Deswegen haben wir einen Antrag gestellt, der die Bedingungen nennt, unter denen das Gesetz für uns zustimmungsfähig wäre, die wir aber bis zur Stunde in keiner Weise erfüllt sehen.
Finanzsenator Sarrazin, der freundlicherweise am Dienstag bei uns in der Fraktion war und sich der Diskussion gestellt hat, hat deutlich gesagt: Dies ist ein Ermächtigungsgesetz. – Ich bin bei dem Wort zusammengezuckt, aber das war O-Ton Sarrazin. Das „Handelsblatt“ hat auch gesagt, Steinbrück werde mit diesem Gesetz zu einem veritablen Finanzdiktator.
Deshalb ist unsere zentrale Forderung: Das Gesetz braucht klare Gegenleistungen von den Finanzinstituten, Banken, aber auch von den Managern und Vorstandsmitgliedern, die das Land in diese Krise geführt haben. Das muss im Gesetz festgehalten werden und darf nicht in das Ermessen von Kabinett und Finanzminister gestellt werden. Das ist unsere zentrale Forderung an dieses Gesetz, das morgen verabschiedet wird.
Es kann nicht sein, dass von jedem Hartz-IV-Empfänger verlangt wird, dass er sein Vermögen und seinen letzten Spargroschen auf den Tisch legt, bevor er einen Staatsgroschen bekommt, und nach diesem Gesetz wird von den Ackermännern nur eine kleine Bearbeitungsgebühr verlangt, aber keine klare Gegenleistung für all das Geld, das der Staat aus Steuergeldern den Banken und Finanzinstituten übereignen wird. Das darf so nicht sein.
Die US-Amerikaner sind mit ihrem Gesetz viel konkreter geworden. Der Kongress fordert einerseits nach fünf Jahren von den Banken Entschädigungen, wenn der 700-Milliarden-Dollar-Fonds bis dahin nicht zu 100 Prozent refinanziert ist. Dazu soll die US-Regierung ein Gesetz machen, und die Amerikaner verlangen im Rahmen dieser Gesetzesinitiative klare Limits für Managergehälter bei den Instituten, die jetzt Staatshilfen beanspruchen. Warum kämpft der Berliner Senat nicht dafür, dass das auch in das Gesetz kommt, das morgen verabschiedet werden soll. Wir wollen Taten sehen und nicht nur schöne Worte hören.
Zur Beteiligung der Länder: Ich glaube, es ist gut, dass die Länderminister eine Obergrenze von 7,7 Milliarden Euro ausgehandelt haben. Berlin wäre daran voraussichtlich mit maximal 300 Millionen Euro beteiligt. – Wir wissen die konkreten Summen noch nicht. – Berlin wird aber eindeutig schlechter gestellt, denn wir müssen die Folgen der Sanierung der Landesbank tragen. Wir sind die Risikoabschirmung noch nicht los. Das wird auch nicht so einfach werden. Berlin muss für die Sanierung der Bankgesellschaft zu 100 Prozent aufkommen, während die anderen Länder offenbar Hilfe des Bundes erwarten können.
Herr Senator Sarrazin! Sie können nicht so tun, als hätte dieses Gesetz keine echten Auswirkungen auf den Lan
deshaushalt. Da ist mir Ihre Reaktion zu lapidar. Auch wenn die direkten Auswirkungen erst peu à peu zu spüren sind und die vorhin vom Regierenden Bürgermeister genannten 290 Millionen Euro hoffentlich geringer ausfallen, dürfen die Belastungen nicht heruntergespielt werden. Wer das tut, handelt gegenüber den Bürgern, die das letztlich finanzieren müssen, verantwortungslos. Dabei ist es egal, ob die Belastungen im Jahr 2010 oder 2012 kommen. Man muss sie auch in Berlin ernst nehmen.
Zu den Auswirkungen auf Berlin: Wir erwarten vom Finanzsenator, dass wir baldmöglichst eine Abschätzung der direkten Risiken und finanziellen Auswirkungen bekommen, die von der Finanzkrise auf den Landeshaushalt und die Haushalte der landeseigenen Unternehmen ausgehen. Dazu sind Sie uns eine baldige Antwort schuldig, Herr Senator.
Wir sehen, dass die massive Konzentration von Bundesmitteln auf diese Bankenstützung in jedem Fall – egal, wie das ausgeht – der Wirtschaft massiv Mittel entziehen wird. Deshalb müssen wir damit rechnen, dass sich die Rezession auch teilweise durch das verstärkt, was an Stabilisierung geleistet werden soll. Ich sage das nicht als Kritik, aber ich werbe dafür, sich diesen Zusammenhang klarzumachen. Es ist jetzt schon von der Bundesregierung anerkannt worden, dass es zu einem Absinken der Konjunktur auf 0,2 Prozent Bruttoinlandsproduktzuwachs für 2009 kommt. Das wird auf Berlin dramatische Auswirkungen haben. Man muss sagen, dass der Haushalt bzw. die MiFriFi, die Sie aufgestellt haben, heute schon Makulatur sind. Da muss stark nachgebessert und gespart werden.
