Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Frau Dr. Barth! Ihre Redezeit ist bereits abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluss!

Das Modell der Familienhebammen sieht aber darüber hinaus die sozialpädagogische Intervention vor, die das Berufsbild und die Qualifikation der Hebamme nicht beinhaltet. Wir werden im Ausschuss über diesen Antrag diskutieren. Wir sind uns bewusst, dass wir unterschiedliche Ansätze haben, aber es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass man diese unterschiedlichen Ansätze ausspricht und akzeptiert.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Dr. Barth! – Das Wort für eine Kurzintervention erhält Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte!

Frau Dr. Barth! Sie sagten selbst: Frühe Hilfen vor Kinderverwahrlosung! Wenn wir uns die Berliner Situation und Landschaft anschauen und in einen Bundesvergleich setzen, brauche ich Ihnen sicher nichts zu der Kinderverwahrlosung in unserer Stadt zu sagen. Sie kennen die Situation ebenso gut wie ich.

Hier wird keine Situation geändert, und es kommt nicht immer etwas Neues hinzu. Es muss eine Struktur geschaffen werden, in der frühe Hilfen – wie Sie richtig sagten – vor Kinderverwahrlosung einsetzen. Das kann mit einem Projekt mit aufsuchender Elternhilfe, wo am Anfang drei Träger vorhanden waren und jetzt nur noch zwei am Werk sind, nicht aufgefangen werden. Das wissen Sie so gut wie ich. Die Zielsetzung einer aufsuchenden Elternarbeit ist nicht vergleichbar mit der einer Familienhebamme. Auch das ist Ihnen bekannt. Ich kann mich erinnern, Frau Dr. Barth, dass wir uns vor dem Plenarsaal über die Einsetzung der Hebammen im Rahmen des Kinderschutzes unterhielten. Da vertraten Sie die Meinung, die Hebammen hätten im Rahmen des Kinderschutznetzwerks nichts zu suchen. Heute finde ich Ihre Einsicht sehr weise, wenn Sie sagen, dass auch die Hebammen ein Teil des Netzwerks sind und eine gesonderte Schulung erhalten müssen. Es kommt nur eine Struktur hinzu, die diese Stadt dringend braucht, damit frühe Hilfe tatsächlich stattfinden kann. So werden uns nicht einige, sondern ganz viele Kinder durch den Rost fallen. Wir lesen davon wie Wetterberichte in den Zeitungen. Das kann nicht das Wahre sein. Insofern bitte ich Sie, unseren Antrag, den wir im Ausschuss sicher fachgerecht besprechen werden, ins richtige Licht zu rücken und nicht in eine Ecke, in die er nicht gehört!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Vielen Dank, Frau Demirbüken-Wegner! – Jetzt hat Frau Dr. Barth die Gelegenheit zu antworten. – Bitte!

Ich will die beiden Projekte nicht noch einmal grundsätzlich erklären. Ich will nur noch einmal auf das Modell der Familienhebammen eingehen. Frau Demirbüken-Wegner, es geht darum, dass die Familienhebammen eine sozialpädagogische Ausbildung erhalten, damit sie entsprechend bei möglichen Kindeswohlgefährdungen vorgehen können. Wir sind der Ansicht, dass das augenblicklich noch nicht ausreichend der Fall ist. Offensichtlich meinen nicht nur wir das. Auf der Bundesebene gibt es dazu weitergehende Untersuchungen und die Möglichkeit, das Modell der Familienhebammen im Zusammenhang mit der Finanzierung weiter zu prüfen. Das ist eine bundesweite Aufgabe. Frau Scheeres sagte bereits, dass sich unser Senator nicht umsonst auf der KMK dafür eingesetzt hat. Die Ansätze sind genau zu prüfen. Es geht nicht um ein Ja oder Nein, sondern darum, dass diese Berufsgruppe diese Qualifikation erhält. Nur so kann das Kindeswohl geschützt werden. Das ist unsere Auffassung.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Barth! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dragowski das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Kinderschutz beschäftigt uns weiter. Der Senat hat bislang nicht alle seine Hausaufgaben gemacht. Zu den vielen Entwicklungsfeldern beim Kinderschutz gehören die Erstkontakte zu den jungen Müttern, die Vermittlung von Hilfsangeboten, die Personalausstattung der Jugend- und Gesundheitsämter sowie die Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Um auf spezielle Problemlagen reagieren zu können, wurde das Modellprojekt „Aufsuchende Elternhilfe“ gestartet. Dass 300 000 € sehr knapp bemessen sind, haben wir hier schon diskutiert. Wenn man aber in die neue Ausführungsvorschrift Kinderschutz schaut, findet man die Pflicht, regelmäßig nach jeder Geburt eines ersten Kindes und im Übrigen, wenn Risikoindikatoren vorliegen, Ersthausbesuche durchzuführen. Aus den Bezirken ist jedoch zu hören, dass diese Aufgabe mit dem jetzigen Personal in den Gesundheits- und Jugendämtern nicht zu leisten ist. Das haben wir zuletzt von Bezirksvertretern in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses vor 10 Tagen gehört.

