Die Drucksache 16/2201 hatte ich bereits vorab an den Hauptausschuss überwiesen. Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Paragrafen miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 3 sowie den dem Gesetzentwurf als Anlage beigefügten Nachtragshaushaltsplan Drucksachen 16/2100 und 16/2230. – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 10 Minuten zur
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen hatten nicht die Kraft, im Bundesrat für das Konjunkturpaket II zu stimmen. Die Linksfraktion hat sich durchgesetzt. Sie nimmt das Geld gerne, hat aber keine Kraft, dafür auf der Bundesebene Verantwortung zu übernehmen. Die SPD und der Regierende Bürgermeister Wowereit konnten sich nicht durchsetzen. Das ist schäbig für das Ansehend des Landes Berlin!
Es wird jetzt also Geld ausgegeben, mit dem im Wesentlichen drei Sachen finanziert werden sollen. Zunächst einmal die unterlassene Instandhaltung der letzten sieben Jahre im Schulbereich. Da hat man auf Kosten der Schülerinnen und Schüler die Unterhaltungsmaßnahmen und die Neubauinvestitionen gestreckt oder minimiert. Man hat es zugelassen, dass Schülerinnen und Schüler in immer schlechter werdenden Schulgebäuden mit immer schlechter werdender Ausstattung lernen müssen. Dies wird nun mit den Krisengeldern, die vom Bund kommen, zu korrigieren versucht.
Zum Zweiten wird die Abschaffung der Gymnasien unter dem löchrigen Mäntelchen einer Schulreform finanziert. Man muss sich das vorstellen: Charlottenburg-Wilmersdorf, Gottfried-Keller-Gymnasium etwa; das einzige Gymnasium in einem Sozialbereich, der in etwa mit dem von Neukölln-Nord vergleichbar ist. Dieses Gymnasium wird demnächst geschlossen werden. Finanziert wird das Ganze mit Konjunkturprogramm-Mitteln. Das ist für die Leute vor Ort eine echte Verelendungsstrategie. Das werden wir unter gar keinen Umständen mittragen.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das kann der Bezirk doch anders machen! Der muss doch nicht dieses Gymnasium schließen!]
Die Schließung dieses Gymnasiums, liebe Kollegin, ist ja eine Entscheidung, die in Ihrer Koalition getroffen wurde. Die Schulstrukturreform ist mit Ihren Stimmen beschlossen worden. Ich gehe davon aus, die Handlungen des SPD-Stadtrats vor Ort werden auch von ihnen toleriert. Und das, was Herr Zöllner macht oder nicht macht, wird auch toleriert. Sie tragen dafür mit die Verantwortung, zumal es kein Einzelfall ist.
Und an dritter Stelle wird die energetische Sanierung von Gebäuden aus dem Konjunkturpaket finanziert, etwas, was jetzt mit Mitteln des Bundes angepackt wird, was uns seit sieben Jahren unter anderem der Kollege Buchholz immer als Monstranz vorneweg herträgt, wenn es um die angeblichen Vorhaben der Koalition im Umweltbereich geht. Aber erst jetzt, mit den Krisenmitteln, haben Sie die
Kraft und sind Sie in der Lage, so etwas zu realisieren. – Nur hohle Versprechungen und Aktionen zum Schaden der Stadt. Jetzt versucht man, das in Ordnung zu bringen mit den Mitteln des Konjunkturpakets II. So ist die rotrote Koalition hier im Land.
Gestern ist dieser Nachtragshaushalt beschlossen worden. Gleichzeitig mit dem Beschluss ist eine Sperre angebracht worden. SPD und Linke haben sozusagen einen Wundertütenbeschluss gefasst: Wir wissen zwar im Moment noch nicht, was drin ist, hoffen aber, wenn es groß knallt und wir vielleicht mal die richtigen Vorlagen bekommen, dann hat der Senat schon etwas hingezaubert. – Das ist ein absolut unerträglicher Umgang mit der Öffentlichkeit und ein unerträglicher Umgang mit dem Parlament, natürlich auch mit der Opposition. Denn wir wissen alle nicht – auch diejenigen, die gestern beschlossen haben –, was eigentlich finanziert werden soll. Der Senat weiß es auch noch nicht. Er hat zwar vor, in der nächsten Woche darüber zu beschließen, aber was genau passieren soll, ist völlig unbekannt. Wir werden also erst in der nächsten Woche erfahren, in welcher Form die Mittel umgesetzt werden sollen. Das ist zu Ende der Amtszeit dieses Finanzsenators sozusagen der negative Höhepunkt seiner Art und Weise, mit Opposition und mit der Verschleierung von Sachverhalten umzugehen.
