Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Das sind die aktuellen Zahlen aus dem dritten Quartal 2008. Angesichts dieser Zahlen macht sich – das ist meine feste Auffassung – Berlin lächerlich, wenn es sich mit dieser Statistik im Bundesrat für eine solche Initiative stark zu machen versucht.

[Beifall bei der CDU]

Ich halte aber auch aus anderen Gründen eine solche Initiative für falsch. Wir brauchen dringend – das sagen Sie in Ihrem Antrag auch – Investitionen. Wir brauchen Eigentümer, die bereit sind, in Energiesparmaßnahmen zu investieren, weil diese Energiesparmaßnahmen letztlich zur Senkung der Nebenkosten führen. Wenn es gelingt, die Nebenkosten zu senken, muss man das auch akzeptieren. Wenn es dann zu einer Verschiebung der Kaltmiete und der Nebenkosten kommt und am Ende eine höhere Kaltmiete jedoch bei gesunkenen Nebenkosten dabei herauskommt, bleibt die Miete am Ende für die Mieter konstant. Es muss um die Frag gehen, was der Mieter insgesamt zahlt.

Deshalb sollten wir in der nächsten Zeit viel stärker auf die Nebenkosten schauen, unabhängig davon, ob neu vermietet wird oder nicht. Es sind die Nebenkosten, die das größte Problem für die Mieter in der Stadt darstellen. Der rot-rote Senat hat beispielsweise mit der drastischen Erhöhung der Grundsteuer nicht unwesentlich den Mietern in die Tasche gegriffen. Auch das muss man dieser Stelle einmal sagen. Die Mieter können sich aber gegen die umlagefähigen Kosten viel weniger wehren als gegen die Kaltmiete. Deshalb sollte man hier viel enger und viel deutlicher darüber reden und sollte an dieser Stelle auch einmal die angeblich so soziale Politik des rot-roten Senats entlarven.

Ich fasse zusammen: Wenn es darum geht, einen Ausgleich zu schaffen, beispielsweise wenn im Sanierungsfall Mieter auch nach der Sanierung in der Lage sein sollen, in ihren Wohnungen zu bleiben oder wieder zurückzukeh

ren, haben Sie mich auf Ihrer Seite. Wenn es darum geht, Hauseigentümer zu gewinnen, in Energiemaßnahmen zu investieren, damit die Nebenkosten sinken – übrigens auch, wenn dann die Grundmiete steigt –, haben Sie mich auf Ihrer Seite. Wenn es darum geht, den Senat davon abzubringen, den Mietern weiterhin so drastisch in die Tasche zu greifen, auch dann haben Sie mich auf Ihrer Seite.

Entschuldigung, Herr Stadtkewitz, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit beendet. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum letzten Satz. – Die Initiative, die Sie mit Ihrem Antrag bezwecken, halte ich allerdings für überflüssig. Deshalb werde ich meiner Fraktion empfehlen, diesem Antrag nicht zuzustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stadtkewitz! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Doering das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Berlin lagen nach Angaben des BBU die Mieten bei neuen Mietverträgen durchschnittlich mehr als 20 Prozent über dem Mietspiegel. Das ist eine Zahl, die zunächst erst einmal nichts aussagt, weil sie den differenzierten Mietmarkt in Berlin nicht weiter berücksichtigt. Aber in den stark nachgefragten Lagen in Berlin ist die Differenz zwischen Bestands- und Neuvermietung deutlich höher. In Prenzlauer Berg, in Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte liegen die Mieten bei Neuverträgen mit 6,62 Euro um 25 Prozent über den Bestandsmieten.

Im Wohnungsmarktbarometer der IBB wird das größte Problem in zwei Aspekten gesehen. Auf der einen Seite gibt es die geringen und nichtsteigenden Einkommen in Berlin, auf der anderen Seite gibt es die steigenden Bruttowarmmieten. Herr Stadtkewitz! Genau das ist das Problem. Natürlich stimmen die Zahlen, die Sie in der Frage der Miethöhen in einzelnen Großstädten hier vorgetragen haben. Sie müssen doch aber, um konkret vergleichen zu können, auch die durchschnittlichen Monatseinkommen hinzuziehen. Diese sehen in Berlin nun einmal anders aus als in München, Hamburg, Köln oder anderswo.

