Das ist die Priorität der Fraktion der FDP. Für die Beratung stehen den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. Frau Abgeordnete Senftleben hat das Wort. – Bitte, Frau Senftleben!
Vielleicht können die Geschäftsführer den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses mitteilen, dass wir in der Tagesordnung fortfahren, damit sich die Reihen etwas füllen. Insbesondere die von mir aus gesehene rechte Seite ist ziemlich leer. – Frau Senftleben, bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Herren! Meine Damen! Rot-Rot und auch andere schauen gern auf erfolgreiche Bildungsländer. Ich nenne da Finnland.
Ich persönlich schaue auch gern auf Schweden, auf Holland, ich schaue auch gern auf Niedersachsen, denn in Sachen eigenverantwortliche Schule, selbstständige Schule sind sie dort erstaunlich weit. Die Verantwortlichen in den erfolgreichen Bildungsländern haben Folgendes erkannt: Schulen brauchen Freiraum, damit sie besser, damit sie kreativer werden, um Gelder, die sie erhalten, effizienter einzusetzen. Sie haben auch erkannt, dass man sich aus den direkten Entscheidungen, die Schulen treffen, heraushalten muss. Sie haben zudem erkannt, dass selbstständige Schulen die Voraussetzung sind für neue
Das haben die Schulen erkannt, aber noch wichtiger, sie haben es auch umgesetzt. Nicht so der Berliner Senat.
Das geltende Schulgesetz – – Ich weiß, jetzt kommt wieder „Stimmt doch nicht!“. Ich werde Ihnen gleich einige Beispiele nennen. Das geltende Schulgesetz weist in die richtige Richtung, lässt einiges an Selbstständigkeit zu – ein bisschen zu wenig, aber immerhin –, wenn es dann aber zum Schwur kommt, dann wird die kurze Leine herausgeholt. Dafür zwei Beispiele, verehrte Frau Dr. Tesch.
Beispiel 1, Schulessen: Ein unsägliches Vorgehen des Senats. Weshalb gibt es hier keine Budgetierung und Selbstverwaltung durch die Schulen? Das wäre schon längst alles umgesetzt, aber Sie setzen hier wieder auf Bürookratie mit der Folge, dass die betroffenen Kinder immer noch nichts zu beißen haben. Das ist in der Tat ein Skandal.
Beispiel 2, Vertretungspool: Eine blanke Katastrophe. Gehen Sie in die Schulen. Ich weiß, Sie sind ab und an in Schulen. Fragen Sie einmal nach. Dieses Modell ist nicht erfolgreich, so wie es umgesetzt wird. Die eigentlich richtige Idee ist einmal mehr falsch bürokratisch umgesetzt. Nein, das ist in dieser Stadt Murks. Es ist alles Murks. Sie haben keinen Mut. Sie vertrauen weiter dem Apparat und nicht den Menschen vor Ort.
Herr Senator, was ist eigentlich aus dem Modellversuch eigenverantwortliche Schule geworden? Da ging es schon nicht mehr um die Frage ob, sondern wie Eigenverantwortung von Schule gelingen und umgesetzt werden kann. Allein diese Fragestellung zeigte, dass Berlin vor einigen Jahren hier schon viel weiter gewesen ist.
Ich möchte einmal zwei Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung hervorheben: Die gewählte pädagogische Eigenverantwortung hat nachweislich zu verbesserten Unterrichtsorganisationen und zielgerichteter Schulentwicklung geführt. Zweitens wurde hinsichtlich des eigenen Personalmanagements und der Budgetierung festgestellt, dass die Handlungsspielräume hier zu eng gesetzt wurden. Das führt dazu, dass die Schulen keine eigenen Einstellungen entsprechend dem Schulprogramm vornehmen können und auch nur begrenzte Möglichkeiten haben, beispielsweise um die Finanzierung schuleigener Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen.
Das entscheidende und eindeutige Ergebnis dieser wissenschaftlichen Begleitung war, dass es der richtige und der notwendige Weg ist. Gehen Sie ihn! Lassen Sie die Schule endlich an die lange Leine! Schulen brauchen ein Budget.
Sie brauchen das Budget, um eigene Schwerpunkte setzen zu können, beispielsweise zusätzlich für das Personalmanagement. Das Budget muss auf differenzierten Schülerkostensätzen beruhen. Sie finden diese Punkte in unserem Antrag hier sehr eindeutig. Die Budgetierung als Globalbudget, die Ausdehnung der Personalverantwortung bei den Schulen auf den gesamten Personalbereich, den Aufbau der Schulinspektion als eigenständige nachgeordnete Einrichtung
stimmt. Das ist richtig. Man muss sich genau die Frage stellen, wo man eine anständige Bürokratie ansetzt. Ich sehe das Beispiel Niedersachsen, dort ist es als ein beratendes Instrumentarium aufgeführt. Das hilft sehr insbesondere bei Schulleitern, aber auch sehr, hier eine anständige Evaluation durchzuführen, lieber Kollege Mutlu. Bürokratie ist manchmal notwendig, aber wenn, muss sie effizient durchgeführt werden. Das zählt gerade hier in dieser Stadt vor allem in der Schulverwaltung.
