Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Dieser Abschluss, den wir jetzt haben, ist ein Abschluss mit Augenmaß. Er beweist, was verantwortungsvolle Politik für die Stadt bedeutet. Es ist eine Politik für die ganze Stadt, aber auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Er ermöglicht uns auch, in Zeit und Ruhe die Gespräche zu suchen, wie es nach 2009 weitergehen soll. Denn aus unserer Sicht ist klar – von Ihnen haben wir dazu noch keine Antwort gehört –, dass es zu einer Rücknahme der Absenkung nach dem Jahr 2009 kommen soll. Wir müssen mit Sicherheit auch über längerfristige Lösungen miteinander diskutieren. Wir müssen über die bundesweite Tarifangleichung diskutieren. Wir müssen über die Laufzeit eines neuen Vertrags, über einen Einstellungskorridor, über die Arbeitszeit diskutieren. Auch – und da haben Sie völlig recht – muss die Aufgabenkritik eine Rolle spielen. Selbstverständlich muss auch das bei den nächsten V ertragsverhandlungen diskutiert werden.

Zusammenfassend: Der Streik ist beendet. Das ist gut für die Stadt. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren von dem Kompromiss, den es gegeben hat. Es ist eine finanzpolitisch seriöse Lösung, die gefunden wurde. Deswegen beglückwünschen wir an dieser Stelle auch den Innensenator für seine klugen Verhandlungen und unterstützen diesen Tarifkompromiss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Vorsitzende der Fraktion, Frank Henkel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer hätte geahnt, dass diese rot-rote Koalition plötzlich so eine Eile an den Tag legen würde, nachdem sie einen beispiellosen, zehnmonatigen Streik in unserer Stadt trotzig ausgesessen hat?

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Ihr planloses Vorgehen im Tarifkonflikt ist ein weiterer Beleg dafür, dass es in dieser Regierung keine Berechenbarkeit und keine Richtlinien zu geben scheint, von der Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters ganz zu schweigen.

[Beifall bei der CDU]

Aber, Herr Kollege Müller, fangen auch wir mit dem Positiven an: Meine Fraktion und ich sind zufrieden, dass im Interesse der Stadt und der Landesbeschäftigten endlich ein Kompromiss gefunden wurde. Die Berlinerinnen und Berliner waren viel zu lange erheblichen Belastungen ausgesetzt, die Sie, meine Damen und Herren von der rotroten Koalition, durch Ihre Basta-Politik maßgeblich mit zu verantworten hatten.

Deshalb, Herr Müller – seien Sie mir nicht böse –, kamen mir einige Ihrer Passagen so vor wie das berühmte Pfeifen im Walde.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das üben Sie ja schon!]

Die Auseinandersetzung ging zu Lasten vieler Menschen in unserer Stadt. Die Ignoranz, die Arroganz und die Sturheit des rot-roten Senats haben über Monate hinweg jeden Gesprächsfaden abreißen lassen und beinahe jeden Gesprächswunsch seitens der Gewerkschaften in unverantwortlicher Weise von Anfang an torpediert.

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Die Streikwellen haben Tausende Mitarbeiter und Betroffene der Arbeitsniederlegungen in den Bezirksämtern, Schulen und Kitas gegeneinander aufgebracht oder aneinander verzweifeln lassen. Der Senat muss sich hier den Vorwurf gefallen lassen, gemeinschaftsschädigend gehandelt zu haben.

[Beifall bei der CDU]

Gleichzeitig ist durch diesen bewusst in Kauf genommenen Streit und den Streikverlauf klargestellt worden, dass Rot-Rot sogar bereit ist, die Bildung und Kitaerziehung zu vernachlässigen, nur um dem eigenen Starrsinn zu frönen. Wir hoffen, dass die gestrige Einigung ein erster Schritt hin zur Normalität in Berlin sein wird. Die Einigung ist endlich aber auch eine positive Nachricht für die Beschäftigten des öffentlichen Diensts, die viel zu lange auf eine soziale Geste dieses Senats warten mussten.

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion hat lange darauf hingewiesen, dass eine Politik des sozialen Ausgleichs nicht vor den Landesbeschäftigten haltmachen darf, die seit 2003 einen enormen Konsolidierungsbeitrag geleistet haben. Es wurde Zeit, dass der Senat endlich seiner Fürsorgepflicht nachkommt und die angespannte Einkommenssituation gerade in den unteren Tarifgruppen berücksichtigt. Es wurde Zeit, dass Sie sich dem Grundsatz fügen, dass zur Wertschöpfung auch Wertschätzung gehört.

