Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Lange! Niemand im Kulturausschuss und auch nicht die CDUFraktion als antragstellende Fraktion hat in irgendeiner Weise die konkrete Formensprache eines Denkmals für Johann Georg Elser gefordert oder gar vorgegeben.
Deshalb sind Ihre Argumente gegen den Antrag der CDU mehr als fadenscheinig. Das muss ich hier einmal deutlich aussprechen.
Natürlich darf in diesem Raum gefragt werden, ob es ein weiteres Denkmal in Berlin zu einem Ereignis des Nationalsozialismus geben muss. Die Fraktion der Grünen schließt sich jedoch dem Antrag der CDU-Fraktion an, weil Johann Georg Elser, seine Biographie und sein Handeln im Jahr 1939 in der Gesellschaft tatsächlich viel zu wenig bekannt sind. Immer noch ranken sich Mythen um diesen Mann. Aber die Geschichtsschreibung hat inzwischen ganz klar gemacht, dass der Attentatsversuch Elsers die couragierte Tat eines Einzelnen gegen den Tyrannen war und deswegen in den Fokus der Erinnerungen gehört.
Johann Georg Elser war als Kommunist ein Gegner des Nationalsozialimus von Anfang an. Lange hatte er das Attentat in München vorbereitet. Wie jedes Jahr wollte sich Hitler auch 1939 vor seinesgleichen am Vorabend des Jahrestages des Putschversuches von 1923 im Münchener Bürgerbräukeller feiern lassen. Das wusste Elser. Er nahm dieses Datum zum Anlass für seinen Attentatsversuch. Er versteckte sich monatelang – das muss man sich einmal vorstellen – nach Schluss des Ausschankes in diesem Lokal in einer Besenkammer, um sich dann nachts eine Säule auszuhöhlen, um dort Sprengstoff und den Zeitzünder zu verstecken.
Am 8. November 1939 explodierte die Bombe tatsächlich – zum geplanten Zeitpunkt. Nur hatte Hitler wenige Minuten vorher den Saal verlassen, ausgerechnet weil er wegen schlechten Wetters mit der Bahn statt mit dem Flugzeug nach Berlin zurückfahren wollte. Es ist bedauerlich, dass bei diesem gescheiterten Attentat das Ziel Hitler verfehlt wurde und stattdessen Menschen umgekommen sind oder verletzt wurden, die mehr oder weniger unbeteiligt waren, wie in diesem Fall. Es muss aber dagegen gehalten werden, wie viele Opfer des Naziterrors und des Zweiten Weltkrieges hätten vermutlich vermieden werden können, wenn es Hitler wirklich erwischt hätte.
Des bürgerlichen Widerstands ist in der Nachkriegszeit, vor allem natürlich in der Bundesrepublik Deutschland, viel gedacht worden. Dem bürgerlichen und militärischen Widerstand um Stauffenberg wurde die meiste Beachtung geschenkt. Dem kommunistischen Widerstand fehlt im Großen und Ganzen bis heute die öffentliche Aufmerksamkeit. Interessanterweise war auch die Figur Georg Elsers in der DDR zu suspekt, um seiner Tat zu gedenken. Das macht es umso deutlicher, dass hier ein großer Nachholbedarf besteht.
An das Schicksal Georg Elsers, der nach jahrelangem Leiden in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau am 9. April 1945 erschossen wurde, lohnt es sich wirklich zu erinnern.
Ich weiß nicht genau, Herr Dr. Lehmann-Brauns, was die CDU-Fraktion zur Initiative bewogen haben mag, einen unbequemen Kommunisten in Berlin für sein mutiges Handeln zu ehren und ein Denkmal zu errichten. Wir jedenfalls unterstützen das Anliegen und fänden es gut, wenn eine künstlerische Antwort gegeben würde, bei der auch die Information über das Tun und die Person Johann Georg Elsers mit zum Ausdruck gebracht würde. Deswegen bitten wir den Senat: Schaffen Sie möglichst schnell Fakten! Hier ist eine Lücke des Erinnerns zu schließen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Ströver! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Brauer das Wort! – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Johann Georg Elser war ein mutiger Mann. Auf eine bewundernswerte Weise versuchte er zu verhindern respektive zu beenden, was ein Großteil der Deutschen bereits akzeptierte, wenn nicht sogar mit Verhalten oder offener Begeisterung begrüßte. Der Krieg lief bereits ein Vierteljahr. Polen war bereits verwüstet. Elser hätte diesen Krieg im Falle des Gelingens seiner Tat nicht verhindert oder beendet. Die Kriegsmaschine von Wehrmacht und deutscher Industrie lief auf Hochtouren. Es war eben kein verrückt gewordener Einzeltäter – da muss ich meinem Vorredner widersprechen –, namens Hitler, der die Welt ins Unglück stürzte. Hier irrte Elser, und – mit Verlaub – hier irrt auch Rolf Hochhuth. Aber das ist heute nicht das Thema.