Verehrter Herr Senator, ich finde, Sie sollten endlich klären, wie viel Autonomie Sie den Schulen zubilligen wollen. Sie sollten auch klären, ob Sie es denn überhaupt wollen. Sie haben mir vorhin eine nette Antwort auf meine Frage gegeben. Das fand ich prima. Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im Dienst. Es reicht nicht mehr, nette, freundliche und auch kluge Antworten zu geben. Sie müssen sich langsam daran messen lassen, was Sie umsetzen. Nach eineinhalb Jahren erwarte ich ein wenig mehr als das, was bisher auf dem Tisch liegt.
Momentan sieht die Realität anders aus. Sie, Herr Senator, Ihre Verwaltung, Ihre Freunde in der Koalition gehen einen Schritt vor, aber dafür leider wieder zwei zurück. Das nennt man schlicht und ergreifend Rückschritt. – Danke!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Dr. Tesch das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der FDP reiht sich ein in die immer wiederkehrende Forderung der lieben Frau Senftleben, die Schulen müssten mehr Eigenverantwortung erhalten. Einerseits stimmen wir dem zu und haben diese Elemente bereits in das Schulgesetz von 2004 geschrieben. Das haben Sie eben hier konstatiert, Frau Kollegin. Daher wäre dieser Antrag, wie so oft, überflüssig. Andererseits geht der Antrag aber über das Maß dessen, was wir für tragbar erachten, hinaus.
Der Antrag bewertet das Modellvorhaben eigenverantwortliche Schule MES positiv. Das tun wir und die beteiligten Schulen auch.
Ich würde daher die Ausweitung des Modells auf die Schulen zulassen, die dies wollen. Bereits jetzt steht in § 7 des Schulgesetzes, dass die Schulen die Erziehung, das Schulleben sowie die personellen und sächlichen Angelegenheiten selbstständig und in eigener Verantwortung gestalten und organisieren. Wir haben schulbezogene Ausschreibungen festgeschrieben, Frau Senftleben. Wir haben den Schulen ein zusätzliches Personalbudget gegeben, für das sie Lehrkräfte einstellen können, um Unterrichtsausfall zu begegnen. Ich bin dauernd in Schulen, Frau Senftleben, das haben Sie richtig erkannt. Ich bin auch Mitglied einer Schulkonferenz.
Sie sind begeistert davon, dass sie mit diesem Personalbudget zusätzliche Lehrkräfte einstellen können. Ich gebe zu, dass das nicht alle Schulen gut hinbekommen. Deswegen würde ich das auf die Schulen ausweiten, die das können und wollen. Die Schulen haben bereits ein eigenes Budget für die laufende Verwaltung und Unterhaltung, das auch auf das nächste Haushaltsjahr übertragbar ist. Darauf bin ich besonders stolz, da das sogenannte Dezemberfieber nicht mehr ausbrechen muss.
So erhalten die Schulen Geld für die Lehr- und Lernmittel, für schulische Veranstaltungen, für den Geschäftsbedarf und kleine bauliche Unterhaltungsmaßnahmen. Die Schulen brauchen Freiraum, Frau Senftleben. Ich stimme Ihnen zu. Pädagogisch haben wir die Schulen dazu verpflichtet, in ihrem Schulprogramm ihre Profile darzulegen. Diese Programme werden intern und extern evaluiert. Das sind alles Maßnahmen, die die Eigenverantwortung der Schulen unterstreichen. Aus diesen Entscheidungen halten wir uns auch heraus, Frau Senftleben.
Die Tendenz des Antrages stimmt also durchaus mit unseren bildungspolitischen Zielen überein. Allerdings, das wollten Sie gerade hören, geht der Umfang der Vorstellungen zur Übergabe von Verantwortlichkeit an die Einzelschule deutlich über das bisherige Rahmenkonzept hinaus. Letztlich bleibt bei dem Antrag völlig offen, wie die einheitliche Zielsetzung des Bildungssystems gewährleistet werden kann. Sie wollen eine völlige Beliebigkeit, Frau Senftleben. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die Standards der Rahmenpläne noch bestehen bleiben. Es muss weiterhin möglich bleiben, dass die Bildungsgänge an allen Schulen zu vergleichbaren Abschlüssen führen. Hierzu treffen Sie in Ihrem Antrag überhaupt keine Aussage. Angesichts der Forderung von Handwerk, Industrie und Universitäten können wir einer derartigen weitgehenden Eigenverantwortung nicht zustimmen.
