Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Wir haben in der umfangreichen parlamentarischen Diskussion dieser Problematik Konsens darüber erzielt, dass der Schutz junger Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Alkoholmissbrauch ist kein neues gesellschaftliches Phänomen, es ist nicht erst unter RotRot aufgetaucht. Die Jugendlichen trinken auch nicht aus Kummer über unsere Politik. Die 14- bis 16-Jährigen, die heute auffällig werden, sind in entscheidenden Lebensjahren unter gesellschaftlichen Verhältnissen sozialisiert worden, für die Rot-Rot nicht die Alleinverantwortung trägt. Auch frühere Regierungen in dieser Stadt standen hier in der Verantwortung und müssen sich fragen lassen, was sie auf diesem Gebiet getan haben. Wir haben ein Erbe übernommen. Wir sind uns wohl weiterhin alle darüber einig, dass wir diese gesellschaftliche Debatte über die Droge Alkohol wie über die anderen Drogen und über den Umgang mit ihnen dringend brauchen. Dazu bedarf es

aber auch einer gründlichen Analyse der Gründe für deren Missbrauch.

Wir sind uns ebenfalls darüber einig, dass unser Hauptaugenmerk auf Aufklärung und Prävention liegen muss. Da ist unsere gesamte Zivilgesellschaft in der Pflicht. Auch Kontrollen sind notwendig – keine Frage! Von April bis Dezember 2007 hat es 179 Einsätze an 903 Örtlichkeiten gegeben, zum Teil in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, zum Teil ohne. Der Berliner Polizeipräsident hat allerdings gerade auf einen vermeintlich eklatanten Missstand in diesem Bereich hingewiesen. Regelmäßigere Kontrollen könnten angeblich nicht stattfinden, weil die Ordnungsämter das notwendige Personal nicht zur Verfügung stellen könnten. Hier wäre ich an Aufklärung interessiert, warum das nicht funktionieren soll. Liegt es wirklich am fehlenden Personal, oder liegt es möglicherweise auch an einer falschen Prioritätensetzung in den Ordnungsämtern?

2007 wurden vier Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet und eines abgeschlossen. Nur: Die Kontrollen allein und die eventuell zu erhebenden Bußgelder sowie die Konzessionsentzüge, nach denen Sie in Ihrem Antrag fragen, bringen es allein auch nicht. Hätten wir die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz der Jugendlichen vor Alkoholmissbrauch schon erreicht, würden sich Ihre Fragen nach Kontrolldichte und Kontrollergebnissen in Verkaufseinrichtungen, Diskotheken und gastronomischen Einrichtungen relativieren, weil sich in diesem Zusammenhang die Frage stellt: Wieso braucht es eigentlich bei funktionierender zivilgesellschaftlicher Kontrolle noch polizeiliche oder ordnungsbehördliche Kontrollen in der Fläche, wenn sich neben mir in einer Gaststätte Jugendliche volllaufen lassen? Steht niemand daneben? Steht niemand hinter dem Tresen? Offenbar sind wir von dieser Situation aber immer noch sehr weit entfernt, da haben Sie recht, Frau Demirbüken-Wegner! Aber unter welchen Regierungen wurden die Eltern dieser Kinder und die Leute, die danebenstehen, sozialisiert? Warum wurde dieses Problem nicht schon in früheren Jahren mit genau dieser Vehemenz aufgegriffen, die Sie heute von Rot-Rot einfordern?

Natürlich ist auch der Senat weiter in der Verantwortung. Jetzt müssen wir in der Tat entsprechende Maßnahmen nicht nur entwickeln, sondern auch finanzieren und umsetzen. Die finanzielle Basis dafür haben wir im Haushaltsjahr 2008 geschaffen. Wir haben Projekte wie „NachHalt“ in die Förderung aufgenommen und damit einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Erreichbarkeit und die Versorgung von riskant Alkohol konsumierenden, gefährdeten jungen Menschen gesetzt. Insgesamt wurden dafür 145 000 € bereitgestellt. Für die auf bezirklicher Ebene angesiedelte und mittlerweile als Pflichtversorgungsangebot bei freien Trägern organisierte Suchtberatung stehen 4,45 Millionen € zur Verfügung. Damit ist der bisherige Betrag um 1,2 Millionen € aufgestockt worden. Und ein gutes Projekt der Senatsverwaltung unter dem Titel „Volle Pulle Leben“ hat den Mitmach-Parcours

mach-Parcours entwickelt. Auch das hat es unter vorherigen Regierungen nicht gegeben.

