Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner von der Opposition haben es bereits gesagt: Frau Lange, wenn das das Ergebnis von zehn Monaten Sonderausschuss ist, dann muss man feststellen, dass das sehr dürftig ist, was Sie hier abgeliefert haben. Wir haben uns überlegt, wie man das, wenn man inhaltlich Ihrer Meinung wäre, sinnvoll in einen parlamentarischen Ablauf hätte einbringen können.
Wenn Sie den ersten Punkt – den hier, glaube ich, alle fünf Fraktionen teilen, dass nämlich die Neufassung der Handreichung im Abgeordnetenhaus im Kulturausschuss diskutiert werden soll – ernst meinen würden, dann hätten Sie diesen Antrag stellen können, dann hätten wir anschließend im Kulturausschuss oder wo auch immer darüber diskutiert, und dann wäre man zu Ergebnissen gekommen, z. B. zu dem Punkt 2 oder 3 von Ihnen. Dass Sie daran kein Interesse haben, dass Sie noch nicht einmal ein Interesse daran haben, im Kulturausschuss über ein solches Vorgehen zu diskutieren, dokumentieren Sie sehr eindrucksvoll damit, dass Sie hier eine sofortige Abstimmung beantragt haben. Das ist wirklich beschämend.
Punkt 1 ist durchaus noch nachvollziehbar. Bei Punkt 2 muss man fragen, ob Sie die Debatten im Sonderausschuss überhaupt verfolgt haben. Es ging niemals um die Frage, ob man, wenn die Voraussetzungen der Washingtoner Erklärung und der Handreichung vorliegen, ein Gemälde zurückgeben muss. Darum ging es doch niemals. Da gäbe es auch keinen Dissens zwischen Senat und Abgeordnetenhaus, zwischen Koalition und Opposition. Es ging vielmehr immer um die Grundlagen der Washingtoner Erklärung – „fair und gerecht“, die Frage der Verwirkung. Es ging um die Frage: Was heißt „fair und gerecht“ in Bezug auf beide Teile? Ist es eine einseitige Rückgabe ohne irgendetwas – in dem Fall für das Land Berlin? Es ging darum, dass das alles diskutiert werden und dass man bewerten muss, inwieweit die Kulturverwaltung im Kirchner-Fall versagt hat. Auffassung der FDP-Fraktion, der CDU und der Grünen ist, dass die Kulturverwaltung da versagt hat. Das war die Konfliktlinie im Sonderausschuss und nicht die Frage, ob die Washingtoner Erklärung und die Handreichung hier Anwendung finden können oder nicht.
Die nächste Frage – Frau Ströver hat es schon angesprochen – betrifft das Kulturgüterschutzgesetz. Wir haben zumindest seit der Neuregelung das Ergebnis, dass auch im öffentlichen Besitz befindliche Gemälde unter Schutz gestellt werden können. Auch das wäre eine interessante Debatte, wenn Sie schon einen Punkt 3 singulär herausgreifen. Was heißt denn diese Änderung des Kulturgüterschutzgesetzes für das Land Berlin genau? Müsste man jetzt nicht auch überlegen, gerade wenn man eine Kollision zwischen Kulturgüterschutzgesetz und Restitutionsbegehren ausschließen möchte, bewusst aktiv auf die Museen zuzugehen und sie aufzufordern, ihre Bestände daraufhin zu überprüfen, was national wertvoll ist?