Was hinter dem Antrag steckt, ist doch mehr. Sie wollen im Grunde eine Schule völlig ohne Staat. Das zeigen Ihre diversen Anträge zur Aufhebung des Einzugsbereichs, zu den Privatschulen und anderen Bereichen. Da gehen wir
nicht mit, Frau Senftleben. Die Einrichtung von Privatschulen ist durch das Grundgesetz legitimiert. Aber wir wollen, dass die Mehrheit der Schulen in öffentlicher Hand verbleibt.
Die Niederlande – die Sie als Beispiel angeführt haben – hatte zeitweilig 70 Prozent Privatschulen und reduziert dies nun zurück, weil sie eingesehen haben, dass dies nicht der richtige Weg ist, Frau Kollegin. Wir wollen eine hauptsächlich öffentliche Schule mit unterschiedlichen Schulprofilen, die allen Kindern zugänglich ist.
Wichtige Ziele unserer Bildungspolitik sind, keine frühe Separierung von Kindern zuzulassen. Das werden wir noch in der nächsten Runde zur Gemeinschaftsschule diskutieren können. Das Schulessen, das Sie hier anführten, Frau Kollegin, ist ein denkbar schlechtes Beispiel. Sie wissen ganz genau, dass wir beschlossen haben, dass das Schulessen an Ganztagsgrundschulen mit gebundenem Schulbetrieb subventioniert wird und das in den Haushalt festgeschrieben haben. Dass das nicht gleich umgesetzt wurde, hängt mit der mangelnden Abstimmung der Bezirke zusammen und nicht mit unserem Willen.
Ich habe es genau wie Sie bedauert, dass es nicht gleich umgesetzt wurde, aber wir werden es auf den Weg bringen.
Im Grunde ist der Antrag für uns nicht zustimmungsfähig. Da wir aber alle Anträge der Opposition sehr ernst nehmen, bitte ich Sie um Überweisung in den Schulausschuss. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben. – Bitte!
Vielen Dank! – Verehrte Frau Kollegin Tesch! Sie haben eben etwas von Beliebigkeit gesagt. Sie müssen einmal anerkennen, dass die FDP nicht mit einem Antrag ein gesamten Bildungskonzept darlegt, sondern wir in unserem ersten Antrag zum Thema Bürgerschule ein Gesamtkonzept vorgestellt haben und auf dem Weg hin zur Bürgerschule mehr brauchen. Ein Schritt ist es, die Schulen in die Eigenverantwortung zu entlassen. Das ist ein wesentlicher Schritt. Das ist ein Schritt in Richtung Bürgerschule. Ein anderer Schritt ist es – wenn wir diesen Schritt gegangen sind – zu sagen, dass wir auch mehr Schulen in freier Trägerschaft wollen. Wir orientieren uns gar nicht an den 70 Prozent in den Niederlanden. Darum geht es uns gar nicht. Wir wollen aber zulassen, dass es mehr Schulen in freier Trägerschaft gibt, die nach Schulgut
scheinen finanziert werden. Es geht uns hier ausschließlich darum: Welches sind die Wünsche der Eltern, welchen Weg bevorzugen sie?
Jetzt eine Bemerkung zum Thema Beliebigkeit! In unserem ersten Antrag haben wir dargelegt, dass Bildung eine Kernaufgabe des Staates bleibt, dass die Aufgabe weiterhin darin besteht, Lernziele festzulegen und Lernziele und Kompetenzen zu evaluieren. Sie müssen das einmal im Gesamtzusammenhang sehen. Wir wissen auch, dass Bildung einen hohen Stellenwert hat, dass sie anständig finanziert werden muss, dass wir den Schulgutschein nach der Höhe der Schülerkostensätze finanzieren müssen. Und er muss auch differenziert finanziert werden, damit soziale und andere Probleme ausgeglichen werden können.
Noch einmal: Wir Liberalen wissen, dass wir mit einem Antrag kein ganzes Konzept verabschieden. Wir werden zu dem Thema Bürgerschule zukünftig noch weitere Anträge einbringen. Wenn Sie sie kritisieren, dann schauen Sie wenigstens im ersten Antrag nach, welches die Grundidee ist. Ich sage es noch einmal: Dazu gehört, die Schulen in die Eigenverantwortung zu entlassen und dann den Eltern die Wahlmöglichkeit zu geben, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen, eine öffentliche Schule oder eine Schule in freier Trägerschaft. – Vielen Dank!