Jetzt noch einmal zu dem Problem der Flatrate-Partys: Nach der Föderalismusreform ist das Gaststättenrecht nun Ländersache. Es stellt sich damit die Frage, ob nicht auch im Sinne der Zielsetzung der Innenministerkonferenz von Mai 2007 eine Novellierung des Gaststättengesetzes vorgenommen werden sollte, wie es aktuell zum Beispiel in Bremen geschieht. Ziel einer solchen Novellierung wäre es, Vermarktungskonzepte, die darauf abzielen, dem Alkoholmmissbrauch Vorschub zu leisten, eindeutiger als bisher konzessionsrechtlich sanktionieren zu können. Es sind mittlerweile nicht nur die Flatrate-Angebote, der Erfindungsreichtum in diesem Milieu ist an Skrupellosigkeit kaum zu überbieten. Auch diese Skrupellosigkeit wäre über das Kriterium der Unzuverlässigkeit im Sinne des § 4 des Gaststättengesetzes schärfer auszuschließen. Ob solche Maßnahmen notwendig werden, muss aber die Entwicklung zeigen. Wir werden das genau prüfen.

Noch einmal: Das Thema Alkohol ist – hoffentlich – kein parteipolitischer Streitpunkt. Es ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam zivilgesellschaftlich und eben nicht nur staatlich lösen müssen und sollten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dragowski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Albers! Sie haben völlig recht! Der Senat ist weiter in der Verantwortung. Die Nachrichten der letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass Sie, Frau Senatorin Lompscher, es noch nicht geschafft haben, den exzessiven Alkoholkonsum von jungen Menschen in den Griff zu bekommen.

Frau Kollegin Scheeres! Sie haben die Fachstelle für Suchtprävention angesprochen! Die Fachstelle für Suchtprävention bietet gute Workshops zu Themen wie etwa „Frühe Intervention – Interaktiv mit Jugendlichen ins Gespräch kommen“, „Suchtprävention in der Schule – was es alles gibt!“ oder „Vorbeugung von Sucht im Alltag“. Dies sind alles wichtige Themen, die Multiplikatoren vermittelt werden sollten. Problematisch ist nur, dass die Workshops der Fachstelle für Suchtprävention bis Dezember 2008 ausgebucht sind bzw. keine weiteren Workshops mehr angeboten werden.

Frau Senatorin Lompscher! Wir Liberale fordern Sie auf, das Angebot an solchen wichtigen Workshops bedarfsgerecht auszubauen. Wir fordern, dass „Regelungen des Jugendschutzes“ und „Fallbeispiele in der Umsetzung“, „Hintergründe für Alkoholkonsum und Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen“ sowie Informatio

nen über erfolgreiche suchtpräventive Schulprogramme weiterhin in Trainings und Workshops vermittelt werden. Wenn Sie schon die präventiven Ressourcen und das Know-how in der Fachstelle für Suchtprävention bündeln, dann sorgen Sie auch für ein entsprechendes ausreichendes Angebot an Workshops und Trainings! Sorgen Sie schnell dafür, Frau Senatorin, denn Sie sind dafür verantwortlich!

Nun zum Antrag der CDU-Fraktion: Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, fassen darin wichtige Punkte zusammen, die wir vor sechs Wochen auch im Plenum diskutiert haben. Daher werden wir dem Antrag zustimmen.

