Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Es wird immer so getan, als sei die Entscheidung noch offen. In Wirklichkeit ist es so, dass die Geschäftsflieger im Mai und Juni nach Schönefeld umziehen. Die Flughafengesellschaft hat 7,5 Millionen € für die dortige Unterkunft investiert. Die Verträge sind abgeschlossen. Das ist die Realität. Das ist der Baufortschritt. Das ist die richtige Richtung, die wir unterstützen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Bei aller Sachlichkeit in der Argumentation fragt man sich schon an der Stelle, was dahinter steckt, wenn das die Rechtslage und die wirtschaftliche Perspektive für die Region ist und wenn es Kräfte in der Stadt gibt, die diese entscheidenden Interessen der Region derart torpedieren und Parteipolitik an dieser Stelle wichtiger finden. Ist das verantwortungsvolle Oppositionspolitik? – Ich finde es einen Verrat an den Interessen der Region Berlin und Brandenburg.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich möchte das gern noch einmal an einem Beispiel beleuchten und das Handwerkliche anschauen. Ich habe die Gerichtsentscheide zitiert und auch die Schwierigkeiten beschrieben, einen planfestgestellten und genehmigten Flughafen im stadtnahen Bereich in Schönefeld zu realisieren. Herr Pflüger stellt der Presse vor – ich finde es sehr sympathisch, dass er es so öffentlich macht –, dass er am Abend einen Rechtsanwalt anruft und um ein Rechtsgutachten darüber bittet, ob das Offenhalten von Tempelhof BBI gefährdet. Am nächsten Morgen liegt das mehrseitige Papier vor und weist aus, dass keine Gefahr besteht. Für das, wofür Gerichte monatelang abgewogen und Anhörungen veranstaltet sowie eine Rechtsabwägung vorgenommen haben, braucht Herr Pflüger im Auftrag an Herrn Würfel nur eine Nacht. Das Ergebnis ist ebenso beeindruckend.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf die IHK zu sprechen kommen. Ich dachte, ich falle in Ohnmacht, als ich mir Seite 27 ihres Gutachtens angeschaut habe. Dort wird allen Ernstes vorgeschlagen, die Planfeststellung und der Landesentwicklungsplan könnten geändert werden. Würde dann festgestellt, dass BBI gefährdet sei, könne die Klage einfach zurückgezogen werden. Das ist eine Methode nach der Art und Weise: Klagen bis der Arzt kommt; der soll es dann richten. Das geht nicht. Das finde ich verantwortungslos von der IHK in Berlin.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die IHK Cottbus und die IHK Potsdam sehen das anders. Auch sie haben erhebliche Probleme mit ihrem verkehrspolitischen Sprecher der CDU in Brandenburg, der sich für eine Schließung Tempelhofs eingesetzt hat. Es gibt also ein munteres Treiben der Meinungen, bei dem man wieder belegen kann, dass es offensichtlich doch entscheidend ist, ob Parteipolitik oder die Interessen der Stadt für die Wähler ausschlagendgebend sein sollten. Das sollten sie aber.

Eine kurze Bemerkung zur Symbolik des Ortes möchte ich noch machen. Natürlich haben diese Auseinandersetzungen – nicht hier im Haus, aber die Gespräche mit den Bürgern – etwas gebracht. Sie haben auch uns sensibilisiert, dass die Geschichte des Ortes unbedingt stärker dokumentiert werden muss als jetzt. Dazu braucht es keinen Flugbetrieb, das hat Frau Eichstädt-Bohlig gesagt. Es geht sogar viel besser ohne Flugbetrieb mit einer Ausstellung, mit einer Dokumentation, mit einem Film. Damit wird das Gedenken an die Luftbrücke viel stärker, als es bisher der Fall und möglich ist, realisiert. Das sollten wir auch tun.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Man soll die Politiker immer an ihren Taten messen. Das haben wir beim Mauergedenken genauso getan. Die CDU hat ein gedenkrelevantes Grundstück verkauft, während wir uns immer dafür eingesetzt haben, dass die Mauer auch sichtbar bleibt, wenigstens als Markierung auf dem Boden. Es war ein linker Kultursenator, der ein mit allen