Das Wort Haushaltskonsolidierung darf und muss man trotzdem in den Mund nehmen. Das sage ich insbesondere in Richtung der Linkspartei,
die sich regelmäßig gegenüber der Presse als Schuldenmacherpartei darstellt. Sie stellt es so dar, als sei es eine großartige Sache, jetzt alle Schleusen zu öffnen. Das darf in Berlin nicht passieren. Wir wissen, dass wir sowieso enorme Risiken ab dem Jahr 2010 haben, auch wenn es mit der Wirtschaft gut geht. Berlin muss auch in dieser Legislaturperiode weitere Sparleistungen erbringen, gerade wenn wir die sinkende Konjunktur und die Auswirkungen dieses Gesetzes ertragen wollen. – Ich will heute keine wirtschaftspolitische Debatte führen, aber Sie müssen endlich ehrlich sagen, was Sie wollen: Wollen Sie die Haushaltskonsolidierung ernst nehmen oder nicht?
Ein letzter Punkt: Es war etwas nonchalant, wie der Regierende Bürgermeister den Umgang mit der Föderalismuskommission II angekündigt hat.
Nein, hat er nicht. Aus grüner Sicht sagen wir deutlich: Gerade weil wir aktuell in einer Ausnahmesituation sind, halten wir es für besonders wichtig, dass für das normale
Wirtschaften endlich eine Schuldenbremse eingeführt wird, zu der sich die Länder verpflichten, und den Ländern im Gegenzug eine Art Altschuldenhilfefonds zugute kommt, insbesondere dem Land Berlin.
Ich halte es für einen großen Fehler, das einfach zu zerreden. Ich hoffe auf das, was Finanzsenator Sarrazin in der Fragestunde gesagt hat, nämlich dass er das weiterhin unterstützen wird. Ich bitte den Regierenden Bürgermeister, sich auch dafür starkzumachen, dass diese Arbeit nicht einfach in den Papierkorb geworfen wird.
Wir hoffen, dass bis morgen noch in diesem Sinn nachgebessert wird. Wir werben bei allen Beteiligten um Zustimmung zu unserem Antrag, der diese Bedingungen sehr konkret benennt. Das ist im Interesse unseres Landes, der Gesellschaft und der Bürger.
Danke schön, Frau Eichstädt-Bohlig! – Für die Linksfraktion hat nun die Fraktionsvorsitzende Bluhm das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 500 Milliarden Euro Bürgschaften und Finanzmittel in Deutschland, 2 Billionen Euro in Europa – binnen einer Woche hantiert die Politik in diesem Land mit finanziellen Größenordnungen, die sich die meisten Menschen in diesem Land gar nicht vorstellen können. Die meisten wollen wissen, was mit ihren Ersparnissen und ihrem Arbeitsplatz passiert. Wie konnte das alles passieren? Wie konnte dermaßen viel Geld im real existierenden Kasinokapitalismus verzockt werden, wo schon die Kassiererin entlassen wird, wenn sie 1,30 Euro beim Flaschenpfand falsch berechnet?
Es ist unfassbar, dass der Staat und somit der Steuerzahler, wir alle, die Zockerzeche bezahlen müssen, damit nicht noch schlimmere Dinge passieren. An dieser Stelle dürfen wir sagen, dass diese Entwicklung nicht vom Himmel gefallen ist. Die letzten 10 Jahre standen im Zeitalter der Deregulierung der Finanzmärkte. Mehr Markt, weniger Staat, die Verunglimpfung und Verniedlichung sowie die Verhöhnung des Staates als Regulierer, die Frage nach 25 Prozent Rendite tatsächlich als Leistungsmarsch für den Finanzsektor auszurufen, das alles hat doch dieses Land geprägt.
So mancher fühlt sich erinnert an die Zeit im April 2002, als wir die Entscheidung im Abgeordnetenhaus „zwischen Pest und Cholera“ zu treffen hatten, als wir eine Bürg
schaft über 21 Milliarden Euro übernehmen mussten, um kleine und mittelständische Unternehmen zu sichern und Arbeitsplätze zu retten. Wir haben diese Entscheidung getroffen. Wir haben sie aus eigener Kraft auch schultern müssen, was auch Geld geben in diese Bank bedeutet hat. Wiederholt sich nun Geschichte, nur zwei Nummern größer?
