Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Menschenrechte sind unteilbar – kritischen Dialog nutzen

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1356

Den Dringlichkeiten wird offensichtlich nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfü

gung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende Eichstädt-Bohlig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich schaue gerade, wie voll die Reihen bei den Kollegen bei der SPD sind. Na ja!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Schauen Sie auch bei Ihrem Partner, der CDU!]

Ja, ich schaue auch zur CDU, das ist schon richtig. – Ich glaube, das Thema ist wichtig genug, dass wir hier in Berlin, in der deutschen Hauptstadt, darüber öffentlich sprechen sollten. Die tibetische Bevölkerung hat ihr Leiden und ihren Protest gegen die vielfache Unterdrückung durch Peking in die Weltöffentlichkeit getragen. Die Weltgemeinschaft ist in ganz besonderer Weise gefordert, diesen Protest zu unterstützen:

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

zum einen grundsätzlich, weil Menschenrechte weltweit gelten müssen, zum anderen aber gerade, weil wir inzwischen wirtschaftlich sehr eng mit Peking, mit China verknüpft sind, ganz besonders aber auch, weil der Geist von Olympia für Freiheit und Menschenrechte steht und bei der Vorbereitung während und nach der Pekinger Olympiade stehen soll und stehen muss. Dafür tragen wir Mitverantwortung.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Das IOC meinte, das ignorieren zu können, aber der Fackellauf des olympischen Feuers wird zu einem Spießrutenlaufen, weil in Athen und London, in Paris und San Francisco mutige Menschen für die Menschenrechte auf die Straßen gehen. Insofern ist es die Frage auch an uns: Wo steht Berlin? – Die Tatsache, dass die Fackel nicht durch Berlin oder durch Deutschland getragen wurde, ist keine Entschuldigung dafür, dass wir nicht auch ganz klar und deutlich an der Seite der Unterdrückten stehen und hier unser Zeichen für Menschenrechte setzen müssen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Nicht nur andere Regierungen, andere Städte und viele Bürger haben schon Flagge gezeigt, sondern auch der Bürgermeister von Paris hat an seinem Rathaus ein Transparent aufgehängt: „Paris verteidigt die Menschenrechte überall auf der Welt.“ – Herr Regierender Bürgermeister! Ich würde mir wünschen, das Rote Rathaus würde ein ähnliches Transparent zeigen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Aber ich sehe, Sie haben ganz andere Anliegen.

Viele deutsche Städte haben zum Zeichen der Solidarität mit der tibetischen Bevölkerung die tibetische Flagge gehisst. Der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin haben ihre Reisen nach Peking abgesagt, aber Berlin meint – –

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Nein, da war keine geplant! – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Sie haben deutlich erklärt, dass sie nicht hinfahren werden. Das ist schon ein deutliches Zeichen.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Aber schon vorher!]

Sie haben es besonders im Zusammenhang jetzt mit den tibetischen Unruhen und den Protesten dagegen deutlich öffentlich gemacht. Da können Sie jetzt nicht so tun, als wäre das eine Zufallsgeschichte.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) und Uwe Doering (Linksfraktion)]

Unser Parlamentspräsident muss seinen Reisedrang erst von der Opposition und jetzt endlich auch von seiner Fraktion stoppen lassen. Peinlich, peinlich, dass die SPD das nötig hat.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Herr Regierender Bürgermeister! Sie sind so scharf auf Ihre Reise, dass Sie nicht bereit sind, die Auseinandersetzung, ob dies angemessen ist, zu führen.

Das zeigt auch der Antrag, den Ihre Fraktion bzw. Ihre Koalition hier gestellt hat, dass Sie im Endeffekt ein Feigenblatt suchen, um trotzdem Ihre Sport- und Spielreise machen zu können. Das halten wir für inakzeptabel.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Es ist ein durchsichtiges Manöver, das Sie zur Legitimation der Reise brauchen und veranstalten. Ich sage Ihnen: Gerade weil es auch darum geht, dass Berlin die Leichtathletikweltmeisterschaften 2009 veranstalten will! Sie meinen, Sie könnten die Staffel von Peking nach Berlin tragen. Damit begehen Sie gerade in dieser Situation einen riesengroßen Fehler, denn Sie achten nicht darauf, dass Sie damit die Entehrung und Beschmutzung der Olympiade durch Peking, das Menschenrechte nicht achtet, nach Berlin tragen.