Wenn Sie davon ausgehen, dass das durchschnittliche Monatseinkommen in Berlin bei rund 1 500 Euro – nach oben unbegrenzt – liegt, können Sie sich in etwa vorstellen, wie viele Familien in dieser Stadt ein Einkommen von unter 1 000 Euro haben. Dann lassen Sie sich die

Mieten noch einmal durch den Kopf gehen, die ich gerade eben genannt habe. So wird ein Schuh daraus. So muss man es betrachten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Bestimmte Gebiete in Friedrichshain-Kreuzberg liegen schon mit 35 Prozent des Haushaltseinkommen bei der Kaltmiete. Es gibt unterschiedliche Daten. Es gibt unterschiedliche Zahlen. Es gibt unterschiedliche Quellen. Lassen Sie uns den Antrag der Grünen einmal zur Grundlage für eine Debatte im Bauausschuss nehmen, um uns über Mietlage in Berlin klar zu werden und zu diskutieren. Die immer weiter um sich greifende stadträumliche Differenzierung des Mietenmarkts stellt auch die soziale Entwicklung vor schwer lösbare Probleme. Hier gibt es die immer weiter steigenden Mieten in den beliebten Vierteln und dort Wohnungsleerstand, stagnierende Neuvertragsmieten oder sogar Abschläge in Problemkiezen, weil sich dort alle gesellschaftlichen Probleme häufen.

Herr Doering! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stadtkewitz?

Bitte!

Herr Doering! Ich möchte eine Frage zu Ihrer Einkommenseinschätzung stellen. Glauben Sie wirklich, dass die Leute in Stralsund oder in Greifswald so viel mehr verdienen, dass eine Mieterhöhung um 20 Prozent gerechtfertigt wäre?

Sie müssen zur Kenntnis nehmen – darauf habe ich gerade hingewiesen –, dass wir in bestimmten Quartieren in dieser Stadt eine enorme Mietpreisentwicklung nach oben haben. Die Mieten liegen dort deutlich über dem Mietspiegel und über den Bestandsmieten – ich habe Ihnen die Zahlen genannt. Und jetzt gucken Sie sich dazu die Berliner Einkommensentwicklung an. Sie stagniert nahezu. Im Ergebnis dieses Prozesses kommt es, sozialräumlich betrachtet, zu Verdrängungen. Bestimmte Einkommensschichten können in bestimmten Wohnquartieren keine Wohnungen mehr mieten. Darüber muss man diskutieren. So verstehe ich auch den Antrag der Grünen. Wir wollen keine zusätzlichen Problemkieze mehr haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Zu einem anderen Punkt: Bei Neuverträgen kann zwischen zwei Vertragspartnern jede Miethöhe vereinbart werden, das wurde schon gesagt. Die Grenzen setzt nur das Strafgesetzbuch: Mieten über 50 Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten sind die sogenannten Wuchermieten. Das Wirtschaftsstrafgesetz sagt, Mieten, die

um mehr als 20 Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten lägen, seien die sogenannten Mietpreisüberhöhungen. Darüber reden wir.

Durch eine Novelle des Wirtschaftsstrafgesetzes, die die Grünen wollen, kann bei Neuvertragsmieten möglicherweise eine niedrigere Grenze als die 20 Prozent umgesetzt werden. Doch das ist ein Problem für Berlin, das wird auch im Antrag der Grünen dargestellt, weil dieser Paragraf aufgrund des Wohnungsleerstands in Berlin gar nicht angewendet werden kann. Daher ist nach unserer Sicht eine Änderung der entsprechenden Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzesbuches das richtige Instrument zur Deckelung von Mieterhöhung – wenn man es denn wil

Die Neuvertragsmieten treiben schließlich die ortsübliche Miete, die im Mietspiegel abgebildet wird, immer weiter nach oben, sodass sich auch für die Bestandsmieten neue Potenziale für Mietsteigerungen ergeben – Herr Otto sprach darüber. Daher geht es nicht nur um die Neuvermietung, sondern auch um die Möglichkeit der Vermieter, die Miete alle drei Jahre um 20 Prozent zu steigern. Auch hier müssten aus unserer Sicht neue Regeln gefunden werden: eine zeitliche Streckung oder geringere Steigungsrate

Hier noch ein Satz zum Modernisierungszuschlag von 11 Prozent: Auch dieser müsste aus unserer Sicht zeitlich begrenzt werden.

Wir müssen uns aber die Frage stellen, ob Berlin mit einer Bundesratsinitiative überhaupt eine Chance auf Erfolg hat. Dafür muss man sich Verbündete auf der Bundesebene suchen. So einfach, wie es sich der grüne Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg am Montag in Inforadio gemacht hat, kann man es sich nicht machen. In welcher Welt lebt er eigentlich, wenn er meint, ein Antrag aus Berlin im Bundesrat reiche? Überzeugend auftreten, und schon hat man im Bundesrat eine Mehrheit! Da sage ich, wie auch Herr Stadtkewitz: Gemessen an den Mieten, die es in anderen Städten gibt, braucht man sich keine Illusionen darüber zu machen, wer unserer Bundesratsinitiative beitreten wird. Das wird das Problem sein. Ich frage die Grünen, ob sie bereit sind, auf der Bundesebene für solch eine Initiative zu werben, und ob solche Anträge auch von Bremen und Hamburg zu erwarten sind. Dann hätten wir vielleicht eine Chance, so etwas gemeinsam im Bundesrat durchzusetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Doering! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete von Lüdeke das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Situation: Das Wohnungsangebot der Hauptstadt ist ein unbestrittener Standortvorteil von Berlin. Das Angebot ist differenziert, das sage nicht nur ich, sondern sagen alle Fachleute. Es gibt ausreichend Wohnraum für alle Einkommensgruppen in allen Lagen. 100 000 Wohnungen stehen länger als sechs Jahre leer. Die durchschnittliche Nettokaltmiete – wir haben unterschiedliche Zahlen; der eine sagt Warmmiete, ich sage Nettokaltmiete – beträgt 4,75 Euro, in Hamburg dagegen 6,53 Euro und in München 9,30 Euro. – Übrigens, was den Vergleich mit München und Hamburg betrifft – wir hätten gern die Wirtschaftskraft von München und Hamburg. Das nur nebenbei!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall der CDU]