abgestimmtes Mauergedenkkonzept umgesetzt und vorher auch erarbeitet hat. In der Frage der Geschichte sind wir wirklich glaubwürdig.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich komme zum Stichwort Glaubwürdigkeit. Volkes Wille hat eine entscheidende Rolle in der letzten Phase der Kampagne gespielt. Das wichtigste Argument war, Volkes Wille tatsächlich ernst zu nehmen. Wer das Volk ernst nimmt, sagt dem Volk die Wahrheit, und zwar vor der Abstimmung.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die Wahrheit ist, dass der Erhalt von Tempelhof als Verkehrsflughafen nicht möglich, ja sogar rechtlich ausgeschlossen ist. In den persönlichen Auseinandersetzungen räumen Sie das auch ein. Sie sagen, eins zu eins kann man den Bürgerwillen nicht umsetzen, aber, liebe Bürger, stimmen Sie erst einmal zu. Herr Lindner, Herr Pflüger, Sie haben noch bis Sonntag die Chance, den Berlinern zu sagen, dass Sie sie ernst nehmen und sagen Sie ihnen, dass das, was zur Abstimmung steht, Tempelhof als Verkehrsflughafen strukturell offen zu halten, nicht geht und rechtlich ausgeschlossen ist. Das würde bedeuten, die Bürger ernst zu nehmen und nicht den Abschiedsschmerz, den Sie und Berliner immer haben, auszunutzen, sondern tatsächlich den Bürgerwillen auch vor der Abstimmung ernst zu nehmen und ihnen die Wahrheit zu sagen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wir jedenfalls werden das tun und haben es sehr ausführlich getan.

Es heißt immer so schön, Geld regiert die Welt. Aber auch eine millionenschwere Kampagne, die versucht, Berlin zu hypnotisieren, kann die Realität nicht außer Kraft setzen. Geld regiert die Welt viel zu sehr, aber nicht in Berlin. Deshalb, liebe Berlinerinnen und Berliner, treffen Sie eine verantwortungsvolle Entscheidung mit Herz und Verstand. Stärken Sie und sichern Sie das wichtigste Infrastrukturprojekt für die Region, den Flughafen Schönefeld, und sagen Sie nein zur Offenhaltung von Tempelhof. Gehen Sie zur Wahl, weil Sie nur dann mitentscheiden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD– Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bluhm. – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Lindner das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die FDPFraktion begrüßt das Volksbegehren und den Volksentscheid am Sonntag. Wir glauben, dass auch die richtigen

Fragen zur Abstimmung gestellt werden. Erstens: Der erste Satz lautet: „Der Widerruf der Betriebsgenehmigung ist zurückzunehmen.“ Das ist richtig und ist das Erste, das umgesetzt werden muss, und das auch ohne Weiteres rechtlich umgesetzt werden kann.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Zweitens: Dieser Flughafen ist und muss dauerhaft ergänzend zu BBI existieren können. Das ist auch eine richtige, vernünftige Forderung. Andere Städte beneiden uns um einen solchen Flughafen,

[Michael Schäfer (Grüne): Welche denn?]

der Geschäftsfliegerei und allgemeine Luftfahrt aufnehmen kann. Das ist richtig und vernünftig. München beispielsweise

[Michael Schäfer (Grüne): Die haben ihn geschlossen!]

sucht gerade wieder eine solche Möglichkeit, die Geschäftsflieger und die allgemeine Luftfahrt komplementär und ergänzend zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen aufzunehmen.

