Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Herr Steuer hat das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Sie wissen doch genauso gut wie ich, was im Islamunterricht der Islamischen Föderation jenseits von genehmigten Lehrplänen tatsächlich passiert. Nicht ohne Grund wird diese Organisation vom Bundesverfassungsschutz beobachtet. Dass an den Schulen, wo diese Organisation unterrichtet, eindeutige Segregationstendenzen zu beobachten sind, wissen Sie doch auch. Und ich möchte gar nicht wissen, was in diesem Unterricht und im Koranunterricht, zu dem die Schüler durch diese Organisation hingebracht werden, tatsächlich über das Thema Homosexualität und Gleichstellung in der Gesellschaft gesprochen wird. Das ist gefährlich, und Sie bieten dem Raum, indem Sie einen unkontrollierten Islamunterricht an den Berliner Schulen zulassen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Gaebler möchte antworten und hat das Wort. – Bitte sehr!

Lieber Kollege Steuer! Es ist ja interessant, dass Sie das an einer Organisation festmachen, die zumindest von „Pro Reli“ heftig umworben wird, ihre Kampagne mit zu unterstützen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Das ist schon ziemlich spannend, und dass „Pro Reli“, Herr Lehmann, überall auftritt und sagt: Es ist ganz toll, die islamischen Gemeinden, Vereine und Initiativen müssen das alle unterstützen, damit sie endlich mehr Einfluss auf den Religionsunterricht bekommen. – Deshalb, lieber Herr Steuer, ist das schon einmal ziemlich verlogen gewesen.

Aber jetzt sage ich Ihnen mal: Sie können auch gern in die katholische Kirche gehen. Dort ist es nun einmal so – das ist gar nicht ehrenrührig –, dass die Regeln der katholischen Kirche Homosexualität nicht akzeptieren – als Sünde nach den Regeln der Kirche.

[Andreas Gram (CDU): Quatsch!]

Tut mir leid! Es gibt eine gewisse Toleranz, aber von dem, was erst mal Duktus ist... Und im Koran ist es ähnlich. Wenn Sie das alles besser wissen, gut

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist rassistisch, was Sie hier treiben! Sie grenzen alle Moslems aus!]

Herr Lindner, es ist mir neu, dass Katholiken eine Rasse sind. Aber Sie haben da offensichtlich andere Erkenntnisse.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ich weiß, dass Sie Katholik sind. Aber ich würde Sie trotzdem nicht einer Rasse von Katholiken zuordnen. Ich denke, Sie gehören da einer Glaubensgemeinschaft an.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Sie grenzen alles aus!]

Ich selbst gehöre – –

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gaebler!

Herr Dr. Lindner! Ich weiß ja, dass Sie hauptsächlich durch Pöbeln und Schreien auffallen, dass Sie es aber nicht ertragen können, wenn man hier auch einmal ein klares Wort ausspricht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Insofern können Sie jetzt vielleicht einmal den Ältestenrat einberufen und sich dann über mich beschweren.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das machen Sie! Ich beantrage keinen Ältestenrat! Ich bin nicht so eine Memme wie Sie!]

Wissen Sie, wenn ich Katholik wäre, würde ich sagen, ich zünde mal ein Kerzlein für Sie an, aber als Protestant macht man das nicht.

Jetzt noch einmal zum Punkt zurück. – Herr Steuer! Ich glaube, dass Sie eine falsche Vorstellung davon haben. Natürlich wird auch in einem staatlich überprüften Islamkundeunterricht und in einem staatlich überprüften katholischen Unterricht die Grundlage dessen, was Inhalte dieser Religionen sind, auch Inhalt des Ganzen sein. Insofern können Sie nicht vermeiden, dass die Kinder daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen. Und das können Sie, wenn Sie sagen, Sie wollen die verschiedenen Kulturen und Religionen zusammenbringen, nur in einem gemeinsamen Unterricht und unter einer entsprechenden pädagogischen Aufsicht zusammenbringen. Sie können es, wie gesagt, nicht der Schulhofdiskussion überlassen, was Sie offensichtlich wollen. Insofern, Herr Steuer, hören Sie auf mit Ihrer Parole „Freie Wahl für die Schulhofdiskussion“! Wir wollen einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle, ergänzt durch den Religionsunterricht. Das ist die größte Freiheit, die wir an dieser Stelle den Schülerinnen und Schülern bieten können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Das Wort für eine Kurzintervention hat Frau Demirbüken-Wegner.

Entschuldigung, das ist doch laut Geschäftsordnung nicht möglich. Wir waren zunächst davon ausgegangen, dass es eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Steuer geben sollte. Das ist nicht der Fall. Es gab eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Gaebler, und dann gibt es keine weitere.

