Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Die Messe Berlin GmbH hat dringenden Erweiterungsbedarf. Auch wenn Herr Statzkowski mal wieder gut in der CDU-Übung ist, den Standort Berlin systematisch

schlechtzureden, aber tatsächlich laufen unsere Messen hier nicht schlecht: die ITB, die Funkausstellung, die InnoTrans. Das sind alles Messen, die an die Kapazitätsgrenzen stoßen, wo man noch mehr machen könnte, mehr Ausstellern Fläche anbieten könnte, wenn die Kapazitäten vorhanden wären. Die Erweiterungsmöglichkeiten für die Messe liegen vor allen Dingen in Richtung der Deutschlandhalle und des zugehörigen Parkplatzes – absurd übrigens Ihre Behauptung, man würde auf dem Gelände der Deutschlandhalle einen Parkplatz bauen.

Die Deutschlandhalle selbst könnte also, wenn man von der Nutzung ausgeht, vor allem dann weiter bestehen, wenn sie als Messehalle nutzbar oder umbaufähig wäre. Ich muss zugeben, ich habe diese Variante lange Zeit für sinnvoll gehalten und präferiert. Aber nach eingehender Prüfung habe ich erkennen müssen, dass dies keine wirtschaftlich vertretbare Lösung ist. Die baulichen Beschränkungen durch den Baukörper der Deutschlandhalle lassen den Umbau in eine Messehalle nicht sinnvoll erscheinen.

[Elisabeth Paus (Grüne): Die Prüfung würde mich mal interessieren!]

Der architektonische Wert des Bauwerks – Sie sprachen die Dachkonstruktion an – ist nicht so hoch, dass allein deswegen ein so gigantischer Umbau mit danach immer noch suboptimalem Ergebnis für Messezwecke sinnvoll wäre. Daher erscheint mir der Abriss des Gebäudes unter Abwägung aller Aspekte vertretbar, auch wenn das Verschwinden eines weiteren historischen Veranstaltungsortes bedauernswert ist. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Jahnke! – Nun hat Frau Paus für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wo ist eigentlich die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat?]

Die sitzt auf ihren Plätzen. – Bitte schön, Frau Paus!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Statzkowski! Sie wissen, dass das Thema auch uns am Herzen liegt, aber ich finde es ein bisschen schade, dass wir es hier anhand der Großen Anfrage an diesem Tag und bei einer entsprechend geringen Beteiligung der CDU diskutieren müssen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Auch Ihre Geschichtsvergessenheit fand ich ein bisschen schade, denn wenn ich mich noch richtig erinnere, dann fiel zumindest die Planung für den Südeingang, die Sie eben gegeißelt haben, unter einen CDU-Senator. Auch der Vertrag, der erstmalig zu einem Ausschluss der Deutsch

landhalle von bestimmten Veranstaltungen geführt hat, fällt in eine von Herrn Diepgen geführte Senatszeit.

[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion]

Deshalb sollten wir, um besser für die Sache kämpfen zu können, seriös bleiben.

In der Sache haben Sie völlig recht. Es ist ein Skandal. Die Deutschlandhalle gehört nicht abgekoppelt. Am 27. Mai dieses Jahres hat der rot-rote Senat beschlossen, die Deutschlandhalle abzureißen – und das ohne Grund, Diskussion und offensichtlich auch ohne Plan. Denn nach wie vor – Herr Senator Wolf blieb auch heute eine Antwort schuldig – gibt es für den Eissport für die Jahre 2010 und 2011 keine Lösung.

Herr Wolf, Sie sagten, es bestünde kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Sanierung des ICC und der Schließung der Deutschlandhalle. Das ist wahrscheinlich richtig. Einen sachlichen Zusammenhang gab es in der Tat nicht, aber offenbar einen unsachlichen, und den hätten Sie uns darstellen können.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie darauf verweisen, dass die Betriebsgenehmigung der Deutschlandhalle Ende dieses Jahres auslaufe, dann hilft das auch nicht wirklich weiter, denn die war immer zeitlich befristet. Das Einzige, was Sie damit dokumentieren, ist, dass Sie kein Interesse mehr daran hatten. Sie hätten die Betriebsgenehmigung erneut beantragen und verlängern können. Das ist kein Argument.