Drittens: Die Voraussetzung, dass wir uns über einen modifizierten Betrieb des Flughafen Tempelhof nach Eröffnung von BBI unterhalten können, ist, dass er jetzt überhaupt als Verkehrsflughafen erhalten bleibt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es ist völlig illusorisch. Sie können einen geschlossenen Flughafen als Geschäftsflughafen nicht wieder eröffnen. Deswegen muss er zunächst als Verkehrsflughafen erhalten bleiben. Es ist richtig und rechtlich umsetzbar, was das Volksbegehren hier verlangt.

Ich bin es auch leid, hier die ganze Zeit mit Soziologen, Druckern und Ingenieuren Rechtsfragen zu diskutieren. Das muss ich an der Stelle auch einmal ganz deutlich sagen. Wo kommen wir denn da hin?

[Unruhe – Uwe Doering (Linksfraktion): Arroganz kommt vor dem Fall!]

Die entscheidende Frage ist doch, wo Ihre Alternativen sind. Der Regierende Bürgermeister hat sieben Jahre Zeit gehabt, ein klares alternatives Konzept vorzulegen. Dazu gehören ein Investitionsplan, Investoren – klar benannt –, Bürgschaften von Banken, die dieses Investitionskonzept stützen, ein Sanierungsplan, Kosten des Bodenaustausches, Erschließungskosten und Klärung der Frage, wer diese zu tragen hat. Nach sieben Jahren haben wir nichts von ihm, stattdessen ein Wolkenkuckucksheim. Frau Junge-Reyer stellt sich in den Debatten hin und sagt, es würde eine Wiese gebraucht, die für das Volk wieder geöffnet sei, dann noch ein paar Häuschen und vielleicht noch ein paar Girlanden oben drauf und anderes.

Sie kriegen es doch noch nicht einmal bei den bestehenden Flächen hin. Was ist denn mit dem Gleisdreieck – 24 ha – in der letzten Zeit passiert? – Nichts ist passiert!

Wir haben keinen Flächenbedarf in Berlin, wir haben einen Bedarf an Wirtschaftskraft, und den können Sie nicht mit ihrem Wolkenkuckucksheim dokumentieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Bei den Grünen verstehe ich das. Sie sind nicht Regierungspartei. Sie können – Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht – eine kleine Westentaschenplanung vornehmen.

[Heiterkeit bei der SPD]

Aber von einem Senat erwarte ich etwas anderes.

[Zurufe von den Grünen]

Weil Sie nichts haben, ergehen Sie sich in einer primitiven Sozialneidkampagne, die ich in der letzten Sitzung schon ausreichend qualifiziert habe.

[Ramona Pop (Grüne): Kriegen Sie Ihre eigene Partei erst mal in den Griff!]

Die Bürger spüren das. Sie bekommen von Ihnen statt eines sinnvollen BBI-ergänzten Flughafens eine Hasenheide XXL mit Drogendealern, Jugendbanden und ähnlichen Kriminellen, die dort Einzug halten werden.

[Unruhe – Zurufe von den Grünen – Uwe Doering (Linksfraktion): Was Sie erzählen, ist lächerlich! Bleiben Sie sachlich, Wahlverlierer Lindner!]

Das wissen vor allen Dingen die Anwohner. Deswegen sind gerade die Anwohner dafür, dass dieser Flughafen offen gehalten wird.

Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt: Respekt vor dem Volkswillen. Immer, wenn es schön weit weg ist – Europa –, soll eine Volksabstimmung kommen.

[Carola Bluhm (Linksfraktion): Europa ist nicht weit weg! – Martina Michels (Linksfraktion): Europa ist hier!]

Heute im Bundestag gab es nicht nur Herrn Gysi. Da fragte mein Kollege Westerwelle Herrn Bisky – das ist Ihr Parteivorsitzender, der sich dort wieder einmal erging –:

Werden Sie für den Fall, dass sich die Berlinerinnen und Berliner für den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof aussprechen, zu dieser Entscheidung stehen und den Willen des Volkes da, wo Sie regieren, umsetzen?