Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Die Olympischen Spiele sind ein Sportereignis. Deswegen lehnen wir es ab, dass dieses Sportereignis boykottiert wird. Niemand will einen Boykott der Olympischen Spiele. Setzen Sie nicht solche Chimären in die Welt! Die Sportler bereiten sich international auf diese Spiele vor, und sie sollen auch hinfahren.

Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die Frage, ob wir eine Kulisse für das Regime in Peking bilden wollen.

[Zuruf von Carl Wechselberg (Linksfraktion)]

Machen Sie sich doch nichts vor! Selbst wenn so wichtige Persönlichkeiten wie Klaus Wowereit anlässlich der Olympischen Spiele nach Peking reisen, werden dort keine seriösen Gespräche über die Menschenrechtslage in Tibet stattfinden. Es werden Empfänge stattfinden. Es wird repräsentiert. Jeder, der ein bisschen Ahnung von solchen Dingen hat, weiß, dass das – im Gegensatz zu politischen Einzeldialogen und -reisen – weder Gelegenheit noch Rahmen ist, um seriös über Menschenrechte zu sprechen. Sie bilden die Kulisse, und das lehnen wir ab, und zwar restlos.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Wir sagen Ja zum Dialog, zu Einzelreisen und zu Delegationsreisen, aber Nein zur rein repräsentativen Kulissen. Deswegen fordern wir: erstens keine Repräsentanten zu den Olympischen Spielen nach Peking, zweitens Hissen der tibetischen Flagge am 19. und 20. Juni aus Anlass der Ankunft der olympischen Flamme in Lhasa. Tun Sie das! Das ist ein gelebtes Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Tibet.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Überlegen Sie sich – wenn Sie Gemeinsamkeiten suchen, Frau Kollegin Michels, dann treten Sie dazu mit uns in einen Dialog ein –, parallel zu den Eröffnungsfeiern in Peking ein Deutschlandfest für Menschenrechte und Freiheit im Berliner Olympia-Stadion zu organisieren. So könnten wir zeigen, wie ernst uns dieses Thema ist und dass es sich um keine Einmalveranstaltung handelt. Gerade von Berlin sollte ein Zeichen der Verbundenheit mit den Tibetern und den Menschenrechten in der ganzen Welt ausgehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Lindner! – Herr Doering bittet um eine Kurzintervention. – Bitte schön!

Herr Lindner! Bezüglich dessen, was Sie und die Grünen gesagt haben, möchte ich auf ein Problem aufmerksam machen: Vorhin wurde der Boykott Südafrikas erwähnt. Was hat diesen Boykott seinerzeit ausgemacht? – Dass sich Politik, demokratische Politiker, Wirtschaft und Sportfunktionäre einig darin waren, dass das Regime in

Südafrika boykottiert werden muss. Das ist der Unterschied zu Ihrem Vorgehen. Sie fordern Politiker – zudem nur die aus Berlin und nicht die aus Hamburg – auf, nicht nach China zu reisen, übrigens nicht zur Eröffnungsfeier, sondern während der Olympischen Spiele.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Sie werfen der Politik vor, sie würde die Kulisse bilden und Fähnchen schwenken. Ich frage Sie ernsthaft: Was ist mit den Sportfunktionären, die dort sitzen und Fähnchen schwenken werden? Was ist mit den Wirtschaftsbossen und Sponsoren, die nach China fahren werden? Zu denen sagen Sie kein Wort.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die werden in China auch eine Kulisse abgeben. Deswegen finde ich Ihren Vortrag – gelinde gesagt – unredlich.

Schauen Sie in unseren Antrag! Wir fordern nicht nur die Politik auf, den Dialog zu suchen, wie es auch die EU sagt, sondern wir fordern auch die Sportfunktionäre und die Wirtschaft auf, den Dialog zu suchen und auf Menschenrechtsverletzungen in China aufmerksam zu machen. Das ist der feine, aber entscheidende Unterschied zwischen unseren Anträgen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Möchten Sie replizieren, Herr Dr. Lindner? – Sie haben für maximal drei Minuten das Wort!