Zwar steht in der AV Kinderschutz auch, dass die Jugend- und Gesundheitsämter mit ausreichenden Personal- und Sachmitteln auszustatten sind, jedoch – und das zeigt die Kritik aus den Jugend- und Gesundheitsbereichen in den Bezirken – sind wir hier bislang nicht nennenswert weitergekommen. Frühe Hilfen ohne die notwendige Per

sonalausstattung funktionieren nicht. Da wir hier über die Schnittstelle der Bereiche Jugend und Gesundheit sprechen, liegt es an Ihnen beiden, Frau Senatorin Lompscher und Herr Jugendsenator Zöllner, für eine ausreichende Personalausstattung in den Bezirken zu sorgen.

Richtig ist es, auch hier den Integrationsaspekt zu beleuchten und einzufordern. Der Senat scheint sich über die spezifische Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund beim Kinderschutz bislang keine Gedanken zu machen, sei es bei der verbindlichen Vorsorgeuntersuchung oder bei der aufsuchenden Hilfe. Auf die von mir in der letzten Jugendausschusssitzung gestellte Frage, inwieweit beim verbindlichen Einladungswesen für Kinder Migranten besonders angesprochen werden, hat Ihre Verwaltung, Frau Senatorin Lompscher, lediglich berichtet: Wir wollen alle ansprechen, wir wollen niemanden stigmatisieren. – Mir scheint, in Ihrer Verwaltung ist immer noch nicht angekommen, dass man Migranten spezifisch ansprechen muss und dass das überhaupt nichts mit Stigmatisieren zu tun hat.

Mit solch einer Einstellung kann man die unterschiedlichen Zielgruppen in Berlin nicht erreichen. Falls Ihre Verwaltung bislang nicht weiß, dass Migranten besonders angesprochen werden sollten, sollte sie sich andere Bundesländer wie z. B. Hamburg anschauen. Denken Sie hierbei um, und ändern Sie das, Frau Senatorin Lompscher!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

In dem Antrag wird für das Projekt „Pro Kind“ geworben. Diesem Projekt stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Zurzeit läuft das Projekt „Pro Kind“ in Modellprojekten in Bremen, Niedersachsen und Sachsen. Eine wissenschaftliche Begleitforschung des Projektes erfolgt. In der Ausschussberatung sollten wir uns einen Überblick über die bisherigen Forschungsergebnisse verschaffen. Wir Liberale halten grundsätzlich einen Wettbewerb von Projekten für sinnvoll. Wenn wir alle Ergebnisse haben, können wir entscheiden, welche Projekte für die Erreichung unserer Ziele am sinnvollsten sind.

Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zum Kinderschutz sagen: In der Ausführungsvorschrift Kinderschutz wird deutlich, dass beispielsweise Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Partner der Jugend- und Gesundheitsämter beim Erkennen von Kindeswohlgefährdungen sein sollen. Was den Beschäftigten in diesen Einrichtungen jedoch oft fehlt, ist eine Qualifizierung und Fortbildung im Bereich Kinderschutz. Wir Liberale haben bislang ein Aktionsprogramm Kinderschutz gefordert, fordern es heute und werden es auch zukünftig fordern.

Wir wollen erstens Qualifizierungsmaßnahmen intensivieren. Wir wollen spezielle Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu Fachkräften im Kinderschutz. Die Beschäftigten in der Tagesbetreuung sowie die Beschäftigten bei den Trägern der Jugendhilfe brauchen diese Fortbildung. Gerade sie müssen über professionelle Handlungsstrategien und Fachkompetenz verfügen, wenn Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.

Zweitens wollen wir präventive Modellprojekte in den Bezirken. Jeder Berliner Bezirk sollte für den präventiven Kinderschutz ein Modellprojekt mit dem Ziel durchführen, besonders benachteiligte Familien bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Sorge derart zu unterstützen, dass sie einerseits Beratung, andererseits Begleitung und darüber hinaus Unterstützung bei der Suche nach Arbeit und Bildung erhalten.