In Berlin gibt es einen klassischen Mietermarkt. Trotzdem forderte Frau Radziwill – nicht Herr Dr. Arndt –, Sozialexpertin der SPD-Fraktion, jüngst populistisch, die Bundesregierung möge einen Schutzschirm für die Mieter aufspannen. Die Neuvermietung dürfe nicht dem freien Markt überlassen werden. Den gesetzlichen Modernisierungszuschlag will Frau Radziwill auch gleich abschaffen.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Franz Schulz, grüner Bürgermeister von FriedrichshainKreuzberg, der mit den Mediaspree-Versenkern Gefahr läuft, Millionenschäden zulasten der Landeskasse zu produzieren, und ganz nebenbei auch noch Großinvestoren wie Anschutz verprellt, dieser Gutmensch Franz Schulz fordert, dass bei einer Neuvermietung die Miete nur noch bis zum Mittelwert des Mietspiegels angehoben werden darf. Und heute präsentieren uns die Grünen einen Antrag zur Begrenzung der Mietsteigerungen bei der Neuvermietung!

Was ist passiert? – Da es in Berlin zum Glück nicht nur Einheitswohnungen gibt, ist seit geraumer Zeit ein Anstieg der Mieten in den höherwertigen Altbauquartieren zu verzeichnen – nur dort, nicht in den Gebieten, die die Vorredner teilweise erwähnt haben. Wie kommt das? – Junge Familien mit guten Einkommen ziehen nach Berlin und entdecken unter anderem die attraktiven Altbauwohnungen in Kreuzberg. Wer kann etwas dagegen haben? Waren nicht gerade Sie immer für die soziale Durchmischung in Kreuzberg? Sind Sie es plötzlich nicht mehr?

Eine Begleiterscheinung der ansteigenden Nachfrage: Der Markt reagiert. Mit steigender Nachfrage steigen bei der Neuvermietung auch die Mieten. Genau das wollen Sie nun verhindern. Erinnern Sie sich noch an die Folgen des überregulierten Marktes? Erinnern Sie sich noch an die Altbaumietenverordnung im alten Westberlin? Erinnern Sie sich an die vergammelten Mietshäuser, in die niemand mehr investieren wollte, mit Außentoilette, Kohleöfen und Duschen in der Speisekammer?

Dirk Behrendt (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

An bessere Lagen mit besserer Substanz erinnern Sie sich vielleicht auch noch. Neumieter zahlten angesichts einer günstigen Miete fünfstellige Summen als Abstand an die Vormieter. Dafür erhielten sie selbstgezimmerte Hochbetten, versiffte Teppiche und Sperrmüllmöbel – ohne Quittung. Auch mancher Hausverwalter machte nebenbei sehr einträgliche Geschäfte.

Entschuldigen Sie, Herr von Lüdeke! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Das passiert, wenn man in Märkte eingreift und Preise deckelt. Das ist die Realität.

[Beifall bei der FDP]

Was deckeln Sie als nächstes? Die Preise der Grundnahrungsmittel?

[Christoph Meyer (FDP): Die Fahrradpreise!]

Vielleicht die Automobilpreise? – Ach so, das wird den Grünen nicht unbedingt ein Thema sein! – Vielleicht die Preise für Bekleidung oder die Preise für Handwerkerleistungen! Vielleicht setzen Sie gleichzeitig die Mindestlöhne durch, bei gedeckelten Handwerkerrechnungen.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Nein! Wenn Sie unbedingt etwas deckeln wollen, dann deckeln Sie die Preise der staatlichen Monopolisten! Deckeln Sie die Wasserpreise,

[Beifall bei der FDP]

die – volkswirtschaftlich völlig atypisch – trotz sinkender Nachfrage ständig steigen! Deckeln Sie die Preise für Straßenreinigung und Müllabfuhr! Die BVG gehört heute nicht zum Thema, aber auch da können Sie deckeln. Das freut alle überall, wo Sie deckeln. Und es betrifft die Mieter, sie freuen sich.

[Beifall bei der FDP]