[Christian Gaebler (SPD): So ein Quatsch!]

Das ist der große, zentrale Fehler, den Sie mit dieser Reise unter diesem Zeichen machen. Wir fordern Sie auf, diese Reise nicht zu unternehmen.

[Christian Gaebler (SPD): Aber die Sportler sollen hinfahren!]

Wir werden in den nächsten Wochen alles Weitere tun und allen Druck machen, dass diese Reise nicht unter diesem Zeichen gemacht wird: Sie wollen in Peking nur für den Sport, für die Leichtathletikweltmeisterschaft 2009 in Berlin werben und dann den Übergang von Peking nach Berlin organisieren. – Gerade damit entehren Sie das Berliner Sportereignis. Das darf so nicht sein. Wir fordern Sie deswegen auf: Unterlassen Sie diese Reise!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Kollegin! Würden Sie zum Schluss kommen, bitte? Die Redezeit ist schon überschritten.

Ich komme zum Schluss. – Eine Forderung habe ich genannt. Die zweite Forderung ist: Wir wollen am Roten Rathaus, am Abgeordnetenhaus und an weiteren öffentlichen Gebäuden ein Zeichen der Solidarität mit den Unterdrückten von Tibet sehen

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

und haben dazu vorgeschlagen, die Flagge an den Tagen zu hissen, am 19. und 20. Juni, an denen die olympische Flamme durch Lhasa getragen werden soll.

[Christian Gaebler (SPD): Redezeit! – Uwe Doering (Linksfraktion): Haben Sie unseren Antrag gelesen?]

Wenn es zu einem Abbruch des Fackelzugs kommt, sind wir auch bereit, ein anderes Zeichen zu nehmen, aber wir fordern Sie auf: Setzen wir von Berlin aus in unserer Stadt ein Zeichen der Solidarität mit Tibet und ein Zeichen der Kritik an Chinas Menschenrechts- bzw. Unmenschenrechtspolitik!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin! – Das Wort für die SPDFraktion hat nunmehr Frau Seidel-Kalmutzki. – Bitte schön, Frau Seidel-Kalmutzki!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reisen bildet. Lebenslanges Lernen sollte auch für Abgeordnete und Repräsentanten der Stadt zutreffen.

[Dirk Behrendt (Grüne): Oh!]

Irgendwie beschleicht mich das ungute Gefühl, dass immer wieder Diskussionen aufkommen, wenn Ausschüsse, das Präsidium oder der Senat Reisen planen, die vom Zielort her als besonders attraktiv eingeschätzt werden. Kritisiert werden diese Reisen von der jeweiligen Opposition, aber auch von den Kolleginnen und Kollegen, die nicht dem richtigen Gremium angehören und den Schreibtisch hüten müssen.

[Michael Schäfer (Grüne): Ach Gott! Jetzt ist Schluss!]

Um dies auch wirksam zu dokumentieren, bedient man sich gerne der Medien, die dieses Thema dankbar und teilweise unreflektiert aufnehmen.

[Michael Schäfer (Grüne): Peinlich!]

Da wird von einer Badereise gesprochen, wenn der Wissenschaftsausschuss nach Berkeley oder Stanford fährt,

[Joachim Esser (Grüne): Das ist hier nicht das Thema!]

und für mich war die geplante Ausschussreise des Sportausschusses zur Leichtathletik-WM nach Osaka ein Déjavu-Erlebnis. Trotz eines prall gefüllten Veranstaltungsprogramms wurde sie als Spaßreise abgetan.

[Ramona Pop (Grüne): Sie sprechen nur für sich selbst!]