Herr Kollege Juhnke! Ich wiederhole es noch einmal, damit Sie verstehen, was damit gemeint ist: Das Bundeskriminalamt ist dafür zuständig, im Sinne des Waffenrechts festzustellen, ob bestimmte sonstige Gegenstände als Waffen im Sinne des Waffenrechts angesehen werden können. Diese Frage hat es in Bezug auf die Quarzsandhandschuhe verneint, wie es das höchstwahrscheinlich auch in Bezug auf normale Gabeln, Löffel oder Ähnliches verneint hätte. Das sagt aber nichts darüber aus, ob Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes im Rahmen ihrer Tätigkeit mit körperlicher Berührung Gabeln oder Löffel einsetzen dürfen, sondern das ist eine Entscheidung, die der Ausrüster zu treffen hat. Ausrüster der Berliner Polizei ist der Polizeipräsident, bzw. als Fachaufsicht bin ich das. Hierbei besteht die völlig einheitliche Meinung, dass Quarzsandhandschuhe nicht eingesetzt werden. Dafür ist es völlig unerheblich – um nicht auf Berlinisch zu sagen: wurscht! –, wie das unter Waffenrechtsgesichtspunkten betrachtet wird.
[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Dr. Robbin Juhnke (CDU): Die Frage war, ob sie zurückgegeben wurden!]
Bevor ich den Tagesordnungspunkt unter der lfd. Nr. 3 aufrufe, habe ich die Freude, Herrn Ralf Meister, den Generalsuperintendenten für den Sprengel Berlin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, zu begrüßen. – Herr Meister! Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus!
Herr Meister ist neu gewählt worden bzw. hat vor relativ kurzer Zeit sein Amt angetreten. Es ist eine Freude, dass Sie hier bei uns sind.
Fairer Umgang mit der direkten Demokratie – Termin des Volksentscheids „Freie Wahl zwischen Ethik und Religion“ mit der Europawahl zusammenlegen!
Direkte Demokratie ernst nehmen: Europawahltag nutzen, für verpflichtenden Ethikunterricht eintreten
Zu dem zuletzt genannten dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gibt es inzwischen einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion, mit dem die Überschrift des Antrags geändert werden soll. Die Überschrift soll nach diesem Antrag lauten: „Direkte Demokratie ernst nehmen: Engagiert für gemeinsamen Ethikunterricht eintreten.“ Des Weiteren – und das teile ich Ihnen jetzt schon mit – wünschen und beantragen die Koalitionsfraktionen die getrennte Abstimmung beider Absätze im dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Für die gemeinsame Aussprache steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 12 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die SPD-Fraktion in Person des SPDVorsitzenden. – Bitte schön, Herr Müller, Sie haben das Wort!
(...) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. (...) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
In diesem Jubiläumsjahr 2009 feiern wir auch 60 Jahre Bundesrepublik und damit 60 Jahre Grundgesetz. Wir würdigen damit die Werte unseres Grundgesetzes, von denen ich einige genannt habe. Diese Werte sind richtig und wichtig für unser Zusammenleben – sie ermöglichen vielleicht erst unser Zusammenleben –, und um diese Werte unseres Zusammenlebens geht es auch in dieser Aussprache in der Aktuellen Stunde.
Das ist nichts Altes, nichts Verstaubtes, woran ich erinnern will, sondern etwas, was uns jeden Tag in unserer Stadt begegnet. Vor einigen Wochen hat es diesen Brief der Lehrerinnen und Lehrer aus Mitte gegeben, die für bessere Bedingungen an der Schule werben – für eine bessere Ausstattung, mehr Lehrer. Das ist völlig legitim, darüber wird man diskutieren und helfen. Wir haben darüber auch schon gesprochen. Aber diese Briefe machen auch immer wieder Folgendes deutlich: Die Lehrerinnen und Lehrer sagen, das, was wir für den gemeinsamen Lehr- und Lernerfolg brauchen, ist die gemeinsame Basis der Schülerinnen und Schüler. Nur dann ist es möglich, dass wir an unserer Schule gemeinsam erfolgreich sind, wenn diese gemeinsame Basis stimmt.
Wenn es so ist, dass viele Kinder und Jugendliche diese Basis von zu Hause nicht mehr selbstverständlich mitbekommen, dann müssen wir doch alles tun, damit es in der Schule organisiert wird, dass wir uns auf diese gemeinsamen Werte in unserer Schule für unser Zusammenleben verständigen.
Ich möchte deutlich machen, wie schlecht die Situation in Berlin über viele Jahrzehnte hin war. Aufgrund unserer besonderen Tradition und Geschichte und auch aufgrund der grundgesetzlichen Grundlage war die Situation bis 2006 so, dass nur rund 25 Prozent der Oberschüler überhaupt noch eine Wertevermittlung in Anspruch genommen und die anderen sich einfach abgemeldet haben. Es gab einige Bezirke, in denen das praktisch gar nicht mehr stattgefunden hat. Und zur Wahrheit gehört auch, dass CDU und FDP über Jahrzehnte darauf nicht reagiert haben. Auch, als sie beide in der Stadt allein regiert haben, haben sie nichts unternommen und diesen unhaltbaren Zustand einfach akzeptiert.