Wie auch damals bei der Bankgesellschaft sind die Probleme nicht vom Himmel gefallen, und es gab Mahner: Ja, auch Oskar Lafontaine, der 1999 für seine Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte national wie international gemobbt worden ist, aber auch den neuen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft, und auch Horst Köhler hat die Finanzmärkte als Monster bezeichnet und Regulierung verlangt. Leider ist aber nichts passiert, es wurde nicht gehandelt, auch nicht in dem Sinne, wie er warnend formuliert hat.
Und schauen wir mal, was für einen Beitrag da Rot-Grün 2004 geleistet hat. Frau Eichstädt-Bohlig! Der wäre viel sinnvoller und viel entscheidender für die gesamte Bundesrepublik gewesen. Sie haben 2004 unter Rot-Grün die Hedgefonds und Derivate genehmigt.
Auf der anderen Seite ist es Ihnen nicht gelungen, einen Gesetzentwurf zur Managerhaftung tatsächlich über die Bühne zu bringen. – Es ist interessant, wie Sie jetzt reagieren. Als die Betroffenen protestiert haben, ließen Sie das Gesetz fallen. Schauen wir in die Koalitionsvereinbarung von Rot-Schwarz, in die aktuelle. Dort wird gesagt, dass Kreditverkäufe natürlich erlaubt sind sowie eine Finanzaufsicht mit Augenmaß. Wir wissen jetzt, wie wir das zu verstehen haben. Wie wollen wir an dieser Stelle Unternehmen und Bürgern erklären, die penibel auf Liquidität und Eigenkapital geprüft werden, bevor sie einen Kredit erhalten, dass all diese Regeln für die Finanzmärkte nie galten? Diese Regeln haben sich die Finanz- und Investmentbanker selbst nicht gegeben. Das Geld konnte frei international kursieren. Es gab keine nationalen oder europäischen Regeln, an die sie hätten gebunden sein können. Das ist doch die entscheidende Frage, die wir hier beantworten müssen. Das ist die Frage, die an das Rettungspaket der Bundesregierung gekoppelt ist. Es gibt eine Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler, die Regulierung der Finanzmärkte nicht nur zu versprechen, sondern auch alles dafür zu tun, dass national und international und europäisch dieses Vorhaben umgesetzt wird. Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung.
Das ist nicht verantwortbar. Es gibt keine Rettung ohne Garantien. Wir brauchen den Ausbau eines Sicherungsfonds der privaten Geldinstitute. Wir sehen jetzt, dass es diese in keinem relevanten Maß gibt. Deshalb muss der Steuerzahler eintreten. Wir brauchen den Ersatz der privaten Ratingagenturen durch öffentliche Bewertungsinstitute. Wir brauchen einen TÜV für Finanzierungsinstrumente. Wir brauchen die Genehmigung von neuen Finan
zierungsinstrumenten. Wir brauchen das Verbot von Hedgefonds und anderen hochspekulativen Finanzierungsinstrumenten. Wir brauchen die Schaffung einer europäischen Agentur zur öffentlichen Kontrolle der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Banken und Finanzinstitutionen.
An dieser Stelle will ich ganz klar kritisieren, was vor der Runde mit den Ministerpräsidenten im Gespräch war und auf welche Art und Weise sich die Bundesregierung vorstellt, Einfluss auf Banken zu nehmen, die sie finanziell stützen will und denen sie Kapital geben will, das sie selbst aufnehmen muss. Genussscheine sind es ganz bestimmt nicht. Das hört sich zwar gut an, aber das ist keine Form von Einflussnahme, die eine Beteiligung am Unternehmen, eine Einflussnahme, eine Kontrolle und im günstigsten Fall auch einen Ertrag sichert.
Das kann nicht der Weg sein, mit dem wir dann die großen Sprüche der Einflussnahme auf das Finanzkapital operationalisieren. Ohne tatsächlich Eigentumsrechte zu erwerben, kann hier kein Einfluss geltend gemacht werden. Ohne Einfluss geltend zu machen, ist die Finanzierung durch Steuermittel des Bundes, der Länder und der Steuerzahler nicht gerechtfertigt.
Die größte staatliche Rettungsaktion der Nachkriegsgeschichte ist auch eine Reaktion auf die drohende größte wirtschaftliche Krise der Nachkriegsgeschichte. Die Rettungsmaßnahmen als solche sind unumgänglich, auch wenn es ein sehr mulmiges Gefühl ist und wenn es einen sehr wütend macht, dass diejenigen, die das Fiasko die ganze Zeit ignoriert und alle Warnungen in den Wind geschlagen haben, nun trotzdem Hilfe bekommen.
Trotzdem ist es klar, dass das Rettungsgesetz schnellstmöglich Bundestag und Bundesrat passieren muss, damit nicht weitere Bankpleiten geschehen und Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Wir sind uns einig, dass das Gesamtpaket sinnvoll ist, und sagen dennoch, dass es Regeln geben muss. Wir müssen diese Chance nutzen, ein neues Sicherungs- und Aufsichtssystem zu installieren.