Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

[Heiterkeit bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Herr Dr. Lindner! Kennen Sie das Programmschema von Radio Multikulti? Und wissen Sie, dass die überwiegende Zeit des Tages bei Radio Multikulti deutschsprachig gesendet wird und gerade das das Konzept ist, um Menschen mit unterschiedlichen Herkunftssprachen über eine gemeinsame Welle zu integrieren?

[Beifall bei den Grünen]

Ja, das war ja das Problem: Zur Primetime wurde in den verschiedenen ausländischen Sprachen gesendet und zu einer Zeit, in der normale Menschen nicht Radio hören können, weil sie arbeiten gehen, auch in Berlin, auf Deutsch.

[Zurufe von der SPD und den Grünen]

Wenn es solch ein erfolgreiches Konzept gewesen wäre, dann hätten das auch mehr als 30 000 Hörerinnen und Hörer in Berlin und Brandenburg gezeigt.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Verzeihen Sie, Herr Kollege! – Ich bitte um Ruhe!

Und wenn es jetzt 31 000 Menschen gibt, die unterschrieben haben – was sind das für Leute? Sie hören „rs2. Ich bin dabei!“ und empfehlen anderen Menschen, gefälligst Radio Multikulti zu hören. Das ist Heuchelei, das kann man gar nicht anders sagen.

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege Dr. Lindner! Frau Radziwill bittet um eine Zwischenfrage.

Nein! Ich möchte meine Rede jetzt im Zusammenhang zu Ende führen. – Also: Das Konzept ist gescheitert. Was nicht gescheitert sein darf, muss der Auftrag an den RBB sein. Deswegen appelliere ich an den RBB, sich neue Konzepte zu überlegen, gerade in Sendern, die auch Hörer haben, die über einen Schülersender hinausgehen, Programme zur Integration von Menschen einzuführen.

Den Anträgen von den Grünen und von der Koalition fehlt es an einer ganz entscheidenden Sache, nämlich daran, Sparalternativen aufzuzeigen. – Meine Kollegen von der CDU! Das gilt für alle anderen auch, aber weil Sie zum Schluss eingefordert haben, ein Gesamtkonzept über 54 Millionen Euro solle vorgelegt werden: Das ist so, als wenn jemand 100 Euro einzusparen hat und einen Vorschlag für 50 Euro macht, und Sie sagen: Nein, die 50 Euro sollen lieber ausgegeben werden, bevor nicht ein Gesamtkonzept über 100 Euro vorgelegt wird. – Das ist keine seriöse Finanz- und Haushaltspolitik. Das, was Sie für den gesamten Landeshaushalt propagieren, propagieren Sie auch für den Sender!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zu der Staatsferne sagen. Wir haben keinen Staatsrundfunk.

[Zuruf von der CDU: Gut so!]

Deswegen hat sich das Parlament genauso wie der Senat grundsätzlich der Empfehlungen, Appelle oder Ähnlichem an den Rundfunk zu enthalten. Wohin kommen wir denn, wenn wir als Nächstes von Ihnen Anträge bekommen, dass irgendein Moderator abgeschafft oder ergänzt

oder eine einzelne Sendung abgeschafft oder ergänzt werden soll. Sie wollen den adenauerschen Staatsrundfunk!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Dagegen verwehren wir uns. In dieser Frage gebe ich ausdrücklich dem Regierenden Bürgermeister recht, der in der entsprechenden Fragestunde gesagt hat:

Der Senat bedauert, dass sich der RBB genötigt fühlt, zwei Programme einstellen zu müssen. Wir können das nur zur Kenntnis nehmen, da es in der Autonomie des RBB liegt, solche Entscheidungen zu treffen.

Es ist richtig und vernünftig, dass wir keinen Staatsrundfunk haben, der über Appelle des Parlaments oder gar Interventionen des Senats ein verlängerter Arm von Politik ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Jetzt muss der Schlusssatz kommen!