Der Haushalt besteht im Wesentlichen aus einem Einnahmetitel, in dem die Mindereinnahmen der Steuern veranschlagt sind, wobei gestern selbst der zuständige Staatssekretär nicht genau wusste, welche Steuermindereinnahmen in welcher Höhe da eigentlich enthalten sind. Es gibt einen weiteren Einnahmetitel, in dem etwa die Hälfte des Bundeszuschusses aus dem Zukunftsinvestitionsgesetz veranschlagt ist. Und es gibt einen Ausgabetitel, in dem das Konjunkturprogramm des Senats veranschlagt ist. Mehr nicht – keine Einzelaufteilungen, die Transparenz schaffen und keine inhaltliche Unterlegung.
Was man allerdings daraus sehen kann, aus dem, was uns gestern in stundenlangen Nachfragen noch mitgeteilt worden ist, ist, dass zahlreiche Positionen verschleiert worden sind. Die Kosten für die Einstein-Stiftung sind in diesem Nachtragshaushalt nicht offengelegt bzw. nicht enthalten. Die Kosten für das Mietenkonzept fehlen – vom Senat beschlossen, nicht in den Nachtragshaushalt integriert. Die Risiken für die Nachnutzung des Flughafens Tempelhof – viel zu niedrig angesetzt, und genauso wie die Sanierung des Steglitzer Kreisels lässt man das Ganze sozusagen verschleiern in das Nirwana des Sondervermögens Immobilien bzw. in den Wirtschaftsplan der BIM. Absolut keine Transparenz und rein willkürliche Auswahl der Maßnahmen, die der Nachtragshaushalt enthält. Das ist ein wirklich ganz mieser Politikstil.
In der Finanzverfassung gibt es den Grundsatz der qualitativen Spezialität. Das heißt, die Zweckbestimmung muss hinreichend genau ersichtlich sein. Der Gesetzgeber,
also wir alle, Regierungsfraktionen wie Oppositionsfraktionen, muss sich über die Auswirkungen des Beschlusses im Klaren sein können. Das ist hier aufs Gröblichste verletzt worden. Die Opposition kann das leider nur beklagen. Verfassungsrechtliche Auseinandersetzungen haben praktisch keine Auswirkung. Aber wir müssen feststellen, hier wird systematisch ein demokratisches Prinzip ausgehöhlt, und davor warnen wir nachdrücklich.
Der Finanzsenator hat uns gestern leider nur mit einer sehr geringen Anwesenheit beehrt. Wir haben Sie bei einer fast neunstündigen Sitzung leider nur knapp 30 Minuten zu Gast gehabt und hätten uns gewünscht, dass Sie Ihren Nachtragshaushalt und diese Arbeit, die insgesamt von Ihrem Haus abgeliefert worden ist, bei uns persönlich verteidigen. Dazu haben Sie offensichtlich nicht den Mumm gehabt. Auch die Tatsache, dass Ihre für heute angekündigte Rede ausgefallen ist, spricht nicht gerade dafür, dass Sie von dieser Arbeit als einem souveränen Ergebnis überzeugt sind.
