Wir wollen damit den Berlinern das freie Wahlrecht zurückgeben. Wir wollen ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion, und wir wollen einen kontrollierten und kontrollierbaren Islamunterricht durch an deutschen Universitäten ausgebildete Lehrkräfte. Hören Sie endlich auf, diese Probleme in der Stadt einfach zu ignorieren!
Dass Sie in der Koalition ein Problem mit mehr Freiheit haben, ist nicht neu. Dass Sie aber einen Glauben an Ihr Ethikfach entwickelt haben, überrascht doch sehr.
auf der anderen Seite haben Sie einen irrationalen Glauben an einen irgendwie glückselig machenden Ethikunterricht entwickelt. Meine Damen und Herren von der Koalition! In einer so atheistischen Stadt wie Berlin müssten Sie doch eigentlich gar keine Angst haben, dass niemand mehr zu Ihrem Ethikunterricht geht. Oder haben Sie etwa Angst?
[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben wir auch nicht, Herr Steuer! Hatten wir bei Tempelhof auch nicht!]
Also hören Sie doch damit auf, Ihre Ideologie einfach allen aufzwingen zu wollen und zu entscheiden, was für alle das Richtige ist, und damit gleichzeitig die Verfassung zu verbiegen, um letztlich zu diesem ungünstigen Abstimmungstermin zu kommen! Geben Sie den Menschen das Wahlrecht über Ethik und Religion zurück! Geben Sie den Menschen das Wahlrecht, an einem Termin abzustimmen, der nicht der ungünstigste ist, den man sich aussuchen kann! – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Steuer! – Für die SPDFraktion hat der Kollege Gaebler nunmehr das Wort. – Bitte, Herr Gaebler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Steuer! Nach Ihrem Vortrag könnte man den Eindruck haben, ist ein Volksbegehren zustande gekommen, so muss das Abgeordnetenhaus diesem unverzüglich zustimmen. Dieses steht aber nicht in der Verfassung von Berlin, sondern da steht in Artikel 62:
Ist ein Volksbegehren zustande gekommen, so muss innerhalb von vier Monaten ein Volksentscheid herbeigeführt werden.
Genau dafür wollen wir heute die Voraussetzung schaffen, nachdem der Senat den Termin festgelegt hat, indem
wir klarmachen, dass die Mehrheit dieses Parlaments der Zielstellung des Volksbegehrens nicht entsprechen will und somit auch eben die Möglichkeit hat, dass die Berlinerinnen und Berliner wirklich darüber abstimmen und entscheiden, ob sie eine Veränderung oder die bisherige Regelung beibehalten wollen. Wir glauben, dass das gut so ist, dass darüber abgestimmt werden kann, und verstehen überhaupt nicht, Herr Steuer, dass Sie das offensichtlich vermeiden wollen. Haben Sie vielleicht Angst vor dem Volk, davor, dass das Volk abstimmt?
Wollen Sie deshalb diesen Klamauk hier machen mit einem heute per Tischvorlage dringlich eingereichten Antrag, einen Gesetzesantrag, mit dem Sie jetzt so tun, als ob sie „Pro Reli“ hier in diesem Haus Geltung verschaffen wollen? Wir respektieren die 266 000 Unterzeichner und Unterzeichnerinnen.
Und wir werden ihnen jetzt zügig die Möglichkeit verschaffen, für ihr Anliegen und beim Volksentscheid für eine Mehrheit zu werben. Wir werden genauso intensiv dafür werben, dass es keine Mehrheit für dieses Anliegen gibt. Dafür haben wir gute Gründe. Dafür haben wir offensichtlich auch bessere Gründe als Sie, weil Sie inhaltliche Reden zu dem Thema offensichtlich nicht mehr halten.
Bei Ihnen geht es nur noch um Tricksen, Termine, angebliche Mengen. Dazu nur einmal ein Zitat von Herrn Pestalozza, nicht Mitglied der SPD, auch, glaube ich, als Verfassungsrechtler unangefochten. Es heißt:
Der frühe Termin für den Volksentscheid „Pro Reli“ am 26. April ist nach Ansicht des Berliner Verfassungsrechtlers Christian Pestalozza positiv für die Initiatoren. „Ich kann den Pessimismus der Veranstalter von ‚Pro Reli’ nicht teilen“, sagte Pestalozza am Mittwoch in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur.
