Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Mario Czaja (CDU): Genau! Unerhört!]

Dabei stellt sich die Frage, wie man dagegen sein kann, das gesamte Parlament angemessen über die Angelegenheiten der EU zu informieren.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Sind wir ja nicht!]

Dann stimmen Sie doch zu! – Wie kann man dagegen sein, dass Parlament und Regierung gemeinsam das Subsidiaritätsprinzip mit Leben erfüllen? Wie kann man dagegen sein, die Chancen, die Europa für Berlin bietet, besser zu nutzen?

[Mario Czaja (CDU): Hört, hört! – Uwe Doering (Linksfraktion): Niemand ist dagegen!]

Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter als das bloße Muskelspiel einer knappen Regierungsmehrheit. Offensichtlich läuft es nach dem Motto: Herrschaftswissen für sich behalten, denn das erspart unbequeme Nachfragen!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Schlimmstenfalls – und ich befürchte, das ist der entscheidende Punkt – hat der Senat kein Interesse, aktiv ein Stück weit mehr Europapolitik zu machen.

[Oh! von der Linksfraktion]

In Sachen Europa scheint beim Regierenden Bürgermeister der Satz zu gelten: Nicht so viel wie möglich, sondern nur so viel wie nötig! – Besonders deutlich wird das beim Engagement des Senats in Brüssel. Zum Vergleich: Das Berliner Büro in Brüssel hat auf engstem Raum neun Mitarbeiter. Die Vertretung des Freistaats Bayern bei der EU hat hingegen 30 Mitarbeiter plus ein Jahresbudget von 1,3 Millionen Euro. – Nun mag man sagen, dass die Zahl der Mitarbeiter nichts über die Qualität der Arbeit aussagt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Gar nichts!]

Herr Doering! In der Tat leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Berliner Vertretung eine hervorragende Arbeit.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Doch um die notwendigen Netzwerke zu bilden und aufrechtzuerhalten, Fördermittel zu akquirieren und – damit kommen wir wieder zum Punkt – Informationen zu sammeln und zu bewerten, dazu bedarf es eines größeren Engagements des Berliner Senats, um in Brüssel stärker präsent zu sein.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Zurück nach Berlin! Gestern im Europa-Ausschuss stand die erneuerte Sozialagenda der EU auf der Tagesordnung. Keine Frage, das ist ein wichtiges Thema. Die Forderung an die Europäische Kommission, ein stabiles Sozialpaket zu schnüren, ist wohl bei allen unstreitig. Doch es reicht nicht aus, wenn diejenigen, die hier in dieser Stadt die Verantwortung tragen, nur dann die EU-Jacke anziehen, wenn Begriffe wie grenzüberschreitende Betriebsräte oder M-Löhne fallen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Genau! Dann sind wir aktiv!]

Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass der Senat in Sachen Europa neue Akzente setzt. Wie auch? – Wer einen Reformvertrag für mehr Handlungsfähigkeit und mehr

Transparenz ablehnt, wird wohl auch nicht bereit sein, diese Instrumente zum Wohle unserer Stadt Berlin zu nutzen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Michels. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Scholz! Eine kleine Vorbemerkung: Wir haben gestern im Europa-Ausschuss nicht über die erneuerte Sozialpolitik der EU gesprochen, denn die gibt es gar nicht, sondern über das EU-Sozialpaket, weil wir der Meinung sind, dass die EU erst noch sozialer werden muss. Da liegt schon der erste Hase im Pfeffer.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Mario Czaja (CDU): Seien Sie doch nicht so kleinlich!]

Man hat den Eindruck: Alle Jahre wieder! In der letzten Legislaturperiode die CDU, diesmal die FDP! – Wir haben zu den Fragen einer verbesserten Information gegenüber dem Abgeordnetenhaus schon unzählige Male eine ausführliche und ausgiebige Diskussion gehabt – auch in unserem Ausschuss, dem Europa-Ausschuss. Deshalb noch einmal kurz zusammengefasst unsere Position: Wir haben fraktionsübergreifend festgestellt – und, lieber Herr Dragowski, Sie mogeln sich darum immer wieder ein wenig herum –, dass das Petitum Ihres Antrags, nämlich dass mehr Informationen vom Senat an das Abgeordnetenhaus gegeben werden sollen, positiv zu bewerten ist. Sie brauchen also in dieser Frage keine Pappkameraden oder irgendwelche Differenzen zwischen den Fraktionen oder den Parteien aufzubauen, die gar nicht vorhanden sind.

[Mirco Dragowski (FDP): Dann stimmen Sie zu!]

Nein, Herr Dragowski! – Wir stimmen überein: Informationsrechte und -pflichten sind ein hohes Gut in der parlamentarischen Arbeit. Jawohl! Das Parlament muss frühzeitig und rechtzeitig unterricht werden, um auf die Vorgänge Einfluss zu nehmen. Soweit unsere Übereinstimmung!

