Lieber Özcan! Mich macht das schon sehr betroffen, wenn du hier sagst, die CDU sollte sich endlich einmal ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen.
Ich bin auf dich zugekommen. Ich habe dir gesagt: Komm, wir gehen in eine Grundschule, wo du die Segregation erlebst, siehst und hörst! – Wir waren da. Du bist vom Stuhl gefallen, als du die Realitäten gehört hast, wie in dieser Schule der Alltag verläuft. Raum für Dialog gab es nicht. Du hast dieser Schule versprochen, politisch und sozial etwas zu unternehmen, der Schule pädagogisch zur Seite zu stehen. Eine Schule mit 400 Kindern, 90 Prozent Migrationshintergrund, steigende Tendenz des Islamunterrichts. Herr Gaebler! Lassen Sie sich aufklären! Sie bringen hier politische Organisationen durcheinander. „Pro Reli“ kooperiert nicht mit der Islamischen Föderation, sondern mit einer anderen. Herauszufinden, welche das ist, ist Ihre Hausaufgabe.
Jetzt noch etwas anderes: Im Jahre 2003 – Nachhilfeunterricht tut gut – waren die Zahlen – – Es ist mir egal, ob Sie gute Ratschläge annehmen oder nicht. Sie sind der Geschäftsführer, Sie sollten für so etwas offen sein. So viel Reife erwarte ich von Ihnen.
Im Jahre 2003 hat die Islamische Föderation an den Berliner Schulen mit ca. 2 000 Schülern angefangen. Wir sind im Jahr 2009 bei 4 500 Schülern angekommen, und die Zahl ist eine steigende. Antwort darauf ist nicht nur die Ethik als solche. Wahlpflichtfach bedeutet nicht Zwang. Ich weiß nicht, über welche Verteufelung wir hier sprechen.
Ich habe den Anspruch, mein Kind in so einen Unterricht zu schicken. Für mich ist Ethik keine Antwort. Deshalb kann es auch nicht sein, dass Sie über diese Menschen so sprechen, als ob es ein Beschluss der Berlinerinnen und Berliner wäre. Wahlpflichtfach bedeutet eine Alternative zu dem, was wir jetzt haben. Wovor hat denn diese Fraktion oder dieses Haus überhaupt Angst? Was wird hier unterlaufen und untergraben? Das ist für mich absolut unvorstellbar. Es gibt sogar viele Pläne in vielen Bundesländern – angefangen von Bayern, wo es seit zehn Jahren erfolgreich durch die deutsche Schulaufsicht angewendet wird –, den Islamunterricht anzubieten, und es läuft sehr erfolgreich. Wovor hat Berlin Angst? Sind wir schon so
Herr Mutlu! Ich gehe davon aus, dass Sie antworten möchten. Sie haben jetzt dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!
Wenn jemand anderes geredet hätte, hätte ich ein bisschen anders reagiert. Aber, liebe Emine, ich bin mal rücksichtsvoll.
Ein Ethikfach ist auch für Familien wie deine sehr notwendig, weil dadurch den Kindern mehr mit auf den Weg gegeben wird, als wenn man nur in einen separaten Religionsunterricht geht.
Das war eine Metapher, die sie benutzt hat. Ich bin nicht vom Stuhl gefallen. Aber egal! Das war eine Grundschule. Ethik wurde für die Jahrgänge sieben bis zehn eingeführt.
Das wollen wir auch so beibehalten. Ich wusste gar nicht, dass die CDU Ethik künftig auch in der Grundschule haben will.
Dann müssen Sie mal klar sagen, was Sie wollen. Wenn es nämlich Ethik in der Grundschule gibt, dann haben die Kirchen wirklich als Erstes ein großes Problem, weil dann wahrscheinlich viel mehr Schäfchen zu diesem Fach gehen werden, als es jetzt in der siebten, achten, neunten, zehnten Klasse der Fall ist.
Die Islamische Föderation wird immer als Teufel an die Wand gemalt. Nicht nur seit 2003, sondern seit 2000 geben diese Leute Unterricht in der Berliner Schule. Ich habe es vorhin gesagt. In neun Jahren haben sie es geschafft, in einer Stadt, in der 350 000 Muslime leben, lediglich 4 400 Muslime für ihren Religionsunterricht zu begeistern. 350 000 Muslime auf der einen Seite, 4 400
auf der anderen Seite! Also Leute, lassen wir mal die Kirche im Dorf! Davon geht das Abendland auch nicht unter.