Drittens fordern wir eine Auswertung früherer Kinderschutzfälle, denn wenn wir die Fehler nicht kennen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, können wir diese Fehler nicht beheben und zukünftig vermeiden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 d:

Beschlussempfehlung

Stellungnahme des Senats zum Bericht der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für das Jahr 2006

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/1472 Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drs 16/0772

Bevor wir in die Beratung eintreten, erteile ich dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit das Wort. – Bitte sehr, Herr Dr. Alexander Dix!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Datenschutz ist in letzter Zeit fast in aller Munde. Die veröffentlichten Berichte über die Ausspähung von Mitarbeitern in Supermarktfilialen oder von Journalisten, die über die Telekom berichteten, erinnern schon in ihrer Diktion fatal an die Sprache der Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit und haben die Öffentlichkeit aufgerüttelt. Allenthalben und mit Recht fordern Politiker aufgrund der massiven Verletzung des Fernmeldegeheimnisses bei der Telekom jetzt eine Stärkung des Datenschutzes. Dazu gehören selbst solche Politiker, die für die drastische Beschneidung von datenschutzrechtlichen Sicherungen im staatlichen Bereich bei gleichzeitiger Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten eintreten.

Wie lange das Interesse der Bundespolitik am Datenschutz anhalten wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass das Berliner Abgeordnetenhaus seit jeher den Datenschutz auch unabhängig von der Aufdeckung skandalöser Zustände und in parteiübergreifender Sachlichkeit in einem eigenen Unterausschuss für Datenschutz und Informationsfreiheit behandelt. Dieser Unterausschuss hat zu meinem Jahresbericht 2006 die neuen Beschlussempfehlungen des Innenausschusses vorbereitet, die Ihnen heute vorliegen. Sie betreffen so unterschiedliche Themen wie das Recht auf Einsicht in Patientenakten, das Sozialgeheimnis in der Eingliederungshilfe, den Datenschutz beim Verkauf landeseigener Unternehmen, die Pläne für eine zentrale Schülerdatenbank für statistische Zwecke, die Datenverarbeitung zur Einziehung der Rundfunkgebühren, den Datenschutz im Strafvollzug, die Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Land Berlin, die Verwendung von polizeilichen Bild- und Tonaufnahmen bei Versammlungen und einen Prüfauftrag an den Senat zur Übertragung der koordinierenden Funktion des behördlichen Informationsfreiheitsbeauftragten an den jeweiligen Datenschutzbeauftragten.

Die Liste dieser Themen macht nicht nur deutlich, wie intensiv sich der Unterausschuss mit den praktischen Problemen des Datenschutzes und der Informationsfreiheit auseinandergesetzt hat, die 2006 festgestellt worden sind. Sie belegt, so meine ich, zugleich die Entschlossenheit aller Fraktionen dieses Hauses, den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Auch dafür bin ich sehr dankbar.

[Allgemeiner Beifall]

In einem weiteren Punkt hatte der Unterausschuss zunächst empfohlen, den Senat zu einer Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Einführung eines Rechts jedes Steuerpflichtigen auf Einsicht in seine eigene Steuerakte aufzufordern. Diese Empfehlung wurde im Innenausschuss zurückgezogen, nachdem sich abzeichnete, dass die Bundesregierung einer entsprechenden Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres durch eine Regelung im Jahressteuergesetz 2009 Folge leisten würde. Inzwischen hat das Bundesministerium der Finanzen es sich jedoch anders überlegt und will die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts offenbar ignorieren. Die ursprüngliche Empfehlung des Unterausschusses wird also wieder aufzugreifen sein.

Die eingangs erwähnten Vorgänge bei der Telekom, die jetzt die Staatsanwaltschaft beschäftigen, betreffen auch mehrere in Berlin ansässige Unternehmen, die für die Telekom gearbeitet haben und der datenschutzrechtlichen Aufsicht meiner Dienststelle unterliegen. Unsere Überprüfungen in dieser Sache stehen erst am Anfang. Dennoch ist bereits absehbar, dass diese Vorgänge unabhängig von ihrer strafrechtlichen Bewertung auch Konsequenzen für das bundesweit geltende Datenschutzrecht ebenso wie für die Datenschutzaufsicht in Berlin haben müssen. Ohne dem Ergebnis der Ermittlungen vorgreifen zu wollen, lässt sich bereits jetzt feststellen, dass über ei

ne grundsätzliche Neuausrichtung des Datenschutzes nachgedacht werden muss.

Neben der überfälligen Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes sind eine strengere Kontrolle der Detekteien, die Schließung möglicher Strafbarkeitslücken, ein bundeseinheitliches Datenschutzaudit, aber auch die Stärkung der externen wie der unternehmensinternen Datenschutzkontrolle geboten. All diese Maßnahmen werden natürlich kriminelles Handeln auch in Zukunft nicht völlig ausschließen, wohl aber wesentlich erschweren.