Die CDU-Fraktion hat ein ganzes Bündel eigener konkreter Vorschläge unterbreitet und zahlreiche Änderungsanträge gestellt. Das Geld für die Schulen und Kitas sollte insbesondere ohne zwischengeschaltete Landesaufsicht an die Bezirke verteilt werden. Es ist und bleibt ein Unding, dass dieser Senat einräumt, dass 250 Millionen Euro über den Landeshaushalt und die Senatsverwaltung verteilt werden, die eigentlich in der Zuständigkeit der Bezirke ausgegeben werden müssen. Mit diesem Nachtragshaushalt wird dieser Zustand noch verschlimmert, das heißt, die Senatsverwaltungen maßen sich an, Prioritätenlisten zu verändern und besser als die Bezirke beurteilen zu können, wo welches Geld benötigt wird. Das ist ein Prinzip der Schwächung der Bezirke, das sich durch die ganzen Verhandlungen des Hauptausschusses gezogen hat und das wir gestern wieder exemplarisch zur Kenntnis nehmen mussten.
Diese Koalition ist seit gut einem Jahr nicht in der Lage, selbst angekündigte Maßnahmen zur Stärkung der Bezirke vorzulegen und dann gemeinsam mit der Opposition zu beschließen. Wir haben uns im Hauptausschuss mehrmals über die Finanzstellung der Bezirke unterhalten. Wir wissen, dass Sie nicht vor einer Einigung stehen und hier vor dem kapitulieren, was dringend notwendig ist, nämlich dezentrale Verantwortung bei der Verausgabung dieser kleinteiligen Mittel und Stärkung der Bezirke. Das werden wir mit Rot-Rot nicht erleben.
Vorgestern hat der Finanzsenator das Elend in Berlin angeprangert, und gestern schien es uns so, dass er mit seiner 30-minütigen Anwesenheit vor diesem Elend kapituliert hat. Wir sehen den Grund ganz klar darin, dass er diese Abschiedsvorstellung nicht mehr geben wollte, dass die Koalition seinen finanzpolitischen Kurs vollständig aufgegeben hat. Dieser Nachtragshaushalt ist nicht aussa
gekräftig, unvollständig und damit verfassungswidrig. Er stellt den vorläufigen Tiefpunkt der Berliner Haushaltspolitik unter Rot-Rot dar und ist daher nicht zustimmungsfähig.
[Beifall bei der CDU – Beifall von Christoph Meyer (FDP) – Stefan Liebich (Linksfraktion): Apokalypse!]
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sollte es noch eines Nachweises bedürfen, dass die größte Oppositionspartei in Berlin nicht regierungsfähig ist,
so stelle ich doch fest, lieber Herr Goetze, den Nachweis haben Sie nun wirklich heute erbracht. Sie sind nicht regierungsfähig.
Wenn Sie die jährlichen Nobelpreisverleihungen verfolgt haben, wird Ihnen der Name Paul Krugman sicherlich etwas sagen. Paul Krugman ist in den Vereinigten Staaten schon über Jahre als Kritiker der Wirtschaftspolitik von George W. Bush bekannt, auch als Kritiker der Niedrigzinspolitik, die zu dieser Subprimekrise geführt hat. Paul Krugman, der den Wirtschaftsnobelpreis 2008 bekommen hat – und das kann man heute im „Stern“ in einem, wie ich finde, bemerkenswerten Interview nachlesen –, sagt dort einiges auch zu unseren, sage ich mal, SPDMitgliedern im Kabinett. Das will ich jetzt nicht zitieren.
Aber das können Sie ja nachlesen. – Aber Krugman sagt dort auch wörtlich – und das finde ich jetzt spannend, lieber Herr Goetze –:
Manchmal glaube ich, in Deutschland begreift man das ungeheure Ausmaß der Krise immer noch nicht ganz.
Denn was Sie nicht verstanden haben, Herr Goetze, ist, dass es bei diesem Nachtragshaushalt nicht um den Nachtrag geht. Wo Sie kleinteilig bekritteln, haben andere, hat ein Paul Krugman, haben wir, hat diese rot-rote Regierung in Berlin schon längst verstanden, worum es hier eigentlich geht,
um ein schnelles, kompetentes und sachgerechtes Signal in die Wirtschaft, in die Bezirke, in die Stadt hinein zugunsten von Arbeitsplätzen, lieber Herr Goetze!
Erstens: Die Investitionen seien möglicherweise nicht konform mit den Bundesregelungen zur energetischen Sanierung. – Bravo!
Zweitens: Das Haushaltsgesetz sei nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. – Das haben Sie hier noch mal wiederholt.