Ihr Umgang mit dem denkmalgeschützten Gebäude ist nicht nur geschichtsvergessen und unwürdig, sondern auch verantwortungslos gegenüber den Sportlerinnen und Sportlern. Es reißt eine städtebauliche Wunde, ohne eine Vorstellung über eine Nachnutzung des Geländes zu haben. – Auch das müssten Sie eingestehen. – Herr Statzkowski hat zu Recht auf die Stellungnahme des Denkmalrats hingewiesen.

Ganz offensichtlich geht es dem Senat bei der Entscheidung zum Abriss der Deutschlandhalle nicht um die Sache, sondern um ein rein symbolisches Tauschgeschäft. Dafür, dass die Linkspartei auf den Abriss des ICC verzichtet, gibt es den Abriss der Deutschlandhalle, obwohl er gar nicht notwendig ist.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Senator Wolf! Wenn Sie sagen, zehn Jahre lang habe sich niemand für die Messe interessiert, dann ist das unwahr. Auf Druck der Opposition – auch von unserer Seite – gab es in der Grundlagenvereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Messe den Passus –das war in der letzten Fassung so, und ich glaube, das ist verlängert worden –, dass geprüft wird, alternative Veranstaltungsmöglichkeiten für die Deutschlandhalle zu eröffnen. Das ging auch auf unsere Initiative zurück. Natürlich wollten wir dadurch eine Zukunft für die Deutschlandhalle schaffen. Zu sagen, es hätte niemanden interessiert, gilt vielleicht für

den Senat, aber für unsere Fraktion lehne ich das ab. Für uns gilt das definitiv nicht.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich komme noch einmal zum Thema Eissport und Zwischenlösungen: Offenbar gibt es nicht nur ein Problem bezüglich der Frage, wo das stattfinden könnte, sondern auch die Finanzierung des Neubaus ist zwar irgendwie angesprochen, aber noch nicht konkret. Denn auch heute werden wir einen Antrag beschließen, der einen Prüfauftrag enthält und vorsieht, dass die Messe beteiligt werden soll. Wo, wann und mit welcher Finanzierung der neue Standort stehen wird, ist bis heute völlig unklar. Das Einzige, was Sie heute wissen, ist, dass die Deutschlandhalle weg muss – ohne Wenn und Aber. Das ist absurd. Das wollen wir verhindern.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wir wollen die Zwischenlösung, und in der Zwischenzeit wollen wir eine ernsthafte Debatte über die Zukunft der Deutschlandhalle, über alternative Nutzungsmöglichkeiten und vor allem über die Integration des Gebäudes in die Entwicklung des Messestandorts. Ich habe von Ihnen, Senator Wolf, eine aussagekräftige Aussage, was auf dem Gelände der Deutschlandhalle künftig stehen soll, vermisst. Sie haben gesagt, es könne dieses und jenes sein. Es gibt keine Notwendigkeit für den Abriss der Deutschlandhalle. Die wirtschaftliche Situation der Deutschlandhalle haben Sie selbst erzeugt.