Aber das hätte man mit gutem Willen alles viel früher haben können. Sie haben die Situation in unverantwortlicher Weise eskalieren lassen. Sie haben sich der Einsicht verweigert, dass es ein Ende des Tarifkonflikts nicht über ein Lohndiktat, sondern nur über konstruktive Gespräche mit den Gewerkschaften geben kann. Sie haben viel zu spät erkannt, dass Sie nur gemeinsam mit den Beschäftigten – und nicht gegen sie – zu einer Lösung kommen können.

[Beifall bei der CDU]

Heute stellt sich die Frage, was die Herren Wowereit, Sarrazin und Körting dazu bewogen hat, jetzt so plötzlich umzukippen. Der Regierende Bürgermeister hat sich in den vergangenen Monaten wie so oft aus allen Debatten herausgehalten, einmal davon abgesehen, dass er streikende Polizisten etwa als Querulanten bezeichnet hat. Herr Wowereit, im Kommentar der „Berliner Zeitung“ unter dem Titel „Aus der Erstarrung erlöst“ steht heute geschrieben – ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten:

Dass sich der Senat, der vor Tagen noch jegliche Verhandlung in diesem Jahr ausschloss, von den streikenden Bediensteten an den Verhandlungstisch zwingen ließ, hat unter anderem damit zu tun, dass sich der Regierende mehr als Denkmal seiner selbst versteht als jemand, der an der Lebensrealität seiner Landeskinder noch aktiv teilnimmt.

Dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

[Beifall bei der CDU]

Die grundlegende unsoziale Linie des Regierenden Bürgermeisters wurde allerdings immer wieder kommuniziert. Herr Regierender Bürgermeister! Das hat die Verbitterung bei den Beschäftigten – aus unserer Sicht vollkommen unnötig – erhöht. Ihre Senatspolitik ist geprägt von Sturheit und Demütigungen gegenüber den Beschäftigten des öffentlichen Diensts, nicht aber vom ernsthaften Willen, an einer Lösung zu arbeiten. Uns würde deshalb wirklich interessieren, warum Sie jetzt einsichtig geworden sind. Waren es tatsächlich die

worden sind. Waren es tatsächlich die massiven Streikmaßnahmen, die Sie in die Knie gezwungen haben? Oder wollten Sie vor der anstehenden Bundestagswahl ein massives Problem aus der Welt schaffen, bevor es Ihnen oder Ihren Kollegen von der Linkspartei auf die Füße fällt? [Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Falls das Ihr Ziel war, dann haben Sie sich diese Ruhe jetzt erkauft. Aber Sie haben dem öffentlichen Dienst unserer Stadt keine Perspektive gegeben, keine Perspektive hin zu einem leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienst. Die Lohnanpassung hilft den Beschäftigten, und das ist gut so, aber sie löst keinesfalls das prinzipielle Problem.

Sie haben monatelang Zeit gehabt, an einem Gesamtpaket zu arbeiten, schon jetzt über die Zeit nach 2010 zu reden, wenn der Solidarpakt ausläuft. Doch diese Zeit haben Sie vollkommen ungenutzt verstreichen lassen. Wesentliche Fragen, zum Beispiel nach verbindlichen Einstellungskorridoren oder danach, wie der Überalterung begegnet werden kann, haben Sie offengelassen. Sie haben offengelassen, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Berlin wieder schrittweise an die durchschnittliche Gehaltsstruktur in anderen Bundesländern herangeführt werden können. Auch haben Sie offengelassen, wie Sie verhindern wollen, dass qualifizierte Beschäftigte in andere Bundesländer abwandern, was gerade bei angestellten Lehrkräften ein großes Problem ist. Sie haben es auch versäumt, die langfristige Personalentwicklung und die Personalkosten zu thematisieren.

Wir haben bereits in der vorvorletzten Plenarsitzung hier in diesem Haus darüber diskutiert, und nach wie vor ist unklar, welche personelle Zielgröße Sie anstreben und welche Leistungen der öffentliche Dienst mit welchem Personal für die Bürgerinnen und Bürger erbringen soll.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Albers von der Linksfraktion?

Ich glaube, die Haltung von Herrn Albers ist hinreichend bekannt, und ich komme deshalb auch zum Schluss.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Aber ich möchte nichts von Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Heute ist es so, dass wir sagen, es wäre unverantwortlich, wenn sich der Senat weiter um die strukturellen Probleme herumdrückt und ihre Lösung immer weiter in die Zukunft verschiebt. Deshalb: Nehmen Sie jetzt den Gesprächsfaden mit den Gewerkschaften auf, und machen Sie diese Punkte zum Thema, bevor Sie 2009, 2010 wieder in eine massive Drucksituation geraten! Eine weitere Auseinandersetzung, in der Sie so planlos agieren wie im

abgelaufenen Tarifkonflikt, ist der Stadt und ihren Menschen nicht zuzumuten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Kollegin Frau Bluhm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie überraschend die Einigung im Tarifstreit gewesen ist, sehen wir daran, dass diese Aktuelle Stunde von einer Oppositionsfraktion beantragt worden ist. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Tarifeinigung zu würdigen. Einiges haben wir dazu schon gehört.