Deswegen hat jetzt das Wort für die Grünen der Abgeordnete Mutlu. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, das ist ein ernstes Thema, und wir sollten mal ein bisschen ernst mit dem Thema umgehen, vor allem in den Reihen der CDU.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Lieber Herr Steuer! Lassen Sie einfach die Kirche im Dorf! Der Wissenschaftliche Dienst dieses Hauses hat nämlich untersucht, ob ein Wahlpflichtbereich Religion mehr Einfluss, mehr Kontrolle für den Religionsunterricht egal welcher Glaubensgemeinschaft bedeutet oder nicht. Er ist zu dem Ergebnis gekommen – ich kann Ihnen gern

das Gutachten geben –, dass wir nicht mehr und nicht weniger Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf das Fach Religion haben, egal ob Islamische Föderation oder katholische Kirche usw. Da sollten Sie mal bei der Wahrheit bleiben!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Ich bin es langsam leid, dass Sie immer wieder versuchen, dieses durchaus ernst zu nehmende und ernste Thema parteipolitisch zu instrumentalisieren. Nichts anderes tun Sie hier, ständig machen Sie das hier!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die Islamische Föderation gehört nicht zu meinen Freunden – ganz im Gegenteil. Als ich Bezirksverordneter war, habe ich damals vor über einem Jahrzehnt immer dagegen gekämpft. Aber diese Organisation – ob es uns gefällt oder nicht – hat bis zum höchstrichterlichen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts leider die Anerkennung als Glaubensgemeinschaft bekommen. Damit hat sie laut Verfassung von Berlin das Recht, Unterricht an der Berliner Schule zu geben – ob es uns passt oder nicht. Das ist aber die rechtliche Lage, und das müssen Sie auch akzeptieren.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich wünschte mir natürlich, dass es weitere islamische Organisationen gäbe, die eher auf dem Boden der Verfassung stehen – das ist meine Interpretation – als die Islamische Föderation, die den Religionsunterricht für den Bereich Islam gibt. Aber das ist leider nicht der Fall. Vielleicht kommt ja etwas.

Ich möchte trotzdem Kritik an dem Senat üben. Ich fand es immer problematisch, dass der Senat zumindest den Eindruck erweckt hat, als würde er mit irgendwelchen Verfahrenstricks versuchen, „Pro Reli“ von ihrem Vorhaben abzubringen; zumindest hat er nichts dagegen getan, dass der Eindruck entsteht. Die Termindebatte war eine leidige, die hätte diese Stadt sich sparen können. Ich finde, wir müssen als Haus respektieren, dass über 260 000 Menschen anderer Auffassung sind als die Mehrheit dieses Hauses. Das wird dann am 26. April vom Souverän entschieden, vom Bürger, was sie für diese Stadt als besseres Modell sehen. Ich finde das jetzige Modell richtig. Es wurde nicht ohne Grund vor drei Jahren eingeführt, und daran sollten wir festhalten. Unser Motto ist: Ja zum Ethikfach, Ja zum freiwilligen Religionsunterricht!

Wir sollten auch an dieser Stelle bei der Wahrheit bleiben. An dem Status des Religionsunterrichts hat sich seit der Einführung des Ethikfachs nichts geändert – weder finanziell noch pädagogisch noch organisatorisch.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Wenn man sich die Zahlen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Religionsunterricht der großen Kirchen anguckt, wurde kein dramatischer Rückgang verzeichnet.

Die große Angst vor dem Untergang des Abendlands war unberechtigt: lediglich 2,6 Prozent Rückgang, und das bei dem Schülerschwund, den wir in den letzten Jahren in dieser Stadt haben.

Das ist, denke ich, verkraftbar. Die katholische Kirche sollte im Übrigen ganz still sein. Da gibt es sogar einen Zuwachs an Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Religionsunterricht. Ich kann nur unsere Position wiederholen: Ja zum Ethikunterricht, Ja zum freiwilligen Religionsunterricht! Das hat sich bewährt, das kann man tagtäglich erleben, wenn man will. Da braucht man nur in die Schulen zu gehen und mit den Lehrerinnen und Lehrern zu reden. Ich wiederhole mich ungern, aber ich sage es trotzdem noch mal: Da, wo früher die Fäuste gesprochen haben, reden die Jugendlichen jetzt miteinander, und das ist auch gut so, und das soll auch so bleiben, finde ich.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Wir brauchen in dieser multireligiösen und multikulturellen Stadt Raum für Dialog und Austausch in der Schule. Das bietet dieses Ethikfach an, im Übrigen einmalig in der Bundesrepublik. Das, finde ich, werden wahrscheinlich in Zukunft manche Bundesländer sogar von uns abkupfern, weil das ein Erfolgsmodell ist. Aber Religionsunterricht muss und kann es weiterhin auf freiwilliger Basis geben. Daran sollte man auch nicht rütteln, finde ich. Wer für sein Kind Bekenntnisunterricht in der Schule will, der soll das auch bekommen. Einen Kulturkampf oder einen Kirchenkampf, wie manche sagen, braucht diese Stadt wirklich nicht. Deshalb kann ich nur sagen: Liebe Kollegen auch von der CDU!

Entschuldigung, Herr Mutlu! Sie haben es längst bemerkt, Ihre Redezeit ist beendet.

Letzter Satz! – Die Wahlfreiheit haben wir jetzt.

[Nee! von der FDP]

Wer „Pro Reli“ unterstützt, der will Wahlzwang. Wir sind gegen Wahlzwang. Wahlfreiheit, Ja zu Ethik, Ja zum freiwilligen Religionsunterricht! Und das sollten auch Sie auf Ihre Fahnen schreiben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]