Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Zulage bei erhöhter wöchentlicher Regelarbeitszeit im feuerwehrtechnischen Dienst des Landes Berlin

Beschlussempfehlungen InnSichO und Haupt Drs 16/1394 Antrag der FDP Drs 16/1205

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 16/1205. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Die Ausschüsse empfehlen mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU und der FDP bei Enthaltung der Fraktion der Grünen die Ablehnung des Antrags Drucksache 16/1205. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Mehrheit. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der Grünen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nrn. 6 bis 10 stehen mit den Überweisungen auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 11 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Die Besprechung der

lfd. Nr. 12:

Vierzehnter Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – Jahresbericht 2007

Bericht Drs 16/1401

wird zur nächsten Sitzung vertagt.

Die lfd. Nrn. 13 bis 15 sind durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 16:

a) Beschlussempfehlungen

Sofortprogramm für die Berliner Justiz I – Strafvollzug

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/1395 Antrag der CDU Drs 16/0475

b) Beschlussempfehlungen

Abbau der Überbelegung im Berliner Strafvollzug (I): Strafverbüßung in anderen Bundesländern ermöglichen!

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/1396 Antrag der FDP Drs 16/0629

c) Beschlussempfehlungen

Abbau der Überbelegung im Berliner Strafvollzug (II): Strafverbüßung im Heimatland konsequent durchsetzen!

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/1397 Antrag der FDP Drs 16/0827

d) Beschlussempfehlungen

Mindestgröße für Hafträume wieder festschreiben

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/1120 Antrag der Grünen Drs 16/1120

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Behrendt. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir Grüne möchten die Haftraumgröße, also die Größe einer Gefängniszelle, gesetzlich festschreiben. Die bisherige Regelung von 1961 trat im Zuge der Verwaltungsreform außer Kraft. Sie wurde Opfer der Regelung, nach der Verwaltungsvorschriften nach fünf Jahren automatisch außer Kraft treten. 1961 – die Älteren werden sich vielleicht noch daran erinnern –, das war eine Zeit, in der wir in der Bundesrepublik noch die Zuchthausstrafe hatten. Momentan sind wir hinter diesen Rechtszustand von 1961 zurückgefallen. Das Kammergericht führt deshalb in seiner aktuellen Rechtsprechung zu dieser Rechtslage aus:

Dieser Zustand kontrastiert auffällig zu der oft minutiösen Regelung, die der Gesetzgeber denjenigen Raum- und Flächenmaßen hat angedeihen lassen, deren Beachtung, Herstellung und Finanzierung überwiegend Privaten unterliegt, wie Wohnräumen in Wohnheimen, Arbeitsräumen, Tiergehegen, Krankenzimmern etc.

Dieses veranlasste den „Tagesspiegel“ zu titeln, Gefangene hätten in Berlin weniger Rechte als ein Schäferhund. Weil wir Grüne wollen, dass Gefangene in Berlin mehr Rechte als Tiere haben, ist zumindest die alte Rechtslage wieder in Kraft zu setzen.

[Beifall bei den Grünen]

Das sollten all jene unterstützen, die an einem modernen Strafvollzug interessiert sind. Zwar ist die rechtliche Einschätzung von Ihnen, Frau Senatorin, eine rechtlich zwingende Notwendigkeit bestehe dafür nicht, zutreffend, allerdings ist es mehr als ärmlich und grenzt schon an einen rechtspolitischen Offenbarungseid, nur im Rahmen der zwingend rechtlichen Verpflichtungen handeln zu wollen.

[Beifall bei den Grünen]

Konkret geht es um 58 Zellen im Haus 1 in der Justizvollzugsanstalt Tegel, die ein Flächenmaß von 5,25 m2 aufweisen. Sie liegen unterhalb unseres gesetzlichen Vor

schlags. Diese Fläche reicht gerade, um ein Bett einzustellen. Das wäre nicht so dramatisch, wenn die Gefangenen – es handelt sich um die Einweisungsabteilung – dort nur für eine kurze Zeit untergebracht würden. Allerdings ist die Verweildauer dort, in der Einweisungsabteilung, zum Teil wesentlich länger und dauert über sechs Monate an. Dieses bewirkt nach dem bereits zitierten Beschluss des Kammergerichts

die Gefahr, dass sich eine die Persönlichkeit zerstörende Hoffnungslosigkeit in Menschen einnistet.