Ich will zu Beginn meiner Rede Dank sagen. Dank sage ich Senator Körting für Weitsicht und Beharrlichkeit. Allein von Januar bis Juli 2008 waren es mindestens zwölf offizielle Runden, in denen er verhandelt, Hintergrundgespräche geführt und viele Widerstände überwunden hat. Nicht alle Inhalte, mit denen er in die Beratungen gegangen ist, fanden wir ausreichend, aber eine gute Verhandlungsbasis. Für uns alle war es durchaus problematisch als am 14. Juli die Gewerkschaftsseite die Verhandlungen für gescheitert erklärt hat. Viele wussten, dass die einmalige Zahlung von zweimal 300 Euro keine ausreichende und abschließende Bewältigung dieses Streits sein würden.

Ich will den Gewerkschaften danken für Einsicht und Augenmaß. Als sie begonnen hatten einzusehen, dass sie ihre 100-prozentige Forderung von dreimal 300 Euro und 2,9 Prozent Tariferhöhung nicht durchsetzen konnten, haben sie sich dennoch durch die Einigung untereinander wieder an den Verhandlungstisch begeben. Ich danke Ihnen dafür, dass diese Einigung dadurch möglich wurde.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich will auch den Bürgerinnen und Bürgern, den Berlinerinnen und Berliner für ihr Verständnis und ihre Geduld danken. Sie haben die Auswirkungen des langwierigen Einigungsprozesses in diesem Tarifstreit in großer Geduld mitgetragen und mit großer Fairness ertragen.

Der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes ist nun bis zum Jahr 2009 da. Ich erinnere daran, dass sich die Linke schon als Oppositionskraft in finanziellen Krisenzeiten dafür ausgesprochen hat, dass Umverteilung von Arbeit und Einkommen verbunden mit Arbeitszeitverkürzung, Einstellungskorridor und Beschäftigungssicherung notwendig und wichtig ist und für Konsolidierung.

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Wir wollten allerdings auch, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Beschäftigten kommt. Wir wollten bereits im Jahr 2008 das große Besteck. Wir wollten eine Tarifverhandlung über das Gesamtpaket nach dem Auslaufen des Anwendungstarifvertrages vorziehen und über

Beschäftigungssicherung, Einstellungskorridor und moderate Tariferhöhungen insbesondere für die niedrigeren Einkommensgruppen und das neue Tarifrecht diskutieren. Es war auch immer Konsens im Senat und den den Senat tragenden Fraktionen, dass keine grundsätzliche Abkopplung vom Bundestrend in der Einkommensentwicklung für die Beschäftigten des Landes Berlin gewollt ist – trotz Fortführung des Anwendungstarifvertrages.

Wenn man verstehen will, weshalb diese Einigung so schwierig war, muss man in das Jahr 2003 zurückschauen. Es war immer unsere Philosophie, dass Solidarität im Verzicht auch Solidarität für das Land Berlin bedeuten muss, wenn es eine wirtschaftliche und finanzielle Normalisierung der Verhältnisse gibt. Es darf keine Einbahnstraße sein. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben mit dem Verzicht auf Einkommen und Arbeitszeit einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung des Landes Berlin geleistet. Indem sie seit 2003 auf 8, 10 oder 12 Prozent ihres Einkommens verzichten, haben sie einen existenziellen Beitrag zur Konsolidierung geleistet. Als dann in allen anderen Bundesländern, beim Bund und in den Kommunen über Tariferhöhungen und Einmalzahlungen verhandelt worden ist, ist ein großer Druck entstanden. Die Beschäftigten haben zwar gesagt: Ja, wir stehen zum Anwendungstarifvertrag, trotzdem möchten wir nicht die immer weitere Abkopplung von der Tarifentwicklung im Bund und in den anderen Ländern und Kommunen.

An dieser Stelle ist es wichtig, die Situation und Sichtweise des Senats darzustellen, um die Einigung zu würdigen. Für den Senat war entscheidend, dass er sich darauf verlassen konnte, dass der Anwendungstarifvertrag während seiner Laufzeit eingehalten wird, dass Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigungssicherung relevant bleiben und dass er die Gesamtverantwortung für die soziale Verteilungsgerechtigkeit mit einer Prioritätensetzung für Bildung, Kinderschutz und der Bekämpfung von Kinderarmut hat. Gleichwohl war klar: Anwendungstarifvertrag plus Stufenplan, damit es keine grundsätzliche Abkopplung vom Bundestrend gibt.

lich auswirkt.

Die Grünen – und auch Ihre Fraktion, Herr Henkel – waren nicht wirklich hilfreich.