Wir müssen deshalb ein Verständnis für eine moderne Tarifpolitik entwickeln, und das tut dieser Senat nicht.
Ihre Tarifpolitik ist und bleibt eine strukturkonservative Almosenpolitik. Sie haben es nicht geschafft, das drängendste Problem, das wir im Personalbestand des Landes Berlin haben, eine vernünftige Personalentwicklung, zu lösen und die Lösung mit diesem Abschluss zu verknüpfen. Wir wissen doch, wie viele Beschäftigte den Personalkörper des öffentlichen Dienstes in den nächsten Jahren verlassen werden, und Sie haben keine Ahnung, wie Sie diesen Verlust an Erfahrung und Kompetenz ausgleichen wollen. Die Zeche wird wieder einmal die Bevölkerung des Landes zahlen.
Zu einer umsichtigen Personalpolitik gehört auch, eine Anerkennungskultur zu schaffen, die zu guten Leistungen motiviert. Sie haben im vergangenen Jahr systematisch das Gegenteil getan.
Wir wissen genau, dass wir im März 2010 mit einem Schlag zehn Prozent mehr Gehalts- und Lohnkosten im Budget des Haushalts haben werden und dass das Land Berlin diese Last kaum schultern können wird. Es wird
uns nichts anderes übrigbleiben, als die Verwaltung zu verschlanken und die Ressourcen effektiver zu nutzen. Jetzt weiß ich schon, dass die Linkspartei gleich wieder schreien wird: Ihr wollt ja nur Personal abbauen. – Ich sage Ihnen: Ihre Zahl von 100 000 für den Personalbestand ist genauso idiotisch wie die Zahl 93 500. Wenn es nicht endlich gelingt zu definieren, welche Aufgaben dieses Land noch übernehmen soll und wie viel Personal es dafür braucht, dann führt Ihre Streiterei in die Sackgasse. Davon wird dieses Land überhaupt nichts haben. Wir müssen endlich dazu übergehen, einen vernünftigen Personalkörper mit einer vernünftigen Aufgabenstruktur aufzubauen, damit die Aufgaben erfüllt werden können, die die Bevölkerung in diesem Land erfüllt haben will.
Herr Albers! Ich weiß, dass Sie gern über das Wesentliche in Presseveröffentlichungen hinweglesen. Ich sage es Ihnen gerne noch einmal: Sie bauen erst einmal Personal bis auf 100 000 ab. Herr Wolf und Ihre Fraktion haben das die ganze Zeit über vertreten. Herr Sarrazin hat eine Zahl von 93 500 dagegengesetzt. Ihre Zahl ist genauso idiotisch wie die von Herrn Sarrazin, weil wir im Land endlich eine vernünftige Aufgabenkritik und einen vernünftig untersetzten Personalkörper brauchen. Das ist die Aufgabe, vor der Sie sich drücken.
[Beifall bei den Grünen – Beifall von Mario Czaja (CDU) und Christoph Meyer (FDP) – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]
Wir haben mit den Beschäftigten sehr wohl darüber diskutiert. Wir haben es in der Personalrätekonferenz mit ihnen diskutiert. Auch von ihnen kommt diese Forderung. Aber Sie ignorieren, was aus dem Personalkörper und den Personalvertretungen kommt. Ihr Ziel ist es eher, sie kleinzumachen und aus den Diskussionen herauszuhalten.
Was uns der Senat vorgelegt hat, bleibt Stückwerk. Sie haben die Frage der Beamtenbesoldung völlig ausgeblendet. Sie sagen selbst, dass das, was auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgelegt wird, den Beamten vorenthalten bleibt. Damit haben Sie schon wieder das nächste Problem. Wie wollen Sie mit den jungen Lehrerinnen und Lehrern in diesem Land umgehen? Sie haben keine befriedigende Lösung für diejenigen, die sich mit dieser Gehaltsstruktur nicht mehr zufriedengeben, die sich – erfahrbar – langsam von diesem Land abwenden. Das heißt nicht, dass man einfach in die Geldkasse fasst und ihr Gehalt aufbessert, aber man muss zumindest ein Ziel und eine Perspektive formulieren, damit sie damit umgehen können.
