Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Ich komme gleich zum Schluss. – Aber eine gerechte wirkungsvolle Sozialpolitik ist mehr als Senator Sarrazin loszuwerden oder Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein.

Frau Villbrandt! Kommen Sie zum Schluss!

Sie haben Versprechen abgegeben. Ihre Programme haben Respekt vor Arbeit versprochen, was Sie hier, wo Sie in der Regierung sind, nicht halten. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Gregor Hoffmann (CDU)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich halte fest: Der Sozialpass ist für Berliner, für einkommensschwache, insbesondere attraktiv, denn Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe, Grundsicherungsrente, Arbeitslosengeld II und Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz sind auch mit eingebunden. Das sind immerhin 700 000 Personen. Das möchte ich an dieser Stelle positiv erwähnen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Frau Villbrandt wirft uns vor, dass einkommensschwache Berliner gar nichts erhalten. Diesen Vorwurf weise ich vehement zurück. Der Sozialpass ist nicht nur Ihnen wichtig, Frau Villbrandt, sondern insbesondere uns, der Koalition. Wir haben uns dafür eingesetzt und werden das Angebot noch ausbauen. Ich habe während der Haushaltsberatungen 2008/2009 keinerlei Vorschläge von Ihnen gehört, wie Sie das Angebot finanziell ausgestalten wollen. Ich bin neugierig – da darf auch einmal geklatscht werden –,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der Linksfraktion]

wie Sie es finanzieren wollen. Ich freue mich ganz besonders auf die kommenden Haushaltsberatungen.

Einige wichtige Punkte, die betrachtet werden müssen, denn nicht alles können wir mit unserem Berliner Haushalt tragen, selbst wenn wir es wollen würden. Es ist fest

festzustellen, dass auf Bundesebene das Wohngeld von 90 € auf 140 €, der Kindergeldzuschlag und BAföG erhöht worden sind. Das alles hilft den betroffenen Personen, die Sie aufgezählt haben. Ich erinnere an dieser Stelle an die Debatte im Ausschuss. Herr Hoffmann von der CDU sagt beispielsweise: Obwohl er die Schwierigkeiten sehe, dass kein System geschaffen werden dürfe, das von immer mehr Menschen genutzt und dann weiter ausgebaut werde, wolle er dem Antrag zustimmen und ergänzt, dass das Problem der Arbeitslosigkeit mit Arbeit gelöst werden muss. – Dem stimmen wir zu.

[Gregor Hoffmann (CDU): Wir auch!]

Es tut sich sehr viel auf dem Berliner Arbeitsmarkt. Ich bitte Sie eindringlich, sich auf einer anderen Ebene einzusetzen,

[Gregor Hoffmann (CDU): Welcher denn? Bei Ihrem Arbeitsminister Scholz?]

nämlich auf Bundesebene, dass wir den Mindestlohn von 7,50 € die Stunde endlich durchsetzen. Klopfen Sie hier nicht nur leere Sprüche!

Ich bedaure es außerordentlich, Frau Villbrandt, dass Sie nicht die Chance genutzt haben, um zu loben, wie weit wir gekommen sind. Ich freue mich darauf, mit Ihnen weiter zu debattieren.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, was RotRot geschaffen hat: Den Familienpass gibt es weiterhin, neu eingerichtet worden ist der Ferienpass für 9 €. Darin gibt es ganz viele Angebote für junge Menschen unter 18 Jahren, auch das hilft den Familien. Beispielsweise können die Bäder-Betriebe kostenlos genutzt werden, das hat Rot-Rot durchgesetzt. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass wir den Sozialpass weiter ausgestalten wollen und dass wir alle Berliner Unternehmen auffordern, daran mitzuwirken.

Ich hoffe, dass wir von Ihnen nicht nur die Kritik zu hören bekommen, wer noch alles berücksichtigt werden müsste, sondern dass Sie anerkennen, dass wir uns gemeinsam im Interesse der Betroffenen sowohl am Arbeitsmarkt als auch bei den Angeboten für Familien mit geringem Einkommen weiter einsetzen. Rot-Rot hat mit dem Sozialpass das richtige Instrument gefunden. Wir bauen das weiter aus. Das, Frau Villbrandt, bitte ich Sie zu berücksichtigen. Ihre Aussage, dass das erst nach fünf Jahren gekommen ist, stimmt so nicht. Das Sozialticket gibt es bereits länger, auch das Kulturticket hat Rot-Rot eingerichtet, jetzt ist das alles im Sozialpass gebündelt. – Ich halte fest: Wir werden diesen Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank Frau Abgeordnete Radziwill! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Frau Abgeordnete Villbrandt!

