Daher eröffne ich die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel zu verbinden, wozu ich keine Widerspruch höre.
Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 16/0824 sowie 16/1482. Eine Beratung wird nicht gewünscht. Die Ausschüsse empfehlen einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – die Annahme der Vorlage Drucksache 16/0824. Wer der Vorlage zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz angenommen.
Gesetz zur Änderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes (TKBG) – Ermäßigungsanspruch auch für Geschwisterkinder über 18 Jahren, die in der Ausbildung sind
Ich eröffne die I. Lesung der Gesetzesänderung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU in Person von Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Trotz der öffentlichen Zusicherung des rot-roten Senats, im Kindertagesbetreuungsreformgesetz keine Einschränkung für die bestehenden Ermäßigungsvoraussetzungen vorzunehmen, wurde 2005 die Anerkennung von Geschwisterkindern ab dem 18. Lebensjahr im Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz eingeschränkt. Eine Begründung oder ein Hinweis darauf, warum erwachsene, aber noch in der Ausbildung befindliche Kinder nicht wie bisher nach bundesgesetzlichen Regelungen einbezogen werden dürfen, wurde vom Senat nicht vorgelegt. Es stellt sich also die Frage, ob es nur ein gesetzestechnisches Versehen war oder eine bewusste Irreführung – also Wortbruch – und ein weiterer Schritt des Senats zu Maßnahmen der sozialen Kälte und ideologischer Gleichmacherei. – Sicherlich wird ersteres zutreffen, und wir werden noch vor der Sommerpause mit der II. Lesung dieses Gesetzes diese bundespolitisch anormale Gesetzesregelung in Berlin korrigieren.
Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche! – Ich bitte darum, dass etwas mehr Ruhe im Saal einkehrt und dass die notwendigen Erörterungen am
Am besten gehen Sie ganz raus. Das gilt auch für die Damen. Frau Grosse! Führen Sie die Erörterungen hinten! Wer dem Präsidium und dem Redner den Rücken zuwendet, der wird namentlich aufgerufen, es geht nicht anders. – Frau Kollegin, Sie haben wieder das Wort und bekommen die Zeit angerechnet.
Es geht ja nur um Familienpolitik und um die Stärkung der Familien, das ist uns ja nicht so wichtig, wie auch die Begrifflichkeit Familie nicht mehr in der Senatsverwaltung auftaucht.
Auch in der Regierungskoalition kann niemand ernsthaft wollen, dass Eltern keine Ermäßigungen mehr für Geschwisterkinder erhalten, wenn ein zu versorgendes behindertes Geschwisterkind 18 Jahre alt wird, wenn ein Geschwisterkind von über 18 Jahren noch eine weiterführende Schule besucht oder sich in der Berufsausbildung befindet. Berlin hat wenig Familien mit Kindern, die Kinderlosigkeit in Berlin ist hoch, der Anteil der Familien mit Kindern unter 18 Jahren liegt in Berlin bei weniger als einem Fünftel der Haushalte. Es sind in erster Linie Familien, die nicht als Akademiker- oder gut verdienende Haushalte eingestuft werden. Viele Berliner Kinder wachsen unter Armutsbedingungen sowie in Elternhäusern auf, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Im Bundesvergleich leben durchschnittlich knapp 16 Prozent aller Berliner in relativer Armut; der Bundesdurchschnitt liegt bei 11 Prozent. Der Anteil der Haushalte mit Kindern, in denen niemand einer Erwerbstätigkeit nachgeht, liegt mit knapp 16 Prozent ebenfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 9 Prozent.
Im Familienatlas wird Berlin in der Gesamtbewertung zur Gruppe der gefährdeten Regionen gezählt; damit sind in erster Linie die Rahmenbedingungen einer Region gemeint, die aufgrund von schwacher Wirtschaftskraft und ungünstiger demografischer Entwicklung die vorhandenen Stärken in Bezug auf Familienfreundlichkeit gefährden.