Ich würde gerne den Unterricht der Religionsgemeinschaft Islamische Föderation stärker kontrollieren, aber ich bin auch an die Verfassung gebunden. Die Verfassung gibt dem Staat kein Recht, auf diese Organisationen, welche sich Glaubensgemeinschaft nennen, im Bereich der Bekenntnisse Einfluss zu nehmen. Das ist so. Dann müssen Sie das Grundgesetz ändern. Das ist ein grundgesetzliches Recht der Glaubensgemeinschaften. Da wollen Sie doch sicherlich nicht ran, weil da die Kirchen genauso betroffen sind. Also ein bisschen weniger Emotion, ein bisschen mehr Sachlichkeit! Wir gucken, was der Bürger, die Bürgerin in dieser Stadt am 26. April entscheidet, und am 27. April sind wir alle viel schlauer.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Zillich das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat, wir haben ein Volksbegehren „Pro Reli“ gehabt. Das hat eine erhebliche Unterstützung erfahren, allerdings auch aufgrund dessen, dass wir einfachere Sammlungsmethoden wollten. Die haben sie genutzt, über Weihnachten in verhältnismäßig vollen Kirchen. 265 000 Unterschriften sind zu respektieren. Jetzt hat das Volk das Wort. Denn das Gute an dem, was wir mit mehr direkter Demokratie, mit Volksentscheiden eingeführt haben, ist ja nicht, dass Umfragen entscheiden, ist auch nicht, dass Unterschriftensammlungen entscheiden, sondern ist, dass Volksabstimmungen entscheiden.
Genau dafür legen wir jetzt die Grundlage. Das Parlament hat die Möglichkeit, mit seiner Legitimation, die durch Wahlen entstanden ist, zu sagen, wir übernehmen das Anliegen oder wir übernehmen das Anliegen nicht. Dazu ist es vollständig berechtigt. Dabei ist auch nichts Schlechtes, das souverän zu entscheiden, und dann hat das Volk das Wort. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es eine kluge Entscheidung treffen wird, auch wenn ich nicht unbedingt sagen kann, dass ich mich auf diese Auseinandersetzung freue. Ich habe, glaube ich, schon einmal von dieser Position aus gesagt, dass solche Kampagnen bei Volksabstimmungen nicht immer unbedingt Horte der Komplexität und der Aufklärung sein werden. Sicherlich wird es unausweichlich sein, dass es in dieser Kampagne zu der einen oder anderen Verletzung kommt, aber gut, wir haben diese Auseinandersetzung, und jetzt werden wir sie führen.
Jetzt werden wir auch eine vernünftige Entscheidung bekommen. Ich sage, wofür wir werben: Wir werben dafür, dem Anliegen von „Pro Reli“ nicht zuzustimmen, weil es eben nicht um Wahlfreiheit, sondern Wahlzwang geht,
weil es um den Zwang geht, entweder Religionsunterricht machen zu können oder, wenn man Religionsunterricht macht, das Fach Ethik abwählen zu müssen.
Wir werden dem Anliegen von „Pro Reli“ nicht zustimmen, weil es eine bewährte Berliner Regelung abschaffen möchte, nämlich die bewährte Berliner Regelung des freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts,
der seinerzeit mit Unterstützung der Liberalen eingeführt worden ist. Das ist eine gute Regelung, weil sie deutlich macht, dass Religion eine freiwillige Angelegenheit ist und weil es auch eine gute Regelung für eine multireligiöse und multikulturelle Stadt ist. Denn worauf kommt es im Umgang mit Religion an? – Auf Gleichbehandlung und auf Flexibilität, und das ist bei einer freiwilligen Regelung besser durchzusetzen.
Wir werden diesem Anliegen nicht zustimmen, weil wir nicht der Auffassung sind, dass es eine gute Idee ist, zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge – wie es „Pro Reli“ macht – zu Komplementären, zu Alternativen zu erklären, nämlich einerseits einen Bekenntnisunterricht, einen Religions- und Weltanschauungsunterricht, der seine Berechtigung hat, und andererseits einen weltanschaulich neutralen integrativen Ethikunterricht. Dazwischen zu wählen, ist nicht sinnvoll.
Dass diese beiden Fächer eine gänzlich unterschiedliche Funktion haben, sieht auch „Pro Reli“ so. Denn wenn man sich die Konsequenz ihres Gesetzentwurfs anguckt, sieht man: Das eine ist ein Bekenntnisunterricht – ganz deutlich so dargestellt –, und das andere ist ein integratives Fach, wo es um Verständigung, um weltanschaulichreligiöse Neutralität geht. Welchen Sinn soll es machen, dazwischen zu wählen, und warum sollen nur die einen in den Genuss eines integrativen Fachs kommen und die anderen nicht?
Zum Dritten: Wir sagen Nein zum Wahlzwang und sind gegen das Anliegen von „Pro Reli“, weil es eine ganz wichtige Berliner Errungenschaft, nämlich den gemeinsamen Ethikunterricht, abschaffen will. Es ist eben so, dass wir in einer Stadt, wo so viele Nationalitäten zusammenleben, wo so viele unterschiedliche kulturelle Hintergründe zusammenkommen, nicht darauf vertrauen können, dass sich Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, gegenseitiger Respekt, Werte des friedlichen Zusammenlebens automatisch herstellen können.