Aber genau dies war auch der Hintergrund, weshalb wir in Berlin im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern diesen Grundsatz in Bezug auf EU- und Bundesangelegenheiten ausdrücklich und, wie Herr Zimmermann gerade noch einmal durch ein Zitat bestätigt hat, ausführlich und eindeutig in der Verfassung verankert haben. In unserer Verfassung gibt es dazu klare Regelungen. Danach werden alle Vorhaben – der Begriff „Vorhaben“ ist dabei sehr weit gefasst –, die in die Zuständigkeit des Abgeordnetenhauses fallen, von dieser Regelung erfasst. Bei Staatsverträgen besteht sogar eine besondere, ausdrückliche Informationspflicht. Insofern ist die Forderung nach

umfassender Information durch geltendes Recht gewährleistet. Wir sehen daher keine Notwendigkeit einer zusätzlichen einfachen gesetzlichen Regelung.

Zu dem Einwand, den der Herr Abgeordnete von den Grünen brachte: Es ist selbstverständlich richtig, dass man sie auch einhalten muss. Aber die Durchsetzung von Regelungen regelt man nicht über ein neues Gesetz, sondern das können wir immer nur selber tun. Das liegt an uns.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Auch wenn Regierung und Opposition sicherlich in der Bewertung unterschiedlicher Auffassung sind, gibt es bereits heute viele Formen der Informationsweitergabe. Herr Dragowski! Der Senat informiert unseren Ausschuss, der sogar mit einem eigenständigen Initiativrecht ausgestattet ist, um schneller auf aktuelle Vorgänge reagieren zu können.

[Mirco Dragowski (FDP): Was hilft das ohne Infos?]

Der Senat informiert uns in unserem Ausschuss regelmäßig und – wie ich meine – auch verantwortungsvoll und frühzeitig. Wir müssen die Informationen, die der Senat bei uns frühzeitig einbringt, selbstverständlich auch nutzen und in parlamentarische Initiativen ummünzen. Auch wenn es dabei Defizite gibt und manches verbessert werden muss – darüber brauchen wir nicht zu streiten, da haben wir keine unterschiedlichen Auffassungen –, so werden diese Mängel nicht über ein neues Gesetz, sondern im Prozess der Arbeit und der Kritik am Senat ausgeräumt werden können. Insofern ist ein solches, von der FDP vorgelegtes Gesetz nach unserer Auffassung nicht gerechtfertigt. Es ist das falsche Instrument zur Verbesserung und zur Lösung der Aufgaben.

Die Qualität wird nicht automatisch durch ein Mehr an Informationsmaterialien verbessert, denn jedem von uns stehen schon heute ein Fülle von Dokumenten und Informationskanälen zur Verfügung. Vielmehr besteht das Problem eher darin, dass sie aufgrund der Fülle unmöglich – Herr Dragowski, Sie müssten mir schon zuhören! – alle entsprechend behandelt und ausgewertet werden können. Nötig sind gezieltere und nach Schwerpunkten aufbereitete Informationen, und darüber – das wissen Sie – sind wir als Ausschuss bereits mit dem Senat im Dialog.

Nun zu Ihrem neuen Antrag:

Frau Michels! Sie müssen zu Ihrem Schlusssatz kommen.

Ja! – Auch mit diesem Antrag preschen Sie in einer Debatte vor, die wir längst begonnen haben. Wir haben uns im Ausschuss mit der Erklärung der Landtagspräsidenten zur Verbesserung der Europafähigkeit bereits verständigt und vereinbart, diese Debatte fortzusetzen, um konkrete Schlussfolgerungen auszuarbeiten. Insofern verstehe ich

Ihren Antrag als einen Diskussionsbeitrag zu dieser Debatte, auf die ich mich freue und in die wir uns alle in den kommenden Wochen einbringen sollten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dragowski.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kollegin Michels! Ich möchte mit dem Antrag anfangen, den Sie im Ausschuss beraten haben. Die Beratung im Ausschuss erfolgte, nachdem unser Antrag eingereicht war, einen Tag, bevor er im Plenum behandelt werden sollte. Wir haben ihn beim letzten Plenum vertagt. Insofern war es nicht ganz zufällig. Wir haben die Vereinbarung, dass wir über den Punkt sprechen, sobald unser Antrag im Ausschuss ist. Sie sollten das daher nicht unterschlagen.