Meine Damen und Herren! Frau Radziwill! Ich weise es auf das Schärfste zurück, das Sie mir vorhalten, leere Sprüche geklopft zu haben. Ich habe die Situation vieler Menschen dargestellt. Ich habe über ihre Zukunftsaussichten, über ihre Möglichkeiten, überhaupt Arbeit zu finden, gesprochen. Ich habe dargestellt, was das bedeutet. Das sind keine leeren Sprüche.

[Beifall bei den Grünen]

Es geht darum, dass wir in unserer Gesellschaft Arbeit zu wenig anerkennen. Nicht umsonst ist das ein Thema auf Ihren Parteitagen, nicht umsonst sprechen alle Parteivorsitzenden über Respekt für Arbeit. Das hier so abzutun als spiele dieses Thema für Berlin keine Rolle, ist unverschämt. Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der SPD sind nicht gerecht. Wir haben immer mehr Menschen, die deshalb resignieren, weil sie hart arbeiten, ihnen unter dem Strich aber genau so viel Geld verbleibt wie ohne Arbeit. Das ist kein guter Zustand!

Der Sozialpass ist eine Möglichkeit, wie man auf der Landesebene darauf reagieren kann. Ansonsten betrifft es die Bundesebene, das ist mir klar. Aber die wenigen Möglichkeiten auf Landesebene müssen Sie nutzen. Sie sitzen in der Regierung und sind dazu verpflichtet.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Villbrandt! – Frau Radziwill möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte!

Frau Villbrandt! Ihnen persönlich nehme ich es in der Tat ab, dass Sie es aus sozialpolitischer Sicht so betrachten. Aber ich hätte mir zumindest gewünscht, dass Sie bei der Replik erwähnen – wenn Menschen wirklich hart arbeiten, das Geld für den Lebensunterhalt aber nicht ausreicht und sie Unterstützung benötigen –, dass wir den Mindestlohn gemeinsam unterstützen und noch viel mehr auf dem Arbeitsmarkt gemeinsam bewegen wollen. Mir vorzuhalten, dass ich Ihnen leere Sprüche und ähnliches vorwerfe, halte ich für unpassend.

[Zurufe von Ramona Pop (Grüne) und Jasenka Villbrandt (Grüne)]

Ich erinnere an die Haushaltsdebatten: Ihre Haushälter haben uns vorgeworfen, wir würden zu wenig und falsch sparen. Machen Sie doch konkrete Vorschläge! Darauf bin ich wirklich neugierig. Die Debatte jedoch in dieser Art und Weise loszutreten, ist aus meiner Sicht insbesondere für die Grünen ein Armutszeugnis.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Hoffmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin Meine Damen und Herren! Sie haben darauf hingewiesen, was Rot-Rot geschaffen hat, Frau Radziwill. Ich stelle fest: Rot-Rot schafft eines: Probleme, Probleme, Probleme.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Dafür haben wir ja Sie!]

Wenn Sie uns nur ließen, dann würden wir die Probleme lösen! Aber das lassen Sie nicht zu. Sie nehmen es ja noch nicht einmal ernst, wenn die Grünen mit ihrem Antrag auf ein Problem aufmerksam machen, weil Sie ein völlig falsches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit entwickelt haben. Sie wollen das Problem immer nur mit mehr Geld lösen. Diese Alternative jedoch führt in die Irre.

Und deswegen ist es richtig, dass angesprochen wird – – Sie haben mich, das will ich durchaus einmal lobenswert sagen, richtig zitiert. Ich habe nämlich ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Sie nicht mit immer mehr Geld das Problem für die Einkommensschwachen lösen können. Einkommensschwach sind eben nicht nur die, die Sozialleistungen bekommen und dafür auch noch zusätzlich Vergünstigungen, sondern einkommensschwach sind auch viele, die arbeiten gehen und eben nicht in den Genuss von Leistungen kommen, dafür Gebühren bezahlen müssen, beispielsweise für die GEZ. Und dieses Problembewusstsein, gerade vor dem Hintergrund der Familien, haben die Grünen aufgenommen. Das finden wir richtig und unterstützenswert, weil es nämlich deutlich macht, dass man die Menschen nicht in eine Gruppe hineinstecken kann und nur die, die Sozialhilfe beziehen, sind die, die arm dran sind. Sondern da geht es darum, deutlich zu machen, dass es um eine Gesamtproblematik geht, die man anders lösen muss. Und man kann sie nur – mit Verlaub – dadurch lösen, indem man sich ganz klar für Arbeitsplätze einsetzt. Das wäre der richtige Weg: mehr Arbeitsplätze, mehr Engagement; dann brauchen Sie nämlich am Ende weniger Möglichkeiten, um weitere Geldleistungen auszuschütten. Das wäre der richtige Weg, und nicht Ihr vermeintlicher Schrei nach immer mehr und immer mehr für diejenigen, die betroffen sind. Denn denen können Sie diese Versprechen niemals einlösen. Und das ist verlogen, Frau Radziwill!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank; Herr Abgeordneter Hoffmann! – Für die Linksfraktion hat Frau Dr. Schulze das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hoffmann und Frau Villbrandt! Man erkennt Sie ja gar nicht wieder hier im Plenum. Sie sind die Gutmenschen dieses Parlaments geworden

[Beifall des Mario Czaja (CDU): Sehen Sie mal!]