Erst diese Koalition hat gesagt: Das ist nicht der richtige Weg. Hier muss etwas anders entschieden werden. – Man hätte sich damals auch für Wahlpflicht entscheiden können. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Aber es ist aus unserer Sicht mit Sicherheit nur die zweitbeste Lösung. Wir wollen nämlich mit unserem gemeinsam verpflichtenden Ethikunterricht, dass die Kinder miteinander und voneinander lernen. Wir wollen es verpflichtend für die Schülerinnen und Schüler, ohne den Kirchen an der Schule etwas wegzunehmen. Wir haben diesen Unterricht eingeführt und formuliert, und erhalten das volle Religionsangebot an der Grundschule, so, wie es seit Jahrzehnten bekannt ist. Auch an der Oberschule wird es als freiwilliger Unterricht in den Räumen der Schule, jedes Jahr staatlich finanziert mit rund 50 Millionen Euro, angeboten. Da wird nichts vom Religionsunterricht abgeschafft. Auch das will ich hier deutlich betonen.
Nein, das, worum es hier geht, ist kein Kampf gegen die Kirche. Die Kirchen führen einen Kampf für eigene Interessen. Das ist völlig legitim und völlig in Ordnung.
Dafür sind auch Volksbegehren da. Das ist nicht zu kritisieren. Aber man muss es auch entsprechend einordnen. Für uns kann doch hier im Abgeordnetenhaus nicht die Frage im Mittelpunkt stehen, was das Beste für die Kirche ist. Für uns muss im Mittelpunkt die Frage stehen, was das Beste für die Stadt ist. Darum muss es doch gehen.
Es gibt zwei Punkte, die mich in den letzten Wochen in Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung um „Pro Reli“ berührt haben. Zum einen wollen offensichtlich viele die Lebenswirklichkeit in unserer Stadt nicht erkennen. Wir haben in der Stadt nicht nur Kinder und Jugendliche, die gefestigt aus starken, bildungsnahen Elternhäusern kommen, denen alles mitgegeben wird und die in der Schule noch freie, zusätzliche Angebote brauchen und in Anspruch nehmen wollen. Die Lebenswirklichkeit ist doch, dass wir viele Kinder und Jugendliche haben, die genau diese Unterstützung nicht haben, die Orientierung und Hilfe brauchen, für die das Miteinander und Voneinanderlernen in der Schule von besonderer Bedeutung ist. Für die müssen wir doch etwas an unserer Schule organisieren.
Das, was wir machen, ist eine Bereicherung und Ergänzung zum freiwilligen Religionsangebot. Es ist ein Mehr an Möglichkeiten. Man hat das gemeinsame, verpflichtende Von- und Miteinanderlernen und dazu noch das freiwillige Religionsangebot. „Pro Reli“ und Sie wollen genau das Gegenteil. Sie wollen einschränken und sagen, man müsse sich zwischen dem Einen oder Anderen entscheiden. Das beschneidet die Möglichkeiten an der Berliner Schule. Das ist der Punkt.
Es gibt einen zweiten Punkt, der mich berührt. Das ist das Kampagnenmotto. Werte brauchen Gott. Ich sage es hier ausdrücklich, dass ich als Christ darüber empört bin. Ich finde, dass dieses Kampagnenmotto der Kirchen und der CDU spaltet und trennt.
Ja, auch das will ich betonen. In unserer Stadt gibt es sehr viele Menschen, für die die christlichen Werte, die Kirche und die Religion sehr wichtig sind. Das ist völlig in Ordnung und richtig und gut. Ich weiß aber genauso, dass es sehr viele Menschen gibt, die nicht religiös sind, die keiner Kirche oder keiner Religion nahe stehen. Auch diese Menschen vertreten Werte. Sie leben Werte. Sie sind wertvoll. Die Haltung, die sich mit dem Kampagnenmotto
„Werte brauchen Gott“ verbindet, ist eine Haltung, die wir überwinden müssen. Wir müssen zusammenführen in unserer Stadt, wir müssen einen und nicht trennen. Darum geht es.
Ich will es hier noch einmal betonen. Für diese gemeinsame Wertevermittlung hat es im Vorfeld auch vor der Einführung des Ethikunterrichts viele Gesprächsangebote gegeben, Angebote zur Zusammenarbeit. Es ist jetzt die Zeit der Entscheidung. Vom Verfahren her wird das nicht mehr aufzuhalten sein. Ich will es hier aber auch deutlich sagen: Die Tür für weitere Gespräche auf Grundlage des gemeinsam verpflichtenden Ethikunterrichts bleibt offen. Es geht hier um eine herausragende bildungs- und integrationspolitische Entscheidung, die wir zu treffen haben. Sie rechtfertigt auch einen frühen Wahltermin. Auch das will ich deutlich sagen. Wir wollen Klarheit in dieser Frage, eventuell auch, wenn anderes entschieden wird, um zu einer schnellen Umsetzung an der Schule zu kommen. Ganz klar ist, dass es hier eine Frage ist, die herausgehoben für sich steht, die nichts mit dem Lissabon-Vertrag und nichts mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu tun.
Wissen Sie, Ihr Lachen und Kopfschütteln ist unangebracht. Drei CDU-Ministerpräsidenten im Saarland, in Thüringen und Sachsen sagen, dass sie die Landtagswahl drei Wochen vor der Bundestagswahl machen, weil das nichts mit einem bundespolitischen Thema zu tun hat. Diese Frage hat mit Sicherheit nichts mit einer Europawahl zu tun.
Noch zwei Anmerkungen möchte ich machen, wenn es immer um das Geld geht. Wenn es bei dieser Frage um das Geld gehen würde, hätte man Volksbegehren gar nicht einführen dürfen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat es schon Millionen gekostet. Das ist in Ordnung. Wer mehr Demokratie will, muss es eben auch bezahlen. Das ist überhaupt kein Problem.