Protokoll der Sitzung vom 26.06.2008

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Erst vor 14 Tagen hat es dieser Senat geschafft, die notwendigen Ausführungsvorschriften für dieses Vorhaben zu erlassen. Dabei hatte die Koalition bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr mit großem Tamtam einen sogenannten Härtefallfonds angekündigt – wir haben es gehört – und die Erhöhung des Essenszuschusses versprochen, was wir im Übrigen schon seit Jahren fordern. Diese Regelung sollte, weil die Mittel dafür auch im Haushalt eingesetzt waren, ab dem 1. Januar 2008 in Kraft treten. Nichts davon ist bei den Schulen angekommen. In der Zwischenzeit sind fast sieben Monate vergangen, und keinen Cent haben die bedürftigen Schülerinnen und Schüler bekommen. Das ist wiederum Ihnen vorzuwerfen. Die Haushaltsmittel liegen vor.

Ich frage an dieser Stelle in diesem Hohen Haus: Seit sieben Monaten wurde kein Cent aus diesen Töpfen bezahlt. Was passiert mit diesen unverbrauchten Mitteln? Landen sie im Rachen von Herrn Sarrazin, im Haushaltsloch? Oder bekommen die Schulen das irgendwie doch? Das möchte ich gerne beantwortet wissen, aber Sie werden das sicherlich nicht beantworten, weil Ihnen das sehr recht ist, dass dieses Geld nicht ausgegeben worden ist. Anders ist Ihr Verhalten nicht zu erklären.

An den Schulen entsteht eine Dreiklassengesellschaft. Es gibt Kinder, die täglich ein warmes Essen bekommen. Und dann kommen Kinder zur Schule, die zumindest eine Stulle von zu Hause mitbringen, aber immer mehr Kinder bleiben den ganzen Tag ohne Essen. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, und das können wir nicht weiter hinnehmen.

[Beifall bei den Grünen]

Am stärksten sind insbesondere Ganztagsschulen in sozialen Brennpunkten davon betroffen. Auch das ist ein Grund dafür, warum wir schnellstmöglich diese Versprechen einlösen müssen.

Das gemeinsam Essen aller Kinder ist nicht nur aus gesundheitlichen Gründen erforderlich. Meiner Meinung nach ist es auch eine bildungspolitische Notwendigkeit. Die Kinder, die den ganzen Tag in der Schule sind, brauchen ein Mittagessen. Acht Stunden ohne Essen hält niemand aus. Das halte ich nicht aus, wie sollen es da die Kinder aushalten. Sie wissen alle genauso wie ich, Herr Zöllner sagt es immer wieder: Mit leerem oder knurrenden Magen lässt sich nicht lernen. – Auch aus bildungspolitischen Gründen darf dieser Zustand nicht weiter beibehalten werden.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie müssen alles Notwendige dafür tun, dass ab dem ersten Schultag im neuen Schuljahr dieses Versprechen eingelöst wird, dass diese Mittel auch bei den Schülern ankommen. Alles andere wird Ihnen dann irgendwann bei den Wahlen zurückgezahlt.

Ich sage auch, dass diese Ausführungsvorschriften, die jetzt vorliegen, kein Grund zur Freude sind, denn – das wurde von Kollegen schon gesagt – sie schränken die Eigenverantwortung der Schule ein. Caterer, die inzwischen erfolgreich mit den Schulen arbeiten, müssen sich an einem neuen Ausschreibungsverfahren beteiligen und werden eventuell hinausgeworfen, weil der Schulträger vor Ort aus finanzieller Not, nicht, weil er Lust und Laune hat, gezwungen sein wird, den billigsten Anbieter zu wählen, den billigsten Caterer zu nehmen, und ob das Qualität bedeutet, das wage ich zu bezweifeln.

Ich mache einen anderen Vorschlag: Wir wissen, was die Schulen brauchen. Wir wissen, wie viele bedürftige Schüler an den Schulen sind. Geben wir die Mittel in die Eigenverantwortung der Schulen und lassen sie vor Ort frei entscheiden, was das Beste für ihre Schülerinnen und Schüler ist! Das ist Eigenverantwortung, und alles andere ist gängelnde Bürokratie, was wir ablehnen.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Kollege Mutlu! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.