Dieser Hoffnungslosigkeit wollen wir entgegenwirken. Wir fordern Sie deshalb auf, für unseren Antrag zu stimmen.

[Beifall bei den Grünen]

Kurz zu den weiteren Anträgen: Das Sofortprogramm der CDU, das zur Abstimmung steht, enthält zwei gute Vorschläge, nämlich einmal die Durchsetzung des Trennungsgebots in der Sicherungsverwahrung und zum anderen – der eine oder andere kennt meine regelmäßigen Kleinen Anfragen – die Veröffentlichungspflicht für Todesfälle im Vollzug. Die weiteren Punkte hingegen finden nicht unsere Zustimmung, insbesondere nicht die Privatisierungsüberlegungen und das Herbeireden von Meutereien.

Die Strafverbüßung in anderen Bundesländern, die die FDP beantragt, findet im Jugendbereich bereits statt, muss aber wegen des Gebots der heimatnahen Unterbringung eine Ausnahme bleiben. Schließlich dienen regelmäßige Besuche der Familie und von Freunden der Resozialisierung. Wir wollen nicht, dass die Familien quer durch die gesamte Bundesrepublik reisen müssen, um ihre Kinder im Knast zu besuchen.

Die Strafverbüßung im Heimatland findet im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bereits statt. Solange es nicht einmal gelingt, die freiwillig zur Verbüßung im Heimatland bereiten Gefangenen dort zu inhaftieren, verbietet sich unserer Auffassung nach eine Diskussion über eine Ausweitung der Möglichkeiten der Verbüßung gegen ihren Willen.

[Beifall bei den Grünen]

Insgesamt zeigen die Anträge, dass es im Berliner Vollzug noch eine Vielzahl von Problemen zu lösen gilt. Hierbei sind wir erst am Anfang. Aktuelle Entwicklungen, auf die ich kurz zu sprechen komme, wie überzogene Sicherheitsmaßnahmen, weisen unserer Auffassung nach in die falsche Richtung. So wird in der Justizvollzugsanstalt Charlottenburg gegenwärtig für Besucher eine Trennscheibe eingeführt – allein deshalb, weil es dort zu einer spektakulären Flucht gekommen ist. Mit dieser Trennscheibe werden aber sämtliche Gefangene für diese Flucht in Haftung genommen. Und durch den neuen Sicherheitszaun in der Jugendstrafanstalt werden die ohnehin knappen Sportmöglichkeiten weiter eingeschränkt. Auch das weist nach unserer Auffassung in die falsche Richtung. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Behrendt! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Kohlmeier das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Behrendt! Falsche Tatsachendarstellung wird nicht dadurch richtiger, dass man sie ständig wiederholt, insbesondere dann nicht, wenn man sie zuvor im Rechtsausschuss diskutiert hat. Ich habe nicht verstanden, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken wollen, was der Inhalt Ihres Antrags ist. Nun kann es daran liegen, dass ich ein schlechter Volljurist bin, es kann vielleicht auch daran liegen, dass wir nach den großen Debatten, die wir heute geführt haben, alle schon ein bisschen müde sind. Vielleicht war der Antrag aber auch ein bisschen schlecht. Ich habe Sie auch schon ein wenig engagierter in der Justizpolitik erlebt als heute, Herr Kollege Behrendt!

Bereits vor einem Jahr haben wir hier über Justizpolitik diskutiert. Seitdem hat sich eine Menge verändert. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die hier vorliegenden vier Anträge, einer von der CDU, zwei von der FDP und einer von den Grünen, sind abzulehnen.

Zum Antrag der Berliner CDU zum Sofortprogramm für die Berliner Justiz einige Bemerkungen: Zum Personal – weil die CDU immer sagt, der Personalabbau sei so stark gewesen; der Kollege Rissmann wird sicher gleich noch einmal versuchen, das zu verdeutlichen: Schauen wir uns eine Grafik an, die ich ausgedruckt habe: „Stellen je 100 Gefangene von 1992 bis 2007 im Berliner Strafvollzug“.