Die zentrale Frage ist deshalb, was die Hauptstadt tun kann und tun muss, um familienfreundlicher zu werden und junge Menschen zur Gründung einer Familie zu ermutigen. Ein Problem Berlins liegt – wie der Familienatlas richtig festgestellt hat – vor allem in der schwierigen wirtschaftlichen Lage, die erheblichen Einfluss auf die Situation von Familien und die demografische Entwicklung hat. Hier hat es der Senat bisher nicht geschafft, die positive gesamtdeutsche Entwicklung über eigene Maßnahmen für Berlin wirksam zu nutzen.
Ein zweites Problem ist die Bildungsbenachteiligung vieler Berliner Kinder aus sozial schwachen Familien. Mehr als 10 Prozent der Berliner Schulabgänger haben nicht
einmal einen schulischen Abschluss. Bei Kindern nichtdeutscher Herkunft sind es mit 18 Prozent etwa doppelt so viele. Doch Berlin schließt in seinem System der Hilfen und Unterstützung für bedürftige Familien einfach Kinder über 18 Jahre – die Gott sei Dank den Weg in die Ausbildung geschafft haben – aus dem Kreis der Hilfebedürftigen aus.
Es ist richtig, Bildungsbenachteiligung abzubauen und mehr Geld für Bildungsmaßnahmen bereitzustellen. Aber viel von dem zusätzlich in das System gepumpten Geld lässt am zielgenauen Einsatz zu wünschen übrig. Auch bringen die vielen Hilfemaßnahmen, die im Sinne des Kindeswohls in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert wurden, nicht sehr viel.
Einerseits soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werden, indem ein quantitativer Ausbau der Kinderbetreuungsplätze erfolgt. Andererseits soll jedem Kind eine realistische Chance auf eine optimale Förderung seiner individuellen und sozialen Entwicklung gegeben werden. Doch für die Familien bringt dies unter dem Strich nur wenig Entlastung, wenn am anderen Ende wieder gespart wird. Es kann nicht Sinn und Ziel verantwortlicher Familien- und Sozialpolitik sein, den Bedürftigen Hilfeleistung zu verwehren und staatlich bewirkte Benachteiligung zu erzeugen, die dann wieder als soziale Disparitäten in der Bildungspolitik beklagt werden.
Danke schön, Frau Kollegin! – Jetzt hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Harant das Wort. – Bitte schön, Frau Harant!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Frau Demirbüken-Wegner! Bei aller Sympathie, aber dieser Antrag verstärkt zunehmend den Eindruck, dass die CDU, auf der Suche nach Themen, die sie wieder aufarbeiten kann, in Archiven stöbert.
Das spricht für Ihren Fleiß, aber es lässt den Verdacht aufkommen, dass Sie zu den wichtigen aktuellen Themen zu wenig Einfälle haben.
Da sind Sie im Jahre 2003 – nicht 2005 – bei einem Gesetz fündig geworden, dass den unaussprechlichen Namen trägt „Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz“.
In der damals geführten Debatte, im Ausschuss wie auch im Plenum, spielte dieses Thema übrigens so gut wie keine Rolle. In der abschließenden Debatte am 27. November 2003 im Plenum kam das Wort Geschwisterermäßigung im Beitrag der CDU kein einziges Mal vor. Umso erstaunlicher, dass Sie jetzt – fünf Jahre später – dieses Thema plötzlich zum Anlass für einen Antrag nehmen. Sie wollen zurück zur alten Regelung, das heißt, alle Geschwister berücksichtigen, für die Kindergeld bezogen wird. Das kann bis 25 Jahre gehen.
Das bedeutet erstens einen höheren Verwaltungsaufwand durch zusätzliche Prüfverfahren und zweitens Einnahmeverluste für das Land Berlin, allerdings in sehr mäßiger Größenordnung, denn der Kreis der Betroffenen dürfte relativ klein sein. Insofern ist dieses Thema auch ein relativ unbedeutendes Thema. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie übrigens daran erinnern – vielleicht wissen Sie dies auch gar nicht –, dass 2003 die Geschwisterregelung zwar bei 18 Jahren gedeckelt wurde – das ist Ihre Kritik –, aber gleichzeitig wurde die Geschwisterregelung auf die unterste Einkommensstufe ausgedehnt.