Dass Elser sein unmittelbares Ziel – die Beseitigung Hitlers und einiger seiner Paladine – nicht ereichte, kann man ihm nicht vorwerfen. Beinahe hätte es geklappt. Auch wenn er sein Ziel nicht erreichte – ich verneige mich tief vor ihm. Johann Georg Elser gehört meine Sympathie.
Beide deutsche Staaten haben sich seinerzeit durch unterschiedlich motiviertes, aber im Endergebnis ähnliches Handeln schwer an ihm versündigt. Beide haben versucht, ihn zu verschweigen, sein Handeln zu relativieren und irgendwie als Randereignis abzutun. Deshalb stehe ich auch Rolf Hochhuths Vorschlag, der Auslöser für den CDUAntrag war, mit Sympathie gegenüber.
Natürlich gehört ein Elser-Denkmal vorzüglich nach München, an den Ort seiner mutigen Tat – das, was da heute an Denkzeichen zu sehen ist, ist eher peinlich denn würdig –, aber das spricht nicht gegen ein Elser-Denkmal in Berlin. – Nur sollte die Form, Herr Kollege LehmannBrauns, nicht jetzt schon feststehen bzw. von uns vorgeschrieben werden. Es muss nicht unbedingt die traditionelle Bronze- oder Travertinfigur sein. Das muss und kann jetzt noch offen bleiben, auch wenn mancher hier im Raum offensichtlich schon seine Favoriten festgelegt hat. Deswegen sind wir für den Begriff des Denkzeichens statt des Denkmals. – Warten wir die Vorschläge der Künstlerinnen und Künstler ab und entscheiden dann, Frau Ströver!
Einigkeit besteht hoffentlich darin, dass ein solches Denkzeichen in den öffentlichen Raum gehört und nicht – wie ein anderes zurzeit geplantes Mahnmal – weggeschlossen werden darf, gerade weil es jetzt schon von Neu- und Altnazis angefeindet wird. Über den Standort muss gründlich nachgedacht werden. Eine Figur einfach an eine Straßenecke zu stellen geht nicht, auch wenn es eine prominente Ecke wie die Ecke Wilhelm-/Voßstrasse ist. Wie ärmlich so etwas aussehen kann, ist in der Nähe dieses Punktes zu sehen: Unweit davon steht das Zieten
Denkmal. Schauen Sie sich den Ort an! Das funktioniert nicht. Das sollten wir Elser und uns nicht antun.
Zudem – auch das gebe ich zu bedenken – haben seit Jahrzehnten sehr unterschiedliche Stadtregierungen versucht, die neue Reichskanzlei vergessen zu machen: zugestellt mit Plattenbauten zu DDR-Zeiten, plötzlich auftauchende Trümmerreste im wiedervereinigten Berlin, schamvoll ganz rasch unter einem Sandhaufen verbuddelt. Ich sehe das auch eher skeptisch. Geschichte lässt sich nicht unter Dreckbergen verstecken. Sie kriecht irgendwann wieder hervor, und dann ist das Erschrecken meist groß.
Diesen lange verdrängten Ort durch eine kleine Denkmalssetzung wieder ins Alltagsbewusstsein zurückzuholen, das kann man machen. Man kann es auch wollen. Einverstanden! Man muss nur um die Folgen wissen und sich diesen Folgen stellen. Dazu sollte man aber vorher nachdenken, und genau das wollen wir.
Für das Areal der neuen Reichskanzlei reicht ein einziges Elser-Denkmal nicht aus und ein paar Täfelchen an der Wilhelmstraße auch nicht. Das wäre nichts anderes als Baldrian auf das schlechte Gewissen einer Nation. Wir möchten die Standortvorschläge prüfen lassen und sie diskutieren.
Auch wir als Linksfraktion wollen Johann Georg Elser ehren, aber wir wollen, dass – bevor wir handeln – über die Form und den Ort sehr gründlich nachgedacht wird. Über das grundsätzliche Anliegen besteht Konsens.