In dem Antrag wird zutreffend von der Ankündigungspolitik des Senats gesprochen. Es ist ärgerlich, dass dies nicht nur für den Kampf gegen den exzessiven Alkoholkonsum gilt. Nein, dies gilt auch beim Netzwerk Kinderschutz, bei der Umsetzung des verbindlichen Einladungswesens die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder betreffend, für das Personal zum Kinderschutz in den Bezirken sowie für das Personal zur Durchsetzung des Jugendschutzes in den Bezirken. Ihre Ankündigungspolitik und lahme Umsetzung hilft den Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt nicht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir haben nicht ewig Zeit, die für unsere Kinder und Jugendlichen wichtigen Maßnahmen endlich umzusetzen. Ändern Sie das, Frau Senatorin!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich möchte hier noch einmal unsere Ziele der Präventionspolitik aufzeigen: kein Alkohol im Kindesalter, der Kollege Lux hat es auch angesprochen, ein weitgehender Verzicht bzw. ein altersgemäßer geringer Konsum im Jugendalter, die Ächtung des Rauschtrinkens. Wir haben weiter das Ziel, die Trendwende beim immer jünger werdenden durchschnittlichen Einstiegsalter zu schaffen. Es kann nicht sein, dass das durchschnittliche Einstiegsalter heute bei 14 Jahren liegt.

[Zuruf von Ralf Hillenberg (SPD)]

Entscheidend ist für uns, bei dem einzelnen Jugendlichen anzusetzen. Daher wollen wir Diskussionen nicht nur in Richtung eines Verbots von Flate-Rate-Partys führen. Auch wenn es dieses besonders drastische Marktphänomen irgendwann nicht mehr gibt, sind wir beim bewussten Umgang mit Alkohol bei Jugendlichen keinen Schritt weiter. Wir müssen vor dem Erstkonsum ansetzen, am besten in der Grundschule.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Die Suchtprävention an den Berliner Oberschulen ist in die Schulfächer Biologie und Sozialkunde zergliedert. In diesen Schulfächern steht die Vermittlung von Fakten, Informationen und Wissen im Vordergrund. Das muss sich ändern. Wichtig sind für einen nachhaltigen Effekt

Themen wie Lebenskompetenz und die Selbsterkenntnis der Konsummotive. Auch das Gespräch mit trockenen Alkoholikern kann ein geeignetes Mittel sein, um Jugendliche zu sensibilisieren.

Ein weiterer Punkt, der uns auch wichtig ist, ist die PeerEducation,

[Mario Czaja (CDU): Was sind das für schmutzige Sachen?]

die Erziehung durch Gleichaltrige. Denn gerade geschulte Jugendliche können Jugendliche am besten erreichen und Einfluss nehmen.

Frau Senatorin! Nehmen Sie unsere Anregungen und unsere Kritik endlich auf, damit wir beim Kampf gegen exzessiven Alkoholkonsum weiterkommen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie federführend sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe nun auf die Priorität der Linksfraktion

lfd. Nr. 4 d:

Antrag

Busspuren für den Nahverkehr sichern

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1362

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 21. – Auch hier steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung eine Redezeit bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion mit der Frau Abgeordneten Matuschek. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen heute als Koalition einen Antrag vorgelegt, der dem Ziel dient, das wir in der Verkehrspolitik seit Jahren verfolgen, nämlich den Nahverkehr zu verbessern. Allein im Busbereich haben wir jährlich 350 Millionen Fahrgäste. Es wird pro Werktag eine Strecke von 400 000 Fahrkilometer zurückgelegt, und normalerweise, wenn nicht gestreikt wird, sind circa 1 300 Busse im Einsatz.

Wir haben in Berlin – seit Jahren stagnierend – die Zahl von zirka 101 Kilometer Busspuren. Dennoch konnte die mittlere Reisegeschwindigkeit bei Bussen von circa 17 Kilometern pro Stunde auf 19,5 Kilometer pro Stunde erhöht werden. Dies war wegen der Busspuren, aber auch wegen eines entsprechenden Beschleunigungsprogramms bei der Ampelsteuerung, wegen der Haltestellenanordnung und anderer kleiner Maßnahmen möglich.