Einen weiteren Hinweis möchte ich mir erlauben. Die Informationsweitergabe klappt bei Ihnen sicherlich gut. Woher sollen wir jedoch wissen, welche Informationen uns vorenthalten werden, Frau Michels? Das wird ein wenig schwierig. Wenn Sie sich als rot-rote Koalitionsfraktion immer nur an der Verfassung orientieren und auf eine Ausgestaltung verzichten, würde mich das sehr überraschen. Gerade in dem Bereich, in dem es um Rechte der Opposition geht, hoffe ich doch, dass Sie auch dort die parlamentarischen Rechte stärken. Wir bekommen nicht einmal die Vermerke des Berliner Büros in Brüssel. Wir erhalten sie gelegentlich zufällig. Es kostet doch kein Geld.

Ich möchte auch Ihren Kollegen Dr. Lederer aus dem Rechtsausschuss zitieren, der unseren Antrag mit der Begründung abgelehnt hat, dass das Bewusstsein über die tatsächlich benötigten Informationen wichtig sei. Das ist sehr witzig. Wenn wir nicht wissen, welche Informationen uns vorenthalten werden, können wir auch schlecht protestieren. Ich möchte zuletzt noch Herrn Zimmermann ansprechen. Herr Kollege, ich verstehe, dass Sie aus der Verfassung von Berlin zitiert haben! Im Ausschuss haben Sie sich jedoch anders verhalten. Das kann man im Protokoll nachlesen.

Herr Kollege! Wir sind der Auffassung, dass Sie Herrn Zimmermann jetzt nicht mehr ansprechen können.

Gut. Dann sage ich nicht, dass er gesagt hat, es sei ein unausforschbarer Bereich der Exekutive, den es auch geben sollte und den man schützen müsste. Dann belasse ich es dabei. – Vielen Dank!

[Beifall des Abg. Benedikt Lux (Grüne)]

Frau Michels zur Erwiderung, bitte schön!

Lieber Herr Dragowski! Bisher war ich nett zu Ihnen. Das müssen Sie zugeben. Wenn Sie jetzt aber anfangen, weiter Pappkameraden aufzubauen, werde ich langsam doch böse. Ihre Behauptungen treffen nicht zu. Es waren die Koalitionsfraktionen, die zwei Wochen, bevor Ihr Antrag eine Rolle spielte, auf die Liste der zu erledigenden Vorgänge im Ausschuss die Erklärung der Landtagspräsidenten gesetzt haben und gesagt haben, dass im Ausschuss gemeinsam mit dem Präsidenten Momper und dem Direktor Blum über die Fragen der Verbesserung der Europafähigkeit des Parlaments gesprochen werden soll, und das hat stattgefunden. Dann kam Ihr Antrag hinzu. Es haben alle im Ausschuss festgestellt, dass es mit Ihrem Antrag noch Gelegenheit zur weiteren Diskussion gibt. Das kann man im Protokoll nachlesen. Das ist das Eine.

Mir geht es darum, dass Sie hier laufend dokumentieren wollen, wir würden uns verweigern, die Rolle des Parlaments innerhalb der EU nach Inkrafttreten des EUReformvertrages zu stärken. Das ist nicht der Fall. Wir haben uns im Ausschuss ausführlich dazu bekannt und konstatiert, dass dies die nächsten Schritte sind. Wir sind mit dem Senat im Gespräch. Es geht um ganz konkrete Themen, beispielsweise um die Frage, ob Verwaltungsmitarbeiter des Abgeordnetenhauses in Brüssel die Möglichkeit bekommen, Praktika etc. abzuleisten. Das ist das Problem. Sie suggerieren, wir würden uns verweigern. Das ist nicht der Fall.

Ferner sagen Sie, Sie könnten nicht einschätzen, wo Informationen vorenthalten würden. So dämlich sind Sie doch gar nicht. Sie sind ein kluger Abgeordneter, der weiß, welche Informationskanäle heutzutage nebeneinander existieren. Sie können ganz genau verfolgen, wenn der Senat gefragt wird, was im Bundesrat momentan ansteht. Sie erhalten die Tagesordnung des Bundesrats, sie erhalten Unterlagen der europäischen Ebene. Sie können selbst nachschauen und den Finger in die Wunde legen und zusätzliche Informationen anfordern. Nicht ein einziges Mal sind irgendwelche Informationen vom Senat irgendwann verweigert worden. Falls Sie doch den Eindruck haben, müssten Sie es jetzt hier sagen. Aus unserer Ausschusspraxis kenne ich das nicht. Es war auch noch nie so üblich. Ich glaube auch, dass Frau Staatssekretärin Helbig das ganz genauso sieht. Es gibt die Debatte. Lassen Sie sie uns führen, damit Sie sie mit konkreten Schlussfolgerungen untermauern können. Sie meinen, es sei durch ein Gesetz zu regeln. Ich widerspreche dem. Ein Gesetz regelt das nicht.

Ich sage Ihnen, dass Sie am Ende Ihrer Redezeit sind.