Kollege Doering! Sie scheinen von Ihren Regierungsämtern mittlerweile so begeistert zu sein, dass Sie es nicht schaffen, einmal nicht die Made im Speck zu spielen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ich habe keine Regierungsämter!]

Lassen Sie uns ansprechen, um was es geht: Ihre Repräsentanten wollen nicht darauf verzichten, anlässlich dieses tollen, schönen Ereignisses nach Peking zu fahren. Sie argumentieren und sagen: Na ja! Da gibt es die Sportfunktionäre, die Wirtschaft usw. Wenn die alle dort hinfahren, macht es doch gar nichts aus, wenn unsere Senatoren auch noch am Katzentisch sitzen und ein Gläschen Sekt mittrinken. – Sie vergrößern damit die Kulisse. Das Sportereignis soll stattfinden. Die Sportler sollen Gelegenheit zum Kräftemessen haben. Aber ich fordere Sie auf: Gehen Sie einmal aufrecht in Sachen Menschenrechte! Versuchen Sie einmal, über den Glasrand eines Champagnerkelches hinauszuschauen, und bleiben Sie konsequent in dieser Angelegenheit!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu beiden Anträgen wurde die namentliche Abstimmung gewünscht. Ich bitte den Saaldienst, die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, und die Beisitzerinnen und Beisitzer, nach vorne zu kommen! Die namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abgeordneten aufzurufen!

Zuerst wird über den Antrag der Oppositionsfraktion Drucksache 16/1351 – Wahrung der Menschenrechte in Tibet – abgestimmt. Die Stimmkarten erhalten Sie von den Präsidiumsmitgliedern. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach dem Namensaufruf möglich ist. Zuvor werden die Urnenschlitze von den Präsidiumsmitgliedern abgedeckt. Nur so ist eine reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden fünf Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind: eine Urne für die Ja-Stimmen, eine für die Nein-Stimmen, eine für die Enthaltungen und zwei Urnen für die nicht benötigten, restlichen Karten und Umschläge. Danach wird der Antrag der Koalitionsfraktionen abgestimmt.

Jetzt aber kommen wir zum Antrag der Oppositionsfraktion Drucksache 16/1351. – Frau Beisitzerin Hertel, bitte beginnen Sie mit dem Namensaufruf!

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Hatte jetzt jedes Mitglied des Hauses die Möglichkeit abzustimmen? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann schließe ich den Abstimmungsvorgang und bitte die Präsidiumsmitglieder, mit der Auszählung zu beginnen. – Die Sitzung ist unterbrochen.

[Auszählung]

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Thema „Wahrung der Menschenrechte in Tibet“ Drucksache 16/1351 bekannt:

Abgegebene Stimmen: 147,

Ja-Stimmen: 71,

Nein-Stimmen: 76.

Damit ist der Antrag Drucksache 16/1351 abgelehnt.

Wir kommen zum zweiten Wahlgang, zum Thema „Menschenrechte sind unteilbar“, Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/1356. Dies ist ebenfalls eine namentliche Abstimmung; das Abstimmungsverfahren erfolgt in gleicher Weise, die Stimmkarten werden Ihnen durch die Präsidiumsmitglieder ausgehändigt. Ich weise darauf hin, dass die Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist.

Ich bitte Frau Abgeordnete Grosse, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Hatte jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses die Gelegenheit abzustimmen? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte die Kollegen des Präsidiums, auszuzählen. Ich unterbreche die Sitzung.

[Auszählung]

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Es geht um die Drucksache 16/1356, Antrag der Koalitionsfraktionen „Menschenrechte sind unteilbar“:

Abgegebene Stimmen 147,

Ja-Stimmen 76,

Nein-Stimmen 71.

Damit ist der Antrag angenommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 4 b:

Bürgerschule für Berlin (II) – Eigenverantwortung für die Berliner Schulen

Antrag der FDP Drs 16/1316

Das ist die Priorität der Fraktion der FDP. Für die Beratung stehen den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. Frau Abgeordnete Senftleben hat das Wort. – Bitte, Frau Senftleben!