Das heißt, gerade die besonders hilfsbedürftigen Familien wurden damals durch die aktuell geltende Regelung entlastet. Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht rückgängig machen wollen.
Ich kann Ihrer Logik nicht folgen, wenn Sie in der Begründung Ihres Antrags von „Benachteiligung und sozialen Disparitäten“ sprechen, diese haben wir nämlich vor fünf Jahren beseitigt und eine Regelung eingeführt, die alle Familien gleich behandelt.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir müssen und wir wollen die Rahmenbedingungen für Familien insbesondere für Familien mit mehreren Kindern stetig verbessern. Da sind wir uns einig. Ich frage mich allerdings, ob Ihr Antrag dazu entscheidend beiträgt. Der Kreis der Betroffenen dürfte, wie bereits festgestellt, nicht allzu groß sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Danke schön, Frau Kollegin Harant! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Jantzen das Wort. – Bitte schön, Frau Jantzen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe mich gefragt, warum die CDU jetzt mit diesem Antrag kommt und dies nicht damals bei der Änderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes eingebracht hat. Nichtsdestotrotz ist es nicht unlogisch, wenn die CDU jetzt beantragt, dass nicht einfach ein bestimmtes Alter die Grenze ist, sondern es etwas damit zu tun haben sollte, ob die Kinder, für die es eine Ermäßigung gibt, selbst einen Verdienst haben oder nicht. Insofern kann ich das Anliegen im Grundsatz durchaus unterstützen, auch wenn ich denke, dass bei der geringen Zahl der betroffenen Familien hier um diese Zeit nicht gestritten werden muss. Das hätte durchaus Platz im Ausschuss gehabt.
Frau Harant! Nun aber die Kappung beim Alter gegen die Geschwisterermäßigung im unteren Einkommensbereich aufzurechnen, finde ich nicht sehr seriös, weil beide Dinge nicht gegeneinander aufzurechnen sind. Ich kann nur sagen: Es gibt in keinem anderen Bundesland – wenn ich dies richtig gesehen habe – diese Geschwisterermäßigung für alle Kinder, sondern in der Regel ist es so wie früher in Berlin, dass man für Geschwisterkinder eine Ermäßigung bekommt, die in der Kita sind. Das hat eine gewisse Logik, weil für die Kinder die Elternbeteiligung gezahlt werden muss, das heißt eine zusätzliche Belastung für die Eltern damit verbunden ist.
Alles in allem: Wir haben drängendere Probleme, über die wir uns unterhalten sollten, auch im Kitabereich. Das sind eine wirklich gute Sprachförderung von Anfang an – nicht nur im letzten Jahr vor Schulbeginn –, das soll heißen, dass wir einen frühen Zugang der Kinder zur Kita sichern müssen, auch im Hinblich darauf, dass wir Bildungsbenachteiligung abbauen und Armut verhindern wollen. Wir brauchen eine Entwicklung der Kitas zu Kinder- und Familienzentren, gerade im Hinblick auf das angesprochene Thema Kinderschutz und Bildungsbenachteiligung. Wir müssen Eltern sehr früh unterstützen. Wir müssen sie in die Bildung ihrer Kinder besser einbeziehen, damit sie bessere Chancen haben, ihre Zukunft zu gestalten.
In dem Zusammenhang freue ich mich doch, dass wir das Thema Kita heute auf der Tagesordnung haben, denn für eine bessere Bildung in Kindertagesstätten, für einen besseren Zugang wird es morgen die Demonstration des Landeselternausschusses Kita um 14 Uhr geben. Ich hoffe, dass sich viele daran beteiligen und dass wir für eine gute Bildung und bessere Zukunft unserer Kinder in dieser Legislaturperiode noch eine bessere Personalausstattung in den Kitas, den Kitagutschein „Drei plus“ – wo wir auch schon einen Antrag eingebracht haben – zu Wege bringen. – Danke!
Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Für die Linksfraktion hat nunmehr Frau Dr. Barth das Wort. – Bitte sehr, Frau Dr. Barth!