Ja, aber ich bin schon ein paar Mal unterbrochen worden! – Gerade an die Freunde des öffentlichen Rundfunks: Es wird nicht nur in Deutschland, sondern in Europa ganz genau beobachtet werden, wie ernst es Deutschland mit der Staatsferne zum öffentlichen Rundfunk ist. Sie tun mit solchen Appellen, mit solchen Resolutionen der Idee des öffentlichen Rundfunks einen Bärendienst. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Es folgt eine Kurzintervention von Herrn Esser. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Lindner hat mich so provoziert, dass ich noch zwei Sätze sagen will. – Erstens: Ich nehme nicht an, dass das Ihrem Outfit entspricht, Herr Lindner, aber vielleicht kennen Sie den Sender Motor FM! Ich höre ihn manchmal gern, und ich freue mich auch immer, wenn sie einmal politisch etwas machen und ich dort zu Wort komme. Die Quote, die Hörerschaft, die der Sender erreicht, entspricht ungefähr der von Radio Multikulti. Ich weise für diesen privaten Sender genauso wie für den öffentlich-rechtlichen Sender Multikulti zurück, dass es sich dabei um einen Schülersender handelt, wie Sie gesagt haben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Zweiter Punkt: Unsere Zwischenrufe und die vorherige Intervention der Kollegin Ströver gegenüber dem Mitglied des Rundfunkrats Herr Zimmermann von der SPD hatte etwas damit zu tun, dass der Rundfunkrat des RBB und seine einzelnen Gremien – Verwaltungsrat, Finanz- und Haushaltsausschuss – die Haushaltsberatungen führen, nicht wir. Sie brauchen nicht zu glauben, dass die Verteidiger von Radio Multikulti keine Ideen hätten, um die 2 Millionen Euro, die netto als Ersparnis bleiben, gegenzufinanzieren. Das ist aber nicht das Thema im Abgeordnetenhaus und nicht das Thema, das ich mit Ihnen diskutiere, sondern das Thema, das in die Haushaltsberatungen des Rundfunkrats gehört. Ich habe die Erwartung, mit der Resolution, die wir vorlegen werden, die Herrschaften des Rundfunkrats dazu zu bewegen, eine entsprechende Änderung des vorgelegten Haushaltsentwurfs vorzunehmen und damit einen Weiterbetrieb von Radio Multikulti zu ermöglichen. Da Sie recht haben, dass sie im RBB auf die Dauer über die Gebührenperiode eine Strukturreform brauchen, haben wir – und das schlägt auch die Initiative vor – erst einmal ein Moratorium für ein Jahr vorgeschlagen, damit dafür der Raum gewonnen werden kann. Ich kann auch nichts dafür, dass man, wenn eine verantwortliche Geschäftsleitung genau in diese Richtung nicht denkt und nichts vorlegt, sich deswegen die Zeit mit den Summen, die ich eben genannt habe, für das eine Jahr kaufen muss.

Abschließend dazu: Deswegen brauchen sich SPD und Linke –

Das muss auch abschließend sein, Herr Kollege! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.

Ja! – hier auch gar nicht damit dicke tun,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

sie wollten Multikulti dauerhaft erhalten, sondern der Moratoriumsvorschlag ist der einzig realistische, etwas Dauerhaftes zu machen. Wenn Sie sich hinstellen und sagen, Sie wollten das aus dem Stand dauerhaft sichern, dann schließe ich daraus, Sie legen die Latte so hoch, dass Sie bequem darunter durchkommen, sich anschließend die Hände in Unschuld waschen und sagen können: Die anderen wollten nicht, es ist weg.

Herr Kollege! Sie müssen bitte jetzt aufhören.

Ja! – Es ist ein finanziell realistischer Vorschlag, es ein Jahr weiterzubetreiben.

[Beifall bei den Grünen – Martina Michels (Linksfraktion): Man merkt, dass Sie kein Medienpolitiker sind! Keine Ahnung!]

Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Dr. Lindner.

Lieber Herr Esser! Dass Sie nur ein Moratorium wollen, das haben wir jetzt dreimal gehört, zweimal von Frau Ströver, einmal von Ihnen. Das haben wir begriffen. Das macht aber die Gesamtargumentation nicht logischer.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Vor allem macht es sie nicht logischer, wenn Sie auf der einen Seite fordern, dass eine Diskussion über die Frage, welcher Sender zu schließen ist, hier im Abgeordnetenhaus zu führen ist, die Finanzierung des Senders aber delegieren und ausschließlich im Rundfunkrat besprochen haben wollen. Das ist inkonsequent. Wenn Sie sich hier schon über Dinge unterhalten – das ist legitim –, die den Sender mit seiner Leitung, seiner Intendanz und seinem Rundfunkrat betreffen, dann müssten Sie aber auch korrekter- und seriöserweise über die Finanzierung solcher Forderungen sprechen oder es hier ganz lassen.

[Zurufe von den Grünen]

Dann lassen wir die Diskussion über die Sendergestaltung ausschließlich bei der Intendanz und dem Rundfunkrat. Dann hat sie da in den Gremien zu erfolgen, wohin sie gehört.

Wenn Sie hier schließlich Radio Motor FM meines Freundes Tim Renner anführen: Gut, der macht das mit seinem eigenen Geld, das ist ein kleiner Unterschied.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Der Sender Radio Multikulti wird wie andere öffentliche Sender finanziert über Zwangsgebühren der GEZ-Gebührenzahler. Die können sich nicht aussuchen, diese Gebühr zu bezahlen oder nicht. Sie kaufen ein Rundfunkgerät, mittlerweile reicht ein internetfähiger Computer, und müssen dann die volle GEZ-Gebühr zahlen, auch wenn sie vielleicht in ihrem täglichen Konsumverhalten wirklich nur Radio Motor FM oder andere private Sender hören.

Wir und die Rundfunkanstalten sind zu einer Haushaltung und einer seriösen Finanzkonzeption verpflichtet, die die finanzielle Situation der Sender und die Tatsache, dass sie sich aus öffentlichen Zwangsgebühren finanzieren, in angemessener Weise berücksichtigt. Da kann man nicht so tun, als sei das alles nicht so. Wenn der Renner, um es einmal klar zu sagen, pleite geht, weil er so wenig Hörer hat, ist es sein Geld, er muss sich darum kümmern, um Werbepartner. Das geht uns überhaupt nichts an, solange er das kann. Und wenn es ihm Tante Erna aus dem Strumpf finanziert, geht uns das auch nichts an.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Aber dies sind öffentliche Gelder, von Menschen, die sich das nicht aussuchen können. Da gelten andere Kriterien. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]