Herr Wowereit! Es wäre Ihr Job, dafür zu sorgen, dass Ihre Senatoren die Jobs, die sie zu tun haben und die sie zugesagt haben, auch machen. Aber diesen Job machen Sie selbst nicht. Das ist das Kernproblem.
Sie müssen doch mal mit Idealen und dem Wunsch, etwas zu bewegen, in die Politik gegangen sein. Warum lassen Sie dann aber dieses Mega-Thema – eines der größten Probleme der Menschheit – links liegen? Sie wollen nicht nur mit Berlin nicht Vorreiter werden, sondern Sie machen noch nicht einmal das, was 400 andere Städte machen. Das kapiere ich nicht. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns das mal erklären.
Beim Kohlekraftwerk ist die Sache ja gut ausgegangen. Es ist auch ohne Unterstützung des Senats jetzt endlich vom Tisch. Es ist ein erster, ein wichtiger Schritt, der Berlin die Chance eröffnet, auf Energiesparen, auf Energieeffizienz, auf erneuerbare Technologien zu setzen. Diese Chance müssen wir jetzt nutzen. Dafür brauchen wir Rot-