Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Zum Antrag der Berliner CDU zum Sofortprogramm für die Berliner Justiz einige Bemerkungen: Zum Personal – weil die CDU immer sagt, der Personalabbau sei so stark gewesen; der Kollege Rissmann wird sicher gleich noch einmal versuchen, das zu verdeutlichen: Schauen wir uns eine Grafik an, die ich ausgedruckt habe: „Stellen je 100 Gefangene von 1992 bis 2007 im Berliner Strafvollzug“.

[Gelächter bei den Grünen]

Sie können ruhig hinschauen! – Die Balken stellen die Regierungszeit von Rot-Rot dar. Sie sehen, dass in der Regierungszeit von Diepgen, 1990 bis 1999, die Stellen von 88,5 auf 63 Stellen abgebaut wurden. Das bedeutet eine Reduzierung um 30 Prozent. In der rot-roten Regierungszeit wurden die Stellen von 57 auf 53 Stellen pro 100 Gefangene abgebaut. Das ist eine Reduzierung um 5 Prozent.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Allein diese Grafik zeigt, dass Ihr erster Punkt, den sie in ihrem Sofortprogramm beantragen – mehr Stellen zu schaffen –, völlig falsch ist. Die Stellen, die wir in Berlin haben, sind ausreichend. Erst Sie haben die Stellen in dem Maße reduziert.

Dann zu dem von Ihnen geforderten Maßnahmenplan zur Verhinderung von Meutereien: Dieser Maßnahmenplan

liegt meines Erachtens bei der Justizverwaltung vor. Ich kann die Justizverwaltung verstehen, dass er nicht öffentlich diskutiert wird. Wenn wir das täten, könnten wir den Inhalt gleich an die Springer-Presse weitergeben, die eine Sonderausgabe herausgeben könnte, in der sie den Maßnahmenplan vorstellt. Nein, es ist richtig, dass er nicht öffentlich diskutiert wird, es ist richtig, dass er in der Justizverwaltung liegt und dass dann, wenn er benötigt wird, damit gearbeitet wird!

Ebenso richtig ist es, dass wir keinen „Tag der offenen Tür“ veranstalten, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Für eine geschlossene Anstalt einen „Tag der offenen Tür“ zu fordern, ist ein bisschen zu viel des Guten. Es gibt Informationstage, zum Beispiel bei der JVA Tegel. Es gibt dort auch einen Gefängnisshop, wo sich interessierte Bürger informieren können. Das reicht aus.

Und auch eine Privatisierung der Justiz wird es mit uns nicht geben. Der Blick nach Hessen hilft in diesem Fall, dafür muss man vielleicht mal nicht nach Mallorca fahren. In Hessen wird mittlerweile über eine Rekommunalisierung nachgedacht.

[Beifall bei der SPD]

Zu dem Antrag des Kollegen Behrendt zur Mindestgröße von Hafträumen: Die Rechtsprechung zu der Größe eines Haftraums ist uneinheitlich. Ich beziehe mich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 2007 im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde. Die Unterbringung in dem – in diesem Fall – 11,7 m2 großen Haftraum für zwei Gefangene, so das Bundesverfassungsgericht, verletze nicht die Menschenwürde des Beschwerdeführers. In der JVA Tegel haben wir tatsächlich Hafträume, die 5,5 m2 groß sind. Wir können die Situation derzeit aber nicht ändern. Als wir den Bau der JVA Heidering beschlossen haben, hätten Sie die Chance gehabt, die Situation zu ändern. Dort werden ab 2011 Hafträume mit 10 m2 Grundfläche zur Verfügung stehen, die eine Raumfläche von 25,3 Prozent haben. Das haben Sie nicht getan. Sie haben sich gegen die JVA Heidering ausgesprochen und die jetzigen Zustände billigend in Kauf genommen.

Zu den Anträgen der FDP: Beide Anträge sind abzulehnen. Beim einen, der Strafverbüßung im Ausland, haben Sie sich weit rechts außen bewegt, Kollege Kluckert. Der zweite Antrag ist überholt. Wir haben die Mittel für die Vollzugsgemeinschaften eingestellt. Es gibt 25 Jugendliche, die in Wriezen untergebracht sind. Durch die konsequente Arbeit der Justizsenatorin und die harten Verhandlungen konnte erreicht werden, dass auch im nächsten Jahr die Unterbringung in Brandenburg möglich sein wird.

Konsequent an allen Anträgen ist nur, dass sie auf Umweltpapier gedruckt wurden, damit nicht ganz so viele Bäume dafür gestorben sind.

Zur Ehrlichkeit der Diskussion über den Strafvollzug zählt aber auch zu sagen, was sich seit letztem Jahr ver

ändert hat. Wir haben 164 neue Plätze im geschlossenen Vollzug, wir haben 157 neue Plätze in Moabit, wir werden bis Mitte 2009 20 neue Plätze bei der Justizvollzugsanstalt für Frauen haben. Die aktuellen Zahlen der Belegung zeigen, dass z. B. in der Jugendstrafanstalt und in der Justizvollzugsanstalt für Frauen die Belegung bei 103 Prozent liegt, immer noch 3 Prozent Überbelegung, aber immerhin besser als 130 Prozent, über die wir im letzten Jahr diskutiert haben. Wir haben die Entscheidung zu Heidering getroffen. Die Justizsenatorin hat Europamittel eingeworben, auch für den Strafvollzug. Das hat sie in der letzten Plenarsitzung dargestellt.