Sie meinen vielleicht, in dieser Auseinandersetzung als Sieger vom Platz gehen zu können, aber wie Sie mit den
Gewerkschaften umgegangen sind, ist kein Ausdruck von partnerschaftlichem Umgang, der in der Tarifpolitik mittlerweile auch bei Ihnen Eingang gefunden haben soll. Wenn man sich einmal durchrechnet, was die Tariferhöhung das Land jetzt kostet und was Sie durch die Streiktage eingespart haben, wird man dahin kommen, dass das, was Sie jetzt als Tariferhöhung aus der Kasse darauflegen, genau der Betrag ist, den die Gewerkschaften aus ihrer Streikkasse gezahlt haben, und dafür ist das Ergebnis, das Sie erzielt haben, mehr als mager.
Wir hätten nichts dagegen gehabt, wenn Sie einen veritablen Streit vom Zaun gebrochen und ein eigenes Profil entwickelt hätten, wie sich dieses Land tarifpolitisch aufstellen soll. Aber Sie haben nichts anderes gemacht als uns monatelang zu erzählen, dass in diesem Tarifvertrag kein Spielraum ist, um Verhandlungen anzufangen, um uns jetzt zu sagen, dass es dennoch geht, ab Juni 2009 jedem Einzelnen 65 Euro in die Tasche zu packen. Da haben Sie dieser Stadt einen Bärendienst erwiesen. Sie haben es vermieden und versäumt, eine klare, auf die Zeit nach 2010 ausgerichtete Tarifstruktur im Land zur Disposition zu stellen. Wir werden 2010 alle bitter aufwachen. Diese Chance haben Sie verspielt, und das zeigt mal wieder, dass Sie nicht in der Lage sind, für diese Stadt eine zukunftsorientierte Politik zu entwickeln. Dafür werden wir alle noch einmal bitter die Zeche zahlen, und dafür werden Sie die Verantwortung zu tragen haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Müller das Wort. – Verehrter Herr Müller! Bevor ich Ihnen das Wort gebe, lassen Sie mich eine Begrüßung vornehmen. Ich freue mich sehr, dass uns eine Reihe hochrangiger russischer Politiker – darunter drei DumaAbgeordnete – zuhören. – Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie Berlin besucht haben. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Zeit, und ich hoffe, wir werden uns bald wiedersehen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten war eine Aktuelle Stunde so aktuell wie diese und auch selten so erfreulich. Gestern Abend gegen 19 Uhr konnte nun ein Tarifvertrag unterschrieben werden, der beinhaltet, dass nach den Einmalzahlungen von 300 Euro im Jahr 2008 nun für das Jahr 2009 ab der Jahresmitte ein Sockelbetrag in Höhe von 65 Euro an die Beschäftigten gezahlt werden kann. Ich glaube, dieses oder ein ähnliches Ergebnis wäre früher möglich gewesen, wenn die Gewerkschaften im Sommer nicht den Verhandlungstisch verlassen hätten und wenn sich die drei verhandelnden Gewerkschaften
darin einig gewesen wären, was sie durchsetzen wollen und welche Politik sie verfolgen. Dann hätte der Streik, der die Berlinerinnen und Berliner belastet hat, vermieden werden können.
Aber das ist Schnee von gestern. Der jetzt verhandelte Kompromiss ist gut für alle Beteiligten. Es ist schwer gewesen, zu diesem Ergebnis zu kommen, das ist kein Geheimnis. In den letzten Tagen und Wochen hat es auf den unterschiedlichsten Ebenen viele Hintergrundgespräche gegeben, um zu klären, ob man zueinander finden kann, aber es ist ein guter Kompromiss gefunden worden, und er ist in allererster Linie für die Stadt und für die Berlinerinnen und Berliner gut, denn dieser Streik war eine große Belastung für viele,
insbesondere für diejenigen, die die Dienstleistungen in Anspruch in den Kitas und in den Bürgerämtern nehmen wollten und mussten. Es ist gut, dass es ein Ende gefunden hat.