Herr Brauer! Sie haben besonders Wert darauf gelegt, dass Sie mit dem Punkt 2 in diesem Antrag jetzt quasi eine Rechtssicherheit oder Rechtsklarheit schaffen, dass der Senat auf jeden Fall berechtigt ist, eine Restitutionsentscheidung ohne das Abgeordnetenhaus zu treffen. Sie widersprechen sich in Ihrer eigenen Begründung. Hier sagen Sie, dass zukünftig ins Haushaltsgesetz ein entsprechender Vermerk aufgenommen werden soll. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Sie die Rechtsklarheit nur über einen Vermerk im Haushaltsgesetz hinbekommen können, wie können Sie dann jetzt sagen, dass dieser Antrag in dieser Form eine Rechtssicherheit schafft? Dann hätten Sie mutig sein und nicht nur in der Begründung das Haushaltsgesetzes erwähnen, sondern das Haushaltsgesetz 2008/2009 ändern müssen. Aber das wollen Sie nicht. Dieser Antrag ist schnell und schlampig heruntergeschrieben worden, um eine Art Deckmäntelchen zu haben, dass Sie nach dem Sonderausschuss zumindest in irgendeiner Antragsform noch etwas tun.
Wir haben die Situation, dass man sich überlegen muss: Was hat die Kulturverwaltung beim Kirchner-Gemälde letztlich getan? Wie wurde es von den einzelnen Fraktionen bewertet? Gibt es eine Möglichkeit, auf der Grundlage der Washingtoner Erklärung zu Grundsätzen zu kommen, nach denen das Land Berlin in der Zukunft für alle transparent Restitutionsentscheidungen trifft? – Man muss festhalten, dass dieser Antrag in keiner Weise Anforderungen an Transparenz erfüllt oder Möglichkeiten eröffnet, über die wir gerade zum Ende des Sonderausschusses debattiert haben, wie das Kirchner-Gemälde oder auch andere Gemälde oder Kunstwerke im Land Berlin hätten gehalten werden können. Da dieser Antrag dazu nichts, aber auch gar nichts an Möglichkeiten eröffnet oder an die Hand gibt, geht er nach Auffassung der FDPFraktion an den zehn Monaten Ausschussarbeit komplett vorbei. Er ist ein Deckmäntelchen. Gerade von Ihnen, Herr Brauer, hätte ich nach dem, was auch Frau Ströver zitiert hat, nach Ihren vollmundigen Einlassungen am Ende des Sonderausschusses ein bisschen mehr Substanz erwartet als das, was Sie uns mit diesen drei Punkten vorgelegt haben. Wir werden diesen Antrag deswegen selbstverständlich ablehnen.
Herr Meyer! Ihr Beitrag zeigt, dass es richtig war, diese Debatte zu beenden und über den Antrag heute abzustimmen. Ich finde, dass Sie auch hier wieder aus ewiggestriger Position argumentiert haben.
Ich will auf drei Punkte von Ihnen eingehen. Sie haben gesagt, wir hätten nicht fair und gerecht gehandelt. Nach der Washingtoner Erklärung haben wir genau das getan. Fair war, dieses Kunstwerk zurückzugeben, und gerecht war, dass wir den Kaufpreis erstattet bekommen haben. Das haben Sie offensichtlich übersehen. In diesem Fall gilt, wenn wir uns an die Washingtoner Erklärung halten, die Beweislastumkehr. Wir konnten weder beweisen, dass die Erbin den Kaufpreis erhalten hat, noch dass sie das Kunstwerk aus freien Stücken verkaufen wollte, und wir konnten schon gar nicht beweisen, dass sie dieses Kunstwerk auch ohne Verfolgungsdruck verkauft hätte.
Wir reden über die Zukunft. Das hätten Sie dann auch mal tun sollten! – Ich habe gesagt, wir diskutieren über die einzelnen Punkte. Die neue Handreichung wird im Kulturausschuss diskutiert, die Provenienzforschung wird im Kulturausschuss diskutiert. Genau diese Debatte zeigt mir, dass es richtig ist, über den Antrag heute abzustimmen, weil die Kirchner-Debatte wieder sehr unappetitlich wird.
Danke, Herr Präsident! – Frau Lange! Sie wollten mir drei Punkte mitgeben. Ich habe jetzt nur einen richtig mitbekommen, das Stichwort „fair und gerecht“. Wir können die Debatte hier gern noch einmal verkürzt führen. Natürlich geht es um die Frage, ob die Rückgabe des KirchnerGemäldes fair und gerecht nach den Grundsätzen der Washingtoner Erklärung war. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass der Kaufpreis aus dem Jahr 1980 gezahlt wurde. Aber was ist mit der Tatsache, dass Frau Halpin, die Ehefrau von Hess, offensichtlich das Gemälde in den 50erJahren gesehen hat?