Die monetären Einsparungen durch dieses Beschleunigungsprogramm bei den Bussen sind im Jahr mit zirka 4 Millionen € zu verzeichnen. Da muss man schon sagen, wir möchten, dass da noch mehr eingespart werden kann. Woran scheitert es? – Es scheitert leider häufig an der fälschlichen Benutzung der Busspuren durch parkende Autos. Im Jahr 2002 wurden insgesamt 6 800 Umsetzungen, wie es bei der Polizei heißt, von Falschparkern – nicht nur auf Busspuren, sondern auch auf Straßenbahnspuren und an Haltestellen – vorgenommen. Das war damals eine gemeinsame Statistik für diese Delikte. Es gab seit 2005 eine extra Statistik. Da mussten wir feststellen, dass 2006 schon 7 800 Umsetzungen von falsch parkenden Fahrzeugen vorgenommen werden mussten. Weitere Ordnungswidrigkeiten, die nicht damit endeten, dass das Fahrzeug umgesetzt wurde, summierten sich im Jahr 2006 auf 17 500. 17 500 Mal wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen missbräuchlicher Benutzung von Busspuren eingeleitet. Das heißt, 17 500 Mal plus 7 800 Mal Umsetzung der Falschparker, also 25 300 Mal sind Störungen bei der Benutzung von Busspuren aufgetreten, entsprechend auch Verzögerungen des Busverkehrs, Beeinträchtigung des Nahverkehrs. Fahrgäste standen an den Haltestellen und warteten auf den Bus, der nicht kommen konnte, weil er behindert wurde.

30 Prozent Steigerungsrate dieser Delikte können wir nicht so ohne Weiteres hinnehmen. Das ist auch nur die Spitze des Eisbergs, was die tatsächliche Beeinträchtigung der Benutzung von Busspuren durch die Busse des Nahverkehrs tatsächlich anbelangt. Deswegen legen wir Ihnen heute diesen Antrag vor. Wir brauchen mehr Verkehrsdisziplin bei der Beachtung von Busspuren und bei der Respektierung von Haltestellen. Wir brauchen das alles auch in einem bestimmten wirtschaftlichen Interesse, nämlich die getätigten Investitionen für Busbeschleunigungen müssen Ergebnisse bringen. Wir brauchen mehr Einsparungspotenzial durch tatsächliche Benutzung der Busspuren nur durch die dazu Berechtigten, nämlich die Busse selbst, in einigen Bereichen auch Fahrradfahrer. Im Übrigen gibt es noch einen Nebeneffekt: Wenn die Busspuren respektiert werden, haben auch die Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei freie Fahrt.

Also möchten wir gerne, dass die Verkehrslenkungsbehörde, insbesondere diejenige, die in diesem Bereich die Verantwortung mit trägt, stärker involviert wird, sich stärker ihrer Verantwortung bewusst wird und gemeinsam mit der Polizei mehr Initiativen ergreift, um die Busspuren freizuräumen. Wir möchten eine öffentliche Kampagne für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, die deutlich macht, dass die fälschliche Benutzung der Busspuren durch Parken oder anderes keine Lappalie ist, sondern eine Verschwendung von Steuergeldern nach sich zieht, indem die effektive Nutzung der getätigten Investitionen behindert wird. Wir möchten gerne ein öffentliches Bewusstsein dafür, dass die Busspuren

und die Haltestellen für den Nahverkehr und nicht für den privaten Parkverkehr sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ueckert. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Matuschek! Ich glaube, ich bin hier im falschen Kino. Wenn ich richtig informiert bin, gehören Sie zu den Koalitionsfraktionen, die die Regierung stellen. Was Sie hier bemängeln, was hier in Berlin tatsächlich zu bemängeln ist, hätten Sie in den letzten sieben Jahren bereits verbessern können.

[Beifall von Felicitas Kubala (Grüne)]

Dass es da eines Antrags von Ihnen bedarf, ist ein ziemlich trauriges Zeichen und ein schlechtes Zeugnis für den Senat.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Felicitas Kubala Grüne): Richtig!]

Ich erinnere daran, dass unter Senator Haase seinerzeit die meisten Busspurkilometer in Berlin installiert wurden.