Sie sind ein einsamer Klatscher, Sie merken das! –, und als Gutmenschen wollten Sie auftreten und uns Anträge auf den Tische legen, von denen Sie genau wissen, dass sie in der Umsetzung, wie Sie sie fordern, ziemlich unrealistisch sind.

[Jasenka Villbrandt (Grüne): Warum denn?]

Der Antrag, Frau Villbrandt, ist ein typischer Antrag der Grünen, wo Sie als Gutmensch auftreten wollen, wobei Sie aber genau wissen, dass das, was Sie fordern, in der Art und Weise, wie Sie es einfordern, zum Teil von uns schon in Bewegung gesetzt und gelöst wurde und zum anderen Teil sich gerade im Entwickeln befindet, und dazu könnten Sie eigentlich einen guten Teil mit dazu beitragen.

Verwunderlich ist es in der Tat, das hat Frau Radziwill schon gesagt, dass Ihre Haushälter Ihnen diesen Antrag haben durchgehen lassen. Ich kenne sowohl Herrn Esser als auch Herrn Schruoffeneger aus den Haushaltsberatungen im Hauptausschuss als ganz kühle Rechner, die eigentlich eine goldene Regel als Haushälter verfolgt haben, nur dann Anträge in den Hauptausschuss und das Parlament einzubringen, wenn klar ist, wo die Finanzierung für diese Dinge herkommen soll. Diese Regel haben Sie verletzt. Sie sollten dort noch mal in die Schule gehen und sich beraten lassen.

Nun zum Sozialpass selbst, Frau Villbrandt. Der Sozialpass ist von der Senatorin, vom Senat als Projekt vorgelegt worden, das Konzept steht, und er wird derzeit ausgebaut – mit vielfältigen Angeboten. Das Vorbild war in der Tat das Sozialticket und die sich darum herum gruppierenden Angebote für Erwerbslose und Familienangehörige in dieser Stadt. Diese Angebote sind von vielen Menschen, die bedürftig sind, angenommen worden. Wir wollen sie – daraus können Sie schließen, dass uns dieses Themenfeld besonders wichtig ist – auf viele Angebote erweitern, die zu diesem Sozialpass in Berlin zukünftig dazugehören sollen. Der Pass ist ein einheitlicher, allgemeingültiger Berechtigungsnachweis zur Inanspruchnahme von Ermäßigungen vielfältiger Art, und die sollte man sich, Frau Villbrandt und Herr Hoffmann, im Kontext der Angebote anderer Städte in diesem Land durchaus einmal durch den Kopf gehen lassen, was dort alles als Ermäßigung angeboten wird. Ich finde, da fühlen wir eine hohe soziale Verantwortung, wenn wir uns anschauen, wofür die Ermäßigungen in dieser Stadt gegeben werden:

[Beifall bei der Linksfraktion]

Volkshochschulen, Bäderbetriebe, öffentliche Bibliotheken, Tierpark, Zoo, Kinos, Musikschulen, Museen, die Gärten wie Britzer Garten, Erholungspark Marzahn, die

Mindestkostenbeteiligung im Rahmen der Elternbeteiligung der Tagesbetreuung, Veranstaltungen der Kinder- und Jugenderholung – ein breites Spektrum, das Teilhabe, Bildung, Kommunikation, Gesundheit und Sport als soziale Projekte in dieser Stadt unterstützt. Ich denke, das sollte man eher würdigen, anstatt es immer nur – wie Sie es tun – kleinzureden und dabei die ewig Unzufriedenen zu spielen. Ich finde, das steht Ihnen schlecht zu Gesicht. Das sollten Sie dringend ändern.

Ein Gedanke noch zum Schluss – ich möchte die Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen –: Dieser Sozialpass wird doch nur seine Akzeptanz und Wirkung entfalten, wenn genau das passiert, was wir damit bezwecken wollen. Wir wollen, dass mehr Anbieter und Akteure in dieser Stadt sich zu diesem Sozialpass bekennen und auch die Wirtschaft, die Wohlfahrtsverbände und -vereine ihre Angebote für den Personenkreis, den wir dafür benennen wollen und der ihn nutzen soll, anbieten, und darüber hinaus die Angebotsvielfalt damit erweitern. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulze! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Frau Pop.