In Berlin trifft sich gerade der Strafvollzugsausschuss der Länder, nicht nur, weil Berlin die schönste Stadt der Welt ist, sondern auch, weil man in Berlin durchaus sehen kann, wie sich der Strafvollzug positiv verändert hat und weil die anderen Bundesländer hier von uns lernen können.

Herr Abgeordneter Kohlmeier!

Der letzte Satz, Frau Präsidentin! – Rot-rote Justizpolitik und rot-rote Politik ist die richtige Politik für diese Stadt. Die Anträge, die Sie hier gestellt haben, sind allesamt abzulehnen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kohlmeier! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Rissmann das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Herr Kollege Kohlmeier! Sie haben wieder einmal meine Erwartungen und mutmaßlich die Erwartungen derer, die Sie aus gewohnter Übung im Rechtsausschuss kennen und erleben, voll erfüllt. Sie haben den Staatsauftrag übererfüllt. Schönreden, Dinge gutheißen bzw. sich mit der plumpen Argumentation, das sei früher alles auch schon so und schlechter gewesen, damit kommen Sie hier nicht durch. Sie haben hier geredet, aber nicht verstanden,

[Özcan Mutlu (Grüne): Das ist ja nichts Neues!]

denn Sie lehnen Dinge ab, die wir gar nicht beantragt haben. Insofern hätte ich mich gefreut, wenn Sie die vielfachen Beratungen, die wir zu unserem Antrag hatten, genutzt hätten, um zu sehen, was wir wirklich beantragen. Darauf gehe ich später ein.

[Beifall bei der CDU]

Wir müssen heute wieder einmal über Justiz und Strafvollzug sprechen, und das leider berechtigterweise. Allein die Fülle der heute hier zu behandelnden Anträge – es sind vier – zum Thema Strafvollzug in Berlin zeigt, dass trotz gegenteiliger Beteuerungen von der Senatorin für Justiz die Dinge weiter im Argen liegen, weiterhin erheblicher Handlungsbedarf besteht und trotz der Diskussion, die wir in Berlin seit vielen Monaten führen, keine Besserung eingetreten ist. Der Vertreter der PDS im Rechtsausschuss

[Uwe Doering (Linksfraktion): Der Linken! PDS gibt es nicht mehr!]

Verzeihung, der Vertreter der SED im Rechtsausschuss, wenn Ihnen das besser gefällt –

[Uwe Doering (Linksfraktion): Gibt es auch nicht mehr! War auch nie in der SED!]

zeigt sich bei den letzten Beratungen zum Strafvollzug immer genervt und weist darauf hin, er habe keine Lust mehr und wolle darüber nicht mehr sprechen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ist doch Unfug!]

Die SPD taucht bei diesen Fragestellungen im Rechtsausschuss grundsätzlich ab oder macht es so, wie es der Kollege Kohlmeier hier gerade getan hat, erzählt, alles sei schön, von rosaroten Elefanten oder von heiler Welt, oder sagt, es sei schon immer schlecht gewesen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was für eine Rede haben Sie gehört? Sie waren gar nicht hier!]

Das ist schon traurig, wenn man feststellen muss, dass sich die Regierungskoalition ausschließlich auf das Schönreden von Problemen beschränkt und damit ihren parlamentarischen Auftrag als verwirklicht ansieht.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Sie erzählen immer dasselbe, eine Endlosschleife!]

Das, was ich gerade beschrieben habe, findet seine Bestätigung in den heutigen Anträgen der drei Oppositionsfraktionen dieses Hauses. Denn nur die Opposition beschäftigt sich mit den Problemen im Strafvollzug, die Regierungskoalition ist für Aussitzen. Ich sehe keine Beteiligung bei diesen Fragestellungen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ach was, Donnerwetter! Habe ich Ihrer Rede nicht entnommen!]

Es ist bemerkenswert, wie Sie versuchen, mich zu stören. Das beeindruckt mich wenig, deutet aber darauf hin, welches parlamentarische Verständnis Sie haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn Sie sich sachlich daran beteiligen wollen, drücken Sie auf Ihr Knöpfchen,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Gehen Sie doch mal auf meine sachlichen Redebeiträge ein!]

Sie können eine Zwischenfrage stellen, aber stören Sie doch nicht durch diese plumpen Zwischenrufe!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Er kennt es von seiner Fraktion nicht anders!]

Entschuldigung, Herr Rissmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohlmeier?

Von Herrn Kohlmeier? – Bitte!

Herr Kollege Rissmann! Wenn sich angeblich nichts verbessert hat, können Sie mir dann bestätigen, dass es neue Haftplätze gibt, die in den Jahren 2005, 2008 und 2009 geschaffen wurden oder werden? Können Sie mir bestätigen, dass der Beschluss zu Heidering gefallen ist? Können Sie mir bestätigen, dass die Belegung in der Jugendstrafanstalt und in der Justizanstalt für Frauen derzeit 103 Prozent und nicht 130 Prozent wie im letzten Jahr beträgt?

Ich kann bestätigen, dass wir momentan eine leichte Verbesserung bei der Überbelegungssituation haben,

[Beifall von Markus Pauzenberger (SPD)]

was nichts daran ändert, dass wir weiterhin eine Überbelegung haben. Wenn Sie stolz darauf sind, dass sich die Überbelegung von etwa 115 oder 120 Prozent

[Sven Kohlmeier (SPD): 130 Prozent!]

auf meinetwegen 103 Prozent im Moment abgesenkt hat, dann herzlichen Glückwunsch, wenn Sie damit zufrieden sind und dieses Ergebnis offenbar konservieren wollen.

Ich möchte etwas zu den einzelnen Anträgen sagen,