Ich kann die notwendigen Konsequenzen aus den Ereignissen der letzten Monate hier nur kurz skizzieren, werde sie aber zu gegebener Zeit in konkrete Vorschläge fassen, für deren Umsetzung ich auf Ihre Unterstützung hoffe. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall]

Vielen Dank, Herr Dr. Dix! Diesen Dank möchte ich im Namen aller Mitglieder unseres Hauses aussprechen und bitte Sie, ihn auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzuleiten. – Für die Beratung steht den Fraktionen jetzt jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion, die Linksfraktion. Frau Abgeordnete Seelig hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich diesem Dank auch im Namen meiner Fraktion nur anschließen. Wir beraten heute die Empfehlung des Unterausschusses Datenschutz und Informationsfreiheit. Ich bin sehr dankbar, dass der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Herr Dr. Dix, noch einmal sehr intensiv auf die Skandale für die Ausspähung von Mitarbeitern der Telekom und der Ausspähung von Journalisten eingegangen ist. Das hat aufgezeigt, welchen dringenden Handlungsbedarf es gibt.

Wir waren im Unterausschuss Datenschutz und Informationsfreiheit nicht selten in der Situation, zwischen den unterschiedlichen Standpunkten des Datenschutzes und der Verwaltung zu vermitteln bzw. Entscheidungen zu treffen. Im Selbstverständnis eines Fachausschusses ist unser Hauptaugenmerk natürlich auf die Belange des Datenschutzes gerichtet. Schwierig für uns wird es da, wo wir differierende Rechtsauffassungen nicht als quasi Gericht entscheiden können und wollen. Es ist aber gelungen, in vielen zunächst sehr strittigen Positionen letztlich zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.

Dabei dürfen wir nicht vergessen – ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Datenschutz –, dass es in den Verwaltungen einen immensen Erkenntnissprung gegeben hat. Entsprechend ist es natürlich auch leichter, die Belange des Datenschutzes zu vermitteln.

Bei den meisten Unternehmungen, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Bürgern betreffen, ist es inzwischen selbstverständlich, dass der Datenschutzbeauftragte von Verwaltung und Gesetzgeber frühzeitig mit einbezogen wird. Wenn das nicht so ist, dringen in diesem Unterausschuss alle Fraktionen sehr energisch bei der entsprechenden Verwaltung darauf. Wir haben in Berlin eine sehr komfortable Situation mit einem eigenen Unterausschuss und einem Beauftragten für öffentliche wie private Unternehmen. Das sind gute Voraussetzungen im Gegensatz zu etlichen anderen Bundesländern, um Verwaltungen und Firmen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Trotzdem ist das Umfeld für Datenschutz nicht einfacher geworden. Auf internationaler, europäischer wie bundespolitischer Ebene werden fast im Minutentakt Gesetze erlassen und Abkommen verabschiedet, die Daten der Menschen in einem nie gekannten Ausmaß zusammenführen und vielfältig zugänglich machen. Ich erinnere an die Sicherheitsgesetze, an Vorratsdatenspeicherung, an OnlineDurchsuchungen, an die Offenlegung von Sozialdaten. Als neueste Errungenschaft darf man dabei ELENA ansehen. Das kennen vielleicht noch nicht alle in diesem Haus. Es handelt sich um ein System, das in Zukunft Einkommen, Arbeitsstelle, Sozialdaten und weiteres zu einem riesigen Datenkonglomerat bündelt.

Ich habe es zur Wende als Gewinn für meine persönliche Freiheit angesehen, dass die Personenkennzahlen nach bundesdeutschem Datenschutzrecht abgeschafft werden mussten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Aber auch die Datensammelwut der privaten Unternehmen, deren Verkaufsstrategien immer stärker auf den gläsernen Konsumenten ausgerichtet sind, stellt eine erhebliche Gefahr für das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar. An dieser Stelle muss auch deutlich gesagt werden, dass Bürger oft sehr fahrlässig mit ihren Daten umgehen, sei es, dass sie freiwillig ihre Daten hergeben, um geringe Rabatte zu bekommen, oder am Computer keine Verschlüsselungstechnologie verwenden. Aufklärung und Appell ist also auch noch einmal von dieser Stelle notwendig und heute zumindest auch im Bereich des Möglichen, weil wir dieses Thema unter Prioritäten behandeln und nicht, wie sonst, zu später Stunde.

Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie und zunehmende Mobilität unserer Daten über Handy, W-Lan u. a. bergen neben allen Vorteilen auch Gefahren, deren wir uns auch bewusst sein müssen. Wir verzichten auf unsere informationelle Selbstbestimmung, wenn wir Sicherheitsaspekte nicht genauso ernst nehmen wie den Gewinn an Zeit und Komfort.