Der Kompromiss ist gut für die Beschäftigten und für die Gewerkschaften, weil er den Beschäftigten und den Gewerkschaften Planungssicherheit bis Ende 2009 bietet und weil er ein erster Schritt in Richtung Tarifangleichung an bundesweite Entwicklungen ist. Er ist auch ein erster Schritt für die Gespräche, die Ende 2009 in Zusammenhang mit dem Auslaufen des Solidarpaktes gesucht werden müssen.
Aber dieser Kompromiss ist auch ein gutes Ergebnis für den Senat, weil er seriös und finanzierbar ist.
Herr Kollege Ratzmann, deshalb habe ich eben gar nicht verstanden, was Sie gesagt haben. Sie tun immer so, als ob das nichts wäre, was jetzt verabredet wurde. Allein für die Angestellten bedeutet das konkret gut 20 Millionen Euro, die finanziert werden müssen.
Der Senat hat in den letzten Monaten mehrfach das Gespräch gesucht. Der Innensenator hat immer wieder das Gespräch angeboten. Im Sommer hat es ein Verhandlungsangebot gegeben, und die Gewerkschaften haben es ausgeschlagen. Da können Sie doch nicht sagen, dass all das nichts wert sei und dass der Senat überhaupt nicht verhandeln wollte und irgendwann der große Hammer kommen wird, der zu finanzieren ist. Nein! Es war Aufgabe des Senats, genau zu schauen, was man sich leisten kann und was nicht. Auch vor dem Hintergrund ist es ein gutes Ergebnis, das abgeschlossen werden konnte, weil es eben noch ein finanzierbarer Abschluss ist, Herr Kollege Ratzmann!
Ich bitte, das in diesem Zusammenhang immer mitzubedenken: Die Gehaltsabsenkungen 2003 sind doch nicht aus Böswilligkeit verabredet worden, sondern wegen der besonderen Lage, in der sich Berlin nun einmal finanzpolitisch befunden hat und immer noch befindet. Ich habe die Zitate hier, wie Frank Bsirske das ausdrücklich würdigt und sagt, er steht zu diesem Solidarpakt, weil kein anderes Bundesland in einer vergleichbaren Situation ist. Und es ist so – ich will das heute noch einmal betonen –: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben mit diesem Gehaltsverzicht einen großen Anteil daran, dass diese Konsolidierungslinie in Berlin so verfolgt werden konnte. Dafür gebührt ihnen auch unser Dank, das sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich.
Aber ich betone auch, dass die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften dafür etwas bekommen haben: eine Arbeitszeitverkürzung und eine Beschäftigungsgarantie über sieben Jahre. Das wird mitunter nur beiläufig behandelt oder vergessen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Stadt würden sich danach sehnen, sieben Jahre eine Beschäftigungsgarantie an ihrem Arbeitsplatz zu haben. Auch das konnte damals verhandelt werden.
Auch das wurde im Jahr 2003 von Susanne Stumpenhusen ausdrücklich gewürdigt. Ich glaube, sie hat recht, wenn sie das ausdrücklich würdigt.
Die Finanzen konnten sich seitdem positiv weiterentwickeln, und deswegen ist es auch richtig, dass ein Teil dieses finanzpolitischen Erfolgs an diejenigen zurückgegeben werden kann, die dazu beigetragen haben. Aber die Konsolidierung darf nicht gefährdet werden. Ich will es noch einmal klar sagen: Wir sind noch längst nicht über den Berg. Wir haben in Berlin nach wie vor knapp 60 Milliarden Euro Schulden. Der Solidarpakt Ost – also die Bundeshilfen für Berlin und andere Bundesländer – wird Schritt für Schritt in Milliardengrößenordnungen zurückgefahren, und die globale Finanz- und Wirtschaftskrise wird mit Sicherheit in den nächsten Jahren auch in Berlin ihre Spuren hinterlassen.