Ihr Änderungsantrag allerdings, Herr Kollege LehmannBrauns, wird diesem Anliegen nicht gerecht. Es ist albern, einen Antrag, der sich bereits der Ausschussdiskussion unterzogen hat, noch einmal im Originaltext einzureichen. Das ist Quatsch! Wenn wir das machen, können wir uns die Ausschussarbeit künftig sparen. – Vielen herzlichen Dank für die Geduld!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brauer! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Meyer das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben auch schon im Ausschuss Konsens festgestellt. Johann Georg Elser war ein mutiger Mann. Der verzweifelte Kampf eines Einzelnen gegen das Unrechtsregime steht hier im Vordergrund und muss auch als solcher gewürdigt werden. Dass es eine Lücke im Gedenken in beiden Teilen Deutschlands und auch jetzt im vereinten Deutschland gibt, das steht außer Zweifel. Deswegen waren wir im
Ausschuss alle sehr schnell der Meinung, dass man Johann Georg Elser gedenken muss, gedenken sollte.
Ich fand den Antrag der CDU eigentlich gelungen, weil er nach wie vor genau den Raum für das gelassen hat, was von Frau Lange, aber auch von Ihnen, Herr Brauer, am Anfang eingefordert wurde.
Denkzeichen oder Denkmal? – Wir wollen in der Tat ein Denkmal. Das ist eine politische Entscheidung. Sie haben diese politische Entscheidung nicht mitgetragen. Sie wollten sie nicht mittragen. Ich frage mich, warum nicht. Sie haben zu keinem Zeitpunkt in der Ausschussberatung – und auch heute nicht – gesagt, was Sie gegen ein Denkmal einzuwenden haben.
Dem Gedenken ein Gesicht geben, das war der richtige Hinweis von Herrn Lehmann-Brauns. Sich dafür auszusprechen steht uns als Abgeordnetenhaus gut an. Deswegen ist der Antrag der CDU, der jetzt noch einmal eingebracht wurde, nicht vergebens. Wir wollen ein Denkmal und kein Denkzeichen. Wie das Denkmal genau ausgestaltet ist, das kann gerne von den zuständigen Gremien besprochen werden. Aber der Grundansatz ist richtig und wird so auch von uns vertreten.
Ich finde es schade, dass all das, was in der Ausschussberatung in dieser Frage an weiterem Engagement vorgetragen wurde – etwa dass Herr Reemtsma finanzielle Unterstützung angeboten hat –, keine Rolle mehr gespielt hat, sondern dass Sie an der Frage Denkzeichen oder Denkmal einen unnötigen Streit aufgebrochen haben, der der Figur Johann Georg Elsers nicht würdig ist.
Wir können – und da schließe ich mich Frau Ströver an – nur darauf hoffen und an die Beteiligten appellieren, dass sie jetzt zügig zu einem Ergebnis kommen. Ich hoffe, dass es ein Ergebnis im Sinne aller Fraktionen ist und dass das, was zumindest drei Fraktionen in der Ausschussberatung und auch hier noch einmal deutlich gemacht haben – dass wir ein Denkmal wollen –, in die Gremienberatung einfließt und im Ergebnis dann doch alle Fraktionen zusammenkommen. Es wäre des Namens Johann Georg Elser würdig. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer! – Zuerst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU ab, mit dem der Antrag in der ursprünglichen Fassung, Drucksache 16/1115, angenommen werden soll. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion, die CDU-Fraktion und die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Das ist die Koalition. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Zum Ursprungsantrag Drucksache 16/1115 empfiehlt der Kulturausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion der CDU bei Enthaltung der Grünen und der Fraktion der FDP die Annahme in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 16/1197 befinden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der Grünen. Damit ist der Antrag angenommen.
Mehr Chancen durch Teilhabe (III): Schüler auf Ausbildungsplatzsuche – zweiter Anlauf muss zum Ziel führen!
Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Ursprungsantrag Drucksache 16/0939 empfiehlt der Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU, der Fraktion der Grünen und der Fraktion der FDP die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer so befinden möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
Wir sind in der Abstimmung. Wenn ich Ihnen das noch einmal verlesen darf: Zum Ursprungsantrag mit der Drucksachennummer 16/0939 empfiehlt der Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer so befinden möchte, den bitte ich jetzt noch einmal um das Handzeichen.
[Volker Ratzmann (Grüne): Lassen Sie jetzt über den Ursprungsantrag oder die Beschlussempfehlung abstimmen?
Den Ursprungsantrag, darum geht es immer noch. – Wer möchte dem Ursprungsantrag zustimmen? – Das sind die Fraktion der FDP, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist das abgelehnt.