Letzter Satz, Herr Präsident: Frau Tesch hat es selbst zugegeben. Vor über einem Jahr haben wir den Antrag der Grünen gehabt und den Finger in die Wunde gelegt. Wir freuen uns, wenn das auch mit deutlicher Verspätung jetzt langsam kommt. Wir fordern den Senator, der jetzt an der Tür steht, auf: Sie sind in der Pflicht. Tun Sie alles, dass das am ersten Schultag funktioniert, Herr Zöllner!

Langer Schlusssatz! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit schriftlich beantwortet und besprochen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

II. Lesung

Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Landesbesoldungsrechts (Fünfzehntes Landesbesoldungsrechtsänderungsgesetz – 15. LBesÄndG)

Beschlussempfehlungen InnSichO und Haupt Drs 16/1538 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0967

in Verbindung mit

Dringliche II. Lesung

Gesetz über ein Berliner Beamtenversorgungsgesetz

Beschlussempfehlungen InnSichO und Haupt Drs 16/1573 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/1313

Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier bzw. zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschriften und die Einleitungen sowie die Artikel I bis IV sowie I und II gemäß Drucksache 16/0967, 16/1538, 16/1313 und 16/1573. – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es folgt nach Absprache unter den Koalitionsfraktionen zuerst ein Redebeitrag der Linksfraktion. – Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lederer!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung über die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Beamtenbesoldungs- und Versorgungsrecht setzt dieses Haus, setzt Ber

lin einen Meilenstein in der Politik gegen die Diskriminierung unterschiedlicher sexueller Orientierungen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mit der Einführung der Lebenspartnerschaft wurde 2001 ein Rechtsinstitut geschaffen, das die gleichen Pflichten konstituiert wie die Ehe, aber nur einen Teil der ehelichen Rechte einräumt. Inzwischen geht die Bundesrepublik einen mühevollen Weg der Angleichung in sehr kleinen Schritten – so in den Jahren 2004 und 2007. Wichtige Aspekte bleiben und blieben unberücksichtigt, etwa im Steuer- und Adoptionsrecht, aber auch die vollständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe im Beamtenrecht. Eine Anhörung im Bundestagsrechtsausschuss in der vergangenen Woche zeigte weitere Ungereimtheiten und Regelungsnotwendigkeiten, die der Gesetzgeber noch zu bewältigen hat. Die Zeit ist reif für eine vollständige Angleichung von Ehe und Lebenspartnerschaft.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Dass das bisher nicht passiert ist, resultiert nicht etwa aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Das war eine politische Entscheidung. Vor allem die Blockadehaltung der Union im Bundesrat hat seinerzeit eine vollständige Gleichstellung verhindert. Aktuell scheint es so zu sein, dass sie möglich und durchsetzbar wäre, wenn nur die Union ihre halbseidene Haltung hierzu überwinden würde, wenn sie es endlich schaffte, über ihren eigenen Schatten zu springen.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion! Sie können nicht auf alle denkbaren Klientele schielen und dazwischen lavieren. Ich möchte nicht in der LSU sein und gleichgeschlechtlich Liebenden erklären müssen, was die eigene Partei in dieser Frage so treibt und redet. Ich bin aber auch nicht in der LSU. Sie müssen sich entscheiden. Sie müssen begreifen, dass es ein bisschen Gleichheit nicht gibt.

Liebe Union! Entweder – oder! Sie müssen deutlich machen, dass Sie gleichgeschlechtliche Lebensweise nicht nur dulden, sondern dass Sie mit uns der Ansicht sind, Lesben und Schwule haben die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Das müssen Sie leisten, nicht mehr und nicht weniger.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle Mut machen. Treten Sie selbstbewusst in das 21. Jahrhundert! Sagen Sie: Wir haben verstanden, wir haben unsere Position geändert, wir stehen tatsächlich für gleiche Rechte für alle! Leider spüren wir immer noch, dass die Union kein Verhältnis zur Lebenspartnerschaft entwickelt hat. Das betrifft sowohl ihr Verhalten in Bundestag und Bundesrat als auch hier im Haus.

