträte.

[Beifall bei der CDU]

Was ich über die Bezirksstadträte gesagt habe, gilt in gleichem Maß für die Senatoren. Ich habe es stets für falsch gehalten, die Anzahl der Senatoren durch die Verfassung auf acht zu reduzieren. Mir sind Senatoren lieber, die auch einmal Zeit haben, um über die Lösung eines Problems intensiver nachzudenken als völlig überbeansprucht zu sein.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Für meine Fraktion rege ich deshalb an, dass wir eine Grundsatzdebatte führen, an deren Ende auch die verfassungsmäßige Festlegung auf acht Senatoren mit Beginn der nächsten Legislaturperiode revidiert wird. Lassen Sie uns hierüber sachlich diskutieren, frei von jedem vordergründigen politischem Kalkül. Die CDU-Fraktion ist hierzu bereit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Für die SPDFraktion hat nunmehr der Kollege Kleineidam das Wort! – Bitte schön, Herr Kleineidam!

Danke sehr, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Braun! Wenn ich gleich auf Sie antworten darf: Ich denke, dass sich Organisationsfragen nicht für Glaubensauseinandersetzungen eignen. Deshalb nehme ich Ihr Angebot für eine sachliche Diskussion sehr gern entgegen und hoffe, dass wir uns in diesem Sinn in den Ausschüssen mit dem Gesetzentwurf beschäftigen werden. Das bedeutet nicht, dass ich jeden Ihrer Vorschläge teile, aber das sollten wir ganz sachlich miteinander erörtern.

Ich möchte gern begründen, weshalb meine Fraktion der Meinung ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf in die richtige Richtung weist. Sie haben kritisiert, dass die Organisationseinheiten, die Ämter in den Bezirken gleich organisiert werden sollen. Aus unserer Sicht sprechen zwei Dinge vehement dafür, genauso vorzugehen. Zum einen wollen wir mehr Bürgerfreundlichkeit. Wir wollen mehr Übersicht, damit die Bürgerinnen und Bürger Berlins, die in unterschiedlichen Bezirken etwas vom Amt benötigen, sich nicht erst lange orientieren müssen, wo sie etwas finden. Wenn eine bestimmte Bezeichnung an einem Amt steht, sollen sie wissen, dass sie richtig sind und das dies auch im nächsten Bezirk so gilt. Es ist ein Beitrag zu mehr Bürgerfreundlichkeit. Ganz am Rand sei mir die Bemerkung gestattet, dass ich es auch bürgerfreundlich

finde, von der Bezeichnung Leistungs- und Verantwortungszentrum wieder abzugehen und den alten Begriff „Amt“ zu verwenden. Das heißt nicht, dass wir die Ideen der Verwaltungsreform aufgeben, sondern, dass wir uns einer Sprache bedienen wollen, die die Bürgerinnen und Bürger auch verstehen. Ich hatte in der Vergangenheit manchmal den Eindruck, dass Bürgerinnen und Bürger sich unter dem Begriff „Leistungs- und Verantwortungszentrum“ überhaupt gar nichts vorstellen können.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wollen starke und funktionsfähige Bezirke und einen fairen Dialog zwischen Landes- und Bezirksebene. Naturgemäß gibt es da Interessengegensätze. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bezirke ihre Interessen gegenüber dem Land wesentlich besser vertreten können, wenn sie in ihrer inneren Struktur gleich organisiert sind. Dann können nämlich die Stadträte aus verschiedenen Bezirken ihre Interessen besser bündeln und diese gegenüber der Landesebene – Senat oder Abgeordnetenhaus – besser formulieren. Ich glaube deshalb fest daran, dass die gleiche Ämterstruktur zu einer Stärkung der Bezirke beiträgt.

Ich begrüße es ausdrücklich, wie der Vorschlag des Senats zustande gekommen ist. Es ist den Bezirken nicht von oben herab oktroyiert worden, wie solch eine Aufteilung aussehen soll, sondern der RdB ist um eine Stellungnahme gebeten worden. Der Vorschlag des RdB ist dann eins zu eins im Gesetz umgesetzt worden.

Der Senat hat noch in einer zweiten Stelle im Verfahren deutlich gemacht, wie ernst er die Bezirke nimmt, denn er hat die ursprünglich formulierte Absicht, die einheitliche Ämterstruktur schon zum 1. Januar 2009 einzuführen, zurückgenommen, hat den Bedenken der Bezirke, in der laufenden Wahlperiode Umstrukturierungen vornehmen zu müssen, Rechnung getragen und den uns jetzt vorliegenden Gesetzentwurf entsprechend geändert.

[Beifall bei der SPD]