Aus meiner Sicht stehen nach wie vor alle Tore zum Erhalt der Deutschlandhalle und zu ihrer Integration in das künftige Messekonzept offen. Das ist unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes möglich. Wir haben das bereits mit Herrn Hosch diskutiert. Natürlich ist die Messe Berlin davon nicht ganz begeistert. Die Unterlagen, die Herr Jahnke scheinbar geprüft hat, liegen uns nicht vor. Wenn Sie ernsthaft der Meinung sind, das sei nicht möglich, dann sollten Sie keine Probleme damit haben, dass diese Unterlagen ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Ich fordere Sie deshalb auf, sie uns zur Verfügung zu stellen. Uns sind sie nicht bekannt. Uns ist nur bekannt, dass es geprüft wurde. Nach Aussage von Herrn Hosch ist es grundsätzlich möglich. Diesen Weg sollten wir einschlagen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Herr Statzkowski hat darauf hingewiesen: Das sieht die gesamte BVV Charlottenburg-Wilmersdorf mit Ausnahme der FDP so. Auch Herr Jahnke sah das einmal so. Herr Jahnke hat heute seine Auffassung zum wiederholten Mal revidiert. Vor drei Monaten haben Sie, Herr Jahnke, noch gesagt, Sie würden für den Erhalt der Deutschlandhalle kämpfen. Heute sagen Sie: Tut mir leid! Ich habe es mir noch einmal überlegt. Das geht so nicht. – Das wird die SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf sicher nicht freuen. Wir werden uns – zumindest gemeinsam mit der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf – weiter dafür einsetzen, der Deutschlandhalle eine Chance einzuräumen. Wir fordern

auch Sie noch einmal auf: Geben Sie der Deutschlandhalle eine Chance!

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin Paus! – Für die Fraktion der Linken hat nun Herr Liebich das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befassen uns auf Wunsch der CDU das dritte Mal im Plenum mit der Deutschlandhalle. Für die CDU war das Thema so wichtig, dass sie dazu eine Große Anfrage eingebracht hat. In weiten Teilen der CDU stößt sie aber offensichtlich auf kein großes Interesse.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Auch bei den anderen Fraktionen ist das Interesse nicht übermäßig, aber da das Thema nun einmal auf der Tagesordnung stand, habe ich mir mit meiner Rede viel Mühe gegeben und werde sie halten.

Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreun.

Das dichtete Ulrich Plenzdorf für die Puhdys als Titellied für den DEFA-Film „Die Legende von Paul und Paula“. Auch wenn es mancher traurig finden mag: Die Zeit für die Deutschlandhalle ist abgelaufen. Es ist an der Zeit, sich von einem Bauwerk mit über 70-jähriger Geschichte zu verabschieden. Es wäre nicht das einzige, dem die Berlinerinnen und Berliner Lebewohl sagen, und wie in jedem Fall fällt das dem einen schwerer und dem anderen leichter.

[Alice Ströver (Grüne): Wie beim Palast der Republik!]

Das ist eine gute Gelegenheit, um einmal zurückzuschauen: Die Deutschlandhalle wurde anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1936 in nur neunmonatiger Bauzeit errichtet und am 29. November 1935 im Beisein von Adolf Hitler eröffnet.

[Oh! von der CDU und den Grünen]

Das war so. Ich habe mir das nicht ausgedacht. – Dort fanden zunächst Sport- und Showveranstaltungen sowie Massenveranstaltungen der NSDAP und ihrer Organisationen statt. Bei den Olympischen Spielen 1936 wurde dort unter anderem das Ringerturnier ausgetragen, bei dem der deutsche Kommunist Werner Seelenbinder Platz 4 belegte.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie wissen sicher, dass er wegen seines Widerstands gegen das Naziregime vom Volksgerichtshof in Potsdam zum Tode verurteilt und am 24. Oktober 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet wurde.

Durch alliierte Luftangriffe wurde das Gebäude 1943 zerstört und nach Kriegsende wieder aufgebaut. Die Deutschlandhalle war von 1957 an Veranstaltungsort von Shows wie „Holiday on Ice“ oder „Menschen, Tiere, Sensationen“. Sie war Vorreiter bei Hallenfußballturnieren und immer wieder Boxarena, z. B. für Muhammad Ali und andere Boxlegenden.

[Andreas Statzkowski (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Statzkowski?

[Zurufe]

Dann fahren Sie bitte fort!