[Christoph Meyer (FDP): Das ist ja eine sehr juristische Einschätzung! – Mieke Senftleben (FDP): Auch Juristen können irren!]
Insofern, Herr Steuer, sollten Sie weniger die CDUPostillen lesen oder sich von den eigenen Pressemitteilungen besoffen machen lassen. Einfach einmal darüber hinausschauen, überlegen, was wirklich dahinter steckt, und sehen: Dieser Termin, der 26. April, ist so gut und so schlecht wie jeder andere. Er entspricht der Verfassung, und er wird allen die Möglichkeit geben, ihr Anliegen darzustellen und dort auch abzustimmen.
Lieber Herr Kollege Gaebler! Fanden Sie, dass dies jetzt eine rechtliche Würdigung des Staatsrechtlers Pestalozza oder mehr eine allgemeinpolitische Einschätzung war?
Ich kann Ihnen gerne den gesamten Wortlaut des dpaGesprächs zur Verfügung stellen. Ich nehme an, Sie haben es eben nicht gelesen, weil Sie nur Ihre eigenen Pressemitteilungen oder die der CDU lesen.
Das lasse ich Ihnen nachher gerne da. Da gibt es auch eine umfangreiche rechtliche Würdigung des Ganzen.
Ich erspare uns das jetzt aber, weil ich glaube, das Thema sollte man nicht rechtlich, sondern inhaltlich aufhängen. Da haben wir gute Gründe, für unseren Berliner Weg in der Frage Ethik und Religionsunterricht zu werben. Deshalb noch ein Beispiel, bei dem ich Sie bitte, darüber nachzudenken, was es heißt, wenn das Anliegen von „Pro Reli“ umgesetzt wird. Das heißt, die Schüler haben nicht mehr wie bisher einen gemeinsamen Ethikunterricht, in dem sie sich über Grundwerte, Grundfragen und Grundrechte unserer Gesellschaft auseinandersetzen können. Nehmen Sie das Thema Homosexualität und Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Da gehen die Kinder in den Islamunterricht, sagen wir 50 Prozent der Klasse geht dorthin, wird dort unterrichtet.
Lassen Sie mich einmal ausreden! Sie haben es nicht verstanden. Danke, damit zeigen Sie, dass Sie das Problem nicht verstanden haben.
Es geht um Grundwerte des Zusammenlebens in unserer Stadt. Es geht darum, wie wir miteinander umgehen, wie man den anderen respektiert, egal, welche Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche sexuelle Überzeugung er hat. Das, mein lieber Herr Zwischenrufer, den ich jetzt nicht identifizieren konnte, ist doch genau die Frage: Wollen wir das künftig nach Religionsgemeinschaften getrennt im Islamunterricht, bei den Katholiken und den
Protestanten, oder wollen wir es gemeinsam in einem Ethikunterricht machen, ergänzt natürlich durch das, was die Religionsgemeinschaften an Angeboten machen? Was soll dabei herauskommen, wenn die Kinder das in drei oder vier verschiedenen Unterrichten lernen und sich über das auf dem Schulhof austauschen, was sie da erfahren haben? Die einen sagen dann, das ist Sünde, das ist Übel, der Koran verbietet das, die Bibel verbietet das oder was immer die Interpretation ist, und die anderen kommen mit dem Grundgesetz und sagen: Hier steht aber, dass das geht. Dann kann die Schulhofaufsicht da moderieren. Ist das Ihre Vorstellung: Werteunterricht auf dem Schulhof?
Deshalb glauben wir, dass es wichtig ist, dass sich Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Grundwerten auseinandersetzen. Wir glauben auch, dass sich Ihre Mogelpackung Wahlfreiheit entlarven wird, denn in Wirklichkeit schränkt sie die Wahl ein.
Im Moment kann man Ethik und Religion wählen. Nach Ihrer Auffassung kann man künftig nur noch Ethik oder Religion nehmen. Diese Reduzierung dessen, was in unserer Schule an Angebot gemacht wird, wollen wir nicht mittragen. Deshalb bitten wir, unserem Antrag zuzustimmen, und fordern alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich am 26. April am Volksentscheid zu beteiligen und mit Nein zu stimmen. – Vielen Dank!