Der Stadtflughafen Tempelhof ergänzt und entlastet den Verkehrsflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI).
Der Berliner Senat wird aufgefordert, sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und den Widerruf der Betriebsgenehmigung aufzuheben.
Kollege Pflüger! Da steht weder etwas vom 31. Oktober – dass der erst einmal weg muss – noch, dass es bis zur Eröffnung des Flughafens BBI sein soll. Deshalb ist das erste Problem, dass Sie den Bürgern nicht ehrlich sagen, worüber sie abstimmen sollen, sondern dass Sie lauter verschiedene Konzepte in den Raum werfen.
Die ICAT wirbt für einen dauerhaften Verkehrsflughafen. Nichts anderes steht hier drin. Und wer behauptet, dass es etwas anderes wäre, der schwindelt einfach. Kollege Lindner – und so haben Sie eben auch argumentiert – wirbt dafür, Tempelhof vorübergehend offenzuhalten, um dann mal zu schauen, ein bisschen zu verhandeln und zu sehen, wie wir weiterkommen. Darüber muss man noch reden, ob das verantwortungsvolle Politik ist.
Die 74 wunderbaren Unternehmens- und Verbandsmanager werben für einen dauerhaften Geschäftsflughafen, was aber gar nicht Gegenstand der Abstimmung ist. Lauder wirbt für einen Krankentransportflughafen. Wieder etwas anderes! Und die gesamte öffentliche Werbung zielt eigentlich auf eine dauerhafte Luftbrückengedenkstätte oder einen Gedenkflughafen.
Auch da ist nicht klar, was die Erinnerung an die Luftbrücke, die wir für sehr wichtig halten und ernst nehmen, mit der Zukunft des Fliegens und der Organisation der Flughäfen in Berlin und Brandenburg zu tun hat. Man kann wunderbar der Luftbrücke gedenken, ohne dass man deshalb von dort aus jeden Tag nach Brüssel oder sonst wohin fliegt.
Sie behaupten dauernd, es sei besonders wirtschaftlich, zwei Flughäfen zu betreiben. Das ist doch absurd. Wir Grünen sind nicht die Fans von BBI. Das ist offensichtlich, und das weiß jeder hier im Raum. Aber die Konzeption für BBI beruht auf einem Singleflughafen, um dort die gesamten Umstiege für das Fliegen zu organisieren und die Logistik und die flughafennahe Wirtschaft an einen Standort zusammenzuziehen und zu optimieren. Das Ziel ist, dort 40 000 Arbeitsplätze zu generieren. Ob das gelingt, weiß ich nicht, aber wer das gefährden will, kann sich doch nicht Wirtschaftspartei nennen und wie die CDU dauernd hin und her reden. Das ist absurd.
Drittens: Wenn Sie meinen, dass 25 bis 50 kleine Geschäftsflieger den gesamten Raum Tempelhof auf einmal wirtschaftlich zur Blüte bringen, dann frage ich mich ernstlich, woher das kommen soll, dass plötzlich die gesamten Gebäude – die 100 000 qm Fläche – gefüllt werden und die sonstige wirtschaftliche Entwicklung in Gang kommt. Den Wirtschaftsboom, den Sie dort organisieren wollen, sieht niemand.
Viertens – das Lauder-Konzept –: Ich hoffe, Sie haben sich das ernsthaft angeguckt. Ich habe mit den Vertretern von Lauder gesprochen. Es ist so gedacht, dass ein kleines Teilchen für die Gesundheitsdienste, die sonst wo in Berlin geklaut werden – Kollege Albers hat es oft genug erzählt –, vorgesehen ist. Die sollen dort konzentriert werden. Im Übrigen ist alles an Ansiedlungen nötig, worum sich der Senat – das muss ich diesmal sagen – einigermaßen bemüht: Das Luftfahrtmuseum ist in dem Konzept enthalten. Das macht aber nicht Kollege Lauder. Öffentliche Dienste des Bundes, Verwaltung, Ministerien sollen dort einziehen. Das macht aber nicht Lauder. Sonstige
Dienstleistungen und ein Kongresszentrum sollen dort einziehen. Das macht aber nicht Lauder. Und, und, und!
Deshalb ist es eine öffentliche Fehlinformation, wenn Sie ständig behaupten, das Konzept würde diesen Standort wirtschaftlich nach vorn bringen. Die 6 000 externen Krankenbesucher und Klienten, die sich der Unternehmer wünscht, kommen erstens nicht alle mit dem Flugzeug und zweitens füllen sie nicht 386 ha innerstädtisches Areal.
Deshalb muss man dies ernsthaft prüfen, bevor man behauptet, es handele sich um neue Wirtschaftskraft.