Es gab keine Pflicht, vorfristig, vor Ende 2009, zu einem Tarifabschluss zu kommen. Der Solidarpakt war und ist unsere gut verhandelte Grundlage, aber, Herr Kollege Ratzmann, es war doch vernünftig, sich jetzt aufeinander zuzubewegen. Man hat den Eindruck, dass Sie – vielleicht auch einige andere von der Opposition – im Moment die Einzigen sind, die sich nicht darüber freuen können, möglicherweise, weil Ihnen nun ein Thema abhandengekommen ist, weil der Senat wieder einen großen Konflikt in der Stadt abgeräumt hat. Das ärgert, das kann ich verstehen.
Wenn Sie sagen, dass der Senat nicht in der Lage sei, eine zukunftsweisende Tarifpolitik zu machen, dann muss es doch – bevor ich diese zukunftsweisende Tarifpolitik formuliere – damit beginnen, dass ich einmal die Grundlagen formuliere. Da interessiert mich, was die Grünen wollen. Sie sagen immer: Personalabbau! – Was wollen Sie denn? 100 000, 93 000? – Was will der Senat? – Wir haben uns im Koalitionsvertrag eindeutig auf die 100 000 geeinigt. Das können Sie alles nachlesen. Was wollen die Grünen eigentlich an der Stelle? Das wäre doch einmal interessant. Soll der Personalabbau weitergehen, ja oder nein? Was wollen Sie bei dem Thema Solidarpakt? Wollen Sie ihn verlängern mit der Gehaltsabsenkung von 10 Prozent, die eine Zumutung für die Arbeitnehmer ist, ja oder nein? Wollen Sie Privatisierungen mit Personalabbau im öffentlichen Dienst und bei den landeseigenen Unternehmen, ja oder nein? Beziehen Sie bei diesen Punkten doch einmal Stellung! Dann kommt man auch einen Schritt weiter.
All das, was sich in den letzten Wochen und Monaten abgespielt hat, ist alles anderes als Basta-Politik, und es ist auch keine Strategie gegen die Gewerkschaften. Alles Quatsch! Es ist so – das kann man nicht wegdiskutieren –, dass der Senat eben nicht Maximalforderungen bezahlen kann. Der Senat hat selbstverständlich die Tarifentwicklung auf Bundesebene, in anderen Ländern und auch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in der Stadt im Blick und berücksichtigt. Das ist doch ganz klar. Der Senat, und insbesondere die SPD, hat sich schon in den letzten Monaten für einen Sockelbetrag engagiert, weil er konkret denjenigen hilft, die es nicht so dicke haben, die kein hohes Einkommen haben. Für die ist es eine spürbare Gehaltsverbesserung, 50, 55 oder jetzt sogar 65 Euro jeden Monat obendrauf zu haben. Das ist eine Einkommensverbesserung, die nachhaltig und sogar rentenwirksam ist. Das ist der richtige Weg, und dafür haben wir uns im Sommer engagiert.
Dieser Abschluss, den wir jetzt haben, ist ein Abschluss mit Augenmaß. Er beweist, was verantwortungsvolle Politik für die Stadt bedeutet. Es ist eine Politik für die ganze Stadt, aber auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Er ermöglicht uns auch, in Zeit und Ruhe die Gespräche zu suchen, wie es nach 2009 weitergehen soll. Denn aus unserer Sicht ist klar – von Ihnen haben wir dazu noch keine Antwort gehört –, dass es zu einer Rücknahme der Absenkung nach dem Jahr 2009 kommen soll. Wir müssen mit Sicherheit auch über längerfristige Lösungen miteinander diskutieren. Wir müssen über die bundesweite Tarifangleichung diskutieren. Wir müssen über die Laufzeit eines neuen Vertrags, über einen Einstellungskorridor, über die Arbeitszeit diskutieren. Auch – und da haben Sie völlig recht – muss die Aufgabenkritik eine Rolle spielen. Selbstverständlich muss auch das bei den nächsten V ertragsverhandlungen diskutiert werden.