Eine der Grundlagen der Washingtoner Erklärung ist: NSverfolgungsbedingt abhanden gekommenes Kulturgut muss auch deswegen zurückgegeben werden – auch im Jahr 2007 oder 2008 –, weil die jüdischen Verfolgten und
die Erben evtl. gar nicht mehr wussten, wohin das Kulturgut in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verbracht wurde. Hier war aber genau eine andere Situation. Thekla Hess wusste, wo das Gemälde war. Ich bin, Frau Lange, bei Ihnen, dass diese erste Stufe, was die Frage angeht, ob das Gemälde NS-verfolgungsbedingt abhanden gekommen ist, nicht abschließend geklärt werden konnte und im Umkehrschluss in der ersten Stufe die Washingtoner Erklärung greift. Aber alle weiteren Fragen – Stichwort Verwirkung etc. – wurden im Sonderausschuss nicht abschließend geklärt. Deswegen muss es doch zumindest als Möglichkeit anerkannt werden, dass man versucht, wenn man über die Handreichung spricht, genau diese Fragen alle in eine Reihe zu bekommen, damit zukünftig transparent über eine Rückgabe entschieden wird. Das ist das Einzige, was wir verlangen. Alles Weitere, was Sie hier als „ewig gestrig“ usw. hineinmixen, ist ein bisschen neben der Sache. Ich bitte Sie, in der gesamten Frage Restitutionsentscheidung und Restitutionsrecht nicht ständig die moralische Totschlagskeule zu schwingen.
Das ist das, was gerade Sie, die SPD-Fraktion, in diesen acht Monaten Sonderausschuss getan haben. Immer wenn es heikel wurde, immer wenn es genau darum ging, sich offen darüber auszutauschen, wie man ein für alle Beteiligten sinnvolles Ergebnis hinbekommt, wurde von Ihnen oder von Herrn Zimmermann die Keule herausgeholt. Genau das ist einer der Gründe, weswegen alle Fraktionen, die mit gutem Gewissen in diesen Sonderausschuss gegangen sind und durchaus versucht haben, konstruktiv diesen Prozess zu begleiten, am Ende des Sonderausschusses mit diesen Einlassungen nicht mehr zurechtkamen und mit der entsprechenden Schärfe darauf reagiert haben. Nicht wir haben diese Schärfe hereingebracht, Sie haben das getan!
Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die antragstellenden Fraktionen haben die sofortige Abstimmung beantragt. Die Fraktion der CDU und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünschen die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss, worüber ich zuerst abstimmen lasse. Wer der Überweisung des Antrags Drucksache 16/1403 an die eben genannten Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen, das war die Mehrheit. Enthaltungen? – Wir kommen zur sofortigen Abstimmung über den Antrag selbst. Wer dem Antrag Drucksache 16/1403 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Dann ist der Antrag so beschlossen.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel zu verbinden, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Ich rufe daher auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 16/0910 und 16/1441. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Ausschuss für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz empfiehlt einstimmig – mit den Stimmen aller Fraktionen – die Annahme der Vorlage zur Beschlussfassung mit Änderungen. Wer der Vorlage Drucksache 16/0910 unter Berücksichtigung der Änderungen Drucksache 16/1441 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gegenstimmen und Enthaltungen gibt es nicht, dann ist das einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel zu verbinden, wozu ich keinen Widerspruch
Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III Drucksachen 16/1384 und 16/1443. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfiehlt einstimmig – mit den Stimmen aller Fraktionen – die Annahme der Vorlage zur Beschlussfassung mit Änderungen. Wer der Vorlage Drucksache 16/1384 unter Berücksichtigung der Änderungen Drucksache 16/1443 zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das Gesetz einstimmig beschlossen.