Wenn Herr Trapp am 10. April 2008 im Plenum fragt, ob wir uns die Aufhebung dieser eklatanten Ungleichbehandlung überhaupt fiskalisch leisten können, stellt er damit Unrechtsbeseitigung unter einen Finanzierungsvorbehalt. Diese – gelinde ausgedrückt – Kleinlichkeit ist unangebracht, meine Damen und Herren von der Union. Wenn sich Frau Seibeld schnippisch mokiert, mein Engagement sei ja wohl „ein Tätigwerden in eigener Sache“, so zeugt auch das von einem extrem gestörten Verhältnis zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Man muss weder lesbisch noch schwul sein, um sich für gleiche Rechte für alle einzusetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Auch wenn Frau Seibeld jetzt nicht im Raum ist – vermutlich ist sie hinausgegangen, weil sie sich die Abstimmung ersparen will –, interessiert mich, wie sie ausgerechnet bei diesem Vorgang auf die Idee kommt, meine sexuelle Orientierung im Rechtsausschuss zu thematisieren. Wie Sie wissen – das ist im Handbuch nachzulesen –, bin ich weder Beamter noch verpartnert. Wir behandeln im Ausschuss jedoch oft Themen, die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen betreffen, ohne dass Frau Seibeld bislang auf die Idee gekommen wäre, daraus einen Befangenheitstatbestand zu konstruieren. Nicht nur hieran zeigt sich, dass es nicht genügt, für rechtliche Gleichstellung zu kämpfen. Wir müssen uns den gesellschaftlichen Dimensionen von Diskriminierung widmen. Das ist mindestens genauso wichtig. Die Koalition wird das weiter tun. Sie können versichert sein, dass sie dies engagiert und glaubwürdig tun wird.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Berlin ist das erste und bislang einzige Bundesland, das die richtigen Schlussfolgerungen aus einer Diskussion zieht, die seit inzwischen fünf Jahren stattfindet. Die Bundesrepublik hat sich von Anfang an schwer getan, die von ihr selbst verabschiedete Richtlinie zur Gleichstellung in Beruf und Beschäftigung vollständig und befriedigend umzusetzen. Wir in Berlin tun es und zwar als erste und rückwirkend.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2002 festgestellt, dass es keinerlei Pflicht des Gesetzgebers gibt, ein Abstandsgebnot zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft einzuhalten. Mit Blick auf Artikel 3 GG stelle ich fest, dass es eine Pflicht gibt, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen schleunigst zu beseitigen. Daraus folgt ein Gleichstellungsgebot zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft. Privilegien sollen und dürfen nur an den Tatbeständen anknüpfen, die sie besonders begründen. Wer Kinder hat, soll deswegen gefördert werden. Die Ehe verpflichtet weder zum Kinderkriegen noch hindert die Ehelosigkeit am Gebären. Das gegenseitige Einstehen füreinander unterscheidet sich nicht darin, dass es sich ein Mann und eine Frau oder eben eine Frau und eine Frau versprechen. Damit sind alle Gründe für eine Ungleichbehandlung aus den Instituten Ehe und Lebenspartnerschaft nicht tragbar.

Ihre Redezeit ist leider zu Ende!

Ich komme zum letzten Satz: Es ist viel Arbeit geschafft. Mein Dank gilt all denjenigen, die uns unterstützt und begleitet haben. Freuen wir uns heute und nehmen es als Bestärkung, aber kämpfen wir weiter und lassen dabei nicht nach! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Gram – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dr. Lederer! Ich werde Ihnen nicht auf den Leim gehen. Ihr kleinliches parteipolitisches Gezänk ist nicht meine Sache. Die meisten von Ihnen wissen, dass ich für die CDU vor Jahren an der Erweiterung des Diskriminierungsverbots von Artikel 10 GG gearbeitet habe – und zwar in Bezug auf geschlechtliche Einstellungen. Diese Mitarbeit war maßgeblich.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Deshalb stimmen Sie zu?]

Das zeigt meine Haltung und die Haltung meiner Fraktion gegenüber Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

[Evrim Baba (Linksfraktion): Hört, hört!]

Heute diskutieren wir zwei Vorhaben beamtenrechtlicher Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe, die manche Menschen dazu neigen lassen könnten – ich schaue einmal in Ihre Richtung –, ohne Eingehen auf inhaltliche Positionen anderen das Totschlagargument der Diskriminierung entgegenzuhalten oder den gegenseitigen Vorwurf des Verhehlens von Lebenswirklichkeiten zu erheben. Dem soll mein Beitrag in aller Sachlichkeit entgegenwirken.