Das nächste Argument, Stadtentwicklung: Es ist offensichtlich, dass für Neukölln und Tempelhof das Öffnen dieses seit Jahrzehnten abgesperrten Raumes sehr viel mehr Potenziale entfalten kann, als wenn dort die berühmten 20, 50 oder 100 Geschäftsflieger landen oder die wenigen Arbeitsplätze zwischen Tempelhof auf der einen und BBI auf der anderen Seite zerteilt werden – Sie werden demnächst auch mit Tegel anfangen und den Menschen zumuten, dass ihnen dort die Köpfe weiterhin von den Flugzeugen „abrasiert“ werden. Das kann kein wirtschaftspolitisches Konzept sein, und vor allem kein Konzept für eine positive Stadtentwicklung mit guter Lebensqualität und neuen Chancen für dieses riesige Gebäude in Tempelhof. Ich sage Ihnen eines: Hätte es im Jahr 2003, als der BND-Standort gesucht worden ist, ein klares Datum für die Schließung von Tempelhof gegeben, hätten wir heute den Neubau des BND auf dem Gelände in Tempelhof, was sowohl für die Chausseestraße als auch für Tempelhof eine viel bessere Entwicklung wäre. Dies ist ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen will: Ihre Konzeption nach dem Motto: Wir halten den Flughafen erst einmal offen, danach reden wir mit dem Land Brandenburg und dem Bund und alle sind nett miteinander –, bedeutet fünf weitere Jahre Unsicherheit, unabhängig davon, wie es ausgeht. Das darf nicht sein! Diese Stadt braucht endlich Sicherheit und Klarheit.
Diese Klarheit, Herr Kollege Pflüger, ist 1996 unter dem Regierenden Bürgermeister Diepgen gemeinsam mit dem damaligen Ministerpräsidenten Stolpe und dem Bund geschaffen worden. Das ist ein Beschluss. Ich finde, es gehört sich irgendwann für eine Oppositionsfraktion – auch für uns, die wir diese Flüge gar nicht so sehr lieben –, solche Beschlüsse und ihre schrittweise Umsetzung zu akzeptieren. Deshalb sage auch ich – obwohl wir Grünen es gar nicht so gut finden, was da beim BBI alles entsteht –, dass man diese Umsetzung akzeptieren, auf dieser Basis die schrittweise Realisierung mit unterstützen und in der Bürgergesellschaft verantwortlich damit umgehen muss und nicht für falsche Dinge werben darf. Das ist das
Hauptproblem: Sie machen so eine Art „Schaun-ma-mal“Politik, als könne man heute hü und morgen hott sagen, einmal rein in die Kartoffeln, einmal raus aus den Kartoffeln. So darf eine Opposition nicht mit den Zukunftschancen dieser Stadt umgehen.
Insofern ist Ihr Satz „Niemand will BBI gefährden“ eine wirklich gemeine Leerformel, weil Sie allein damit, dass Sie der Bevölkerung dauernd mitteilen, Sie wollten einerseits etwas ganz anderes und andererseits gefährdeten Sie BBI damit gar nicht, Unsicherheit in die Politik tragen. Sie sagen den Bürgerinnen und Bürgern nicht offen, worüber sie eigentlich abstimmen und was dadurch gefährdet wird. Es ist egal, ob man das Bundesverwaltungsgerichtsurteil liebt oder nicht, es hat Bestand. Jeder Schönefelder Bürger, der in der ersten Runde geklagt hat, kann dies auch in einer nächsten Runde tun und damit weiter Unsicherheit in das ganze Verfahren tragen. Darüber hinaus wissen Sie ganz genau, dass drei Verfahrensbeteiligte – Bund, Brandenburg und Berlin – in einem Boot sitzen und dass auch dies nicht einfach nach dem Motto „Wir ändern den Landesentwicklungsplan“ auszuhebeln ist. So funktioniert Politik nicht, und Sie sind alt genug, um das eigentlich zu wissen.
Wenn jetzt nicht die Leuchte blinken würde, müsste ich noch etwas dazu sagen, dass es sich mittlerweile um einen Volksentscheid handelt, der die Ebene der Sachentscheidung völlig verlässt und stattdessen ein Kräftemessen Pflüger versus Wowereit in die Stadt trägt. Ich glaube, damit wird dem Instrument Volksentscheid in großem Maße geschadet. Das ist verantwortungslos, das darf man nicht tun.
Mein letzter Satz: Wir werben aus ökologischer Überzeugung dafür, weil wir wissen, dass ein Flugbetrieb im innerstädtischen Bereich auf Dauer nicht zu verantworten ist. Stimmen Sie mit Nein, gehen Sie aber auch zu der Abstimmung und glauben Sie nicht dem, was die ICAT geschrieben hat: „Wenn Sie nicht wählen gehen, stimmen Sie automatisch mit Nein und gegen Tempelhof.“ – Das ist eine Lüge.
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion – Martina Michels (Linksfraktion): Die nächste Lüge!]
Das ist eine Fehlinformation der Bürger. So darf man die Bürgerinnen und Bürger nicht behandeln. Sie sollen hingehen, sie sollen verantwortungsbewusst abstimmen. Sie müssen aber von allen Beteiligten – das gilt einerseits für den Senat, andererseits für alle Fraktionen und Parteien,
auch für die Initiatoren – korrekt informiert werden, so wie man in der Schweiz das abwägende Informieren vor jedem Volksentscheid als Tradition hat. Ich wünsche mir, dass Berlin das lernt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Diese Aktuelle Stunde ist für Sie. Die Argumente in diesem Raum und diesem Haus sind ausgetauscht, obwohl ich nicht gedacht hätte, dass es noch einmal solch einen Spaß machen könnte, hier in den Streit zu treten.
Die Rechtslage ist eindeutig: BBI kann gebaut werden, wenn Tegel und Tempelhof geschlossen werden. Dieser Ersetzungsbeschluss ist die Grundlage der Abwägung gewesen. Die Schließung der innerstädtischen Flughäfen ist die Grundlage der Genehmigung und der Planfeststellung. Niemand hätte einen Flughafen so stadtnah genehmigt unter der Voraussetzung, dass die innerstädtischen Flughäfen nicht geschlossen werden,
unter der Voraussetzung dass nicht mindestens 130 000 Berlinerinnen und Berliner befreit wären von den Kümmernissen, die ein innerstädtischer Flughafen mit sich bringt. Das genau ist die rechtliche Grundlage für die Genehmigung. Das ist aber auch das Ärgernis der CDU und der FDP an diesem Punkt.
Wir können in der Tat sehr erleichtert darüber sein, dass wir in Schönefeld einen planfestgestellten, tatsächlich auch genehmigten Großflughafen haben. Jeder, der sich mit diesem Thema befasst, weiß, wie schwierig es ist, an diesen Punkt zu kommen. Es ist eine großartige Leistung für alle Beteiligten, dass wir in dieser Situation sind. Der Bau und der Betrieb des Großflughafens in Schönefeld sind das größte Infrastrukturprojekt der Region BerlinBrandenburg. Wir wissen schon jetzt, dass die Möglichkeit besteht 40 000 zusätzlich Arbeitsplätze zu schaffen. Das aktuelle Auftragsvolumen liegt bei 851 Millionen €, wovon 737 Millionen € in der Region bleiben, also in den Auftragsbüchern der Berliner und Brandenburger Unternehmer. Genau dieses wichtigste Infrastrukturprojekt werden wir auf keinen Fall gefährden.
Mit der Eröffnung des Großflughafens 2011 kann es keinen Flugbetrieb in Tegel und Tempelhof mehr geben. Das wissen wir spätestens seit dem Konsensbeschluss von 1996 zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund. Die Herren Diepgen, Stolpe und Wissmann haben ihn unterschrieben. Das Schließungsvorhaben stand bereits 1991 in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD. 1994 schwärmte der damalige Stadtentwicklungssenator Hassemer von den Möglichkeiten der Nutzung des Tempelhofer Feldes ohne Flugbetrieb.
Das Bundesverkehrsministerium hat mitgeteilt, dass nach dem Oktober 2008 für die Weiterführung des Flugbetriebes in Tempelhof kein rechtlicher Raum besteht. Am 12. Februar 2007 bestätigte das Oberverwaltungsgericht in Berlin die Rechtmäßigkeit der Schließung des Flughafens Tempelhof. Am 4. Dezember 2007 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig diese Entscheidung. Eindeutiger geht es nicht.
Wenn sich CDU und FDP darüber hinwegsetzen, riskieren sie genau dieses wichtigste Infrastrukturprojekt BBI am Standort Schönefeld. Allen Ernstes schlagen Sie uns jetzt einseitig vor – aus Berliner Sicht – die Planfeststellung zu ändern. Wir nehmen in Kauf, für Brandenburg die Genehmigung gleich mit zu riskieren. Wir laufen in der Tat Gefahr – Frau Eichstädt-Bohlig hat es ausgeführt –, einen einstweiligen Rechtsschutz des Bundesverwaltungsgerichts bis zur Entscheidung über die geänderte Rechtslage, einen Baustopp, zu riskieren. Wir riskieren die Investitionssumme von 2,2 Milliarden € und Schadensersatzansprüche von denen, die Aufträge schon erhalten und Verträge unterschrieben haben. Das werden wir auf keinen Fall tun.
Es wird immer so getan, als sei die Entscheidung noch offen. In Wirklichkeit ist es so, dass die Geschäftsflieger im Mai und Juni nach Schönefeld umziehen. Die Flughafengesellschaft hat 7,5 Millionen € für die dortige Unterkunft investiert. Die Verträge sind abgeschlossen. Das ist die Realität. Das ist der Baufortschritt. Das ist die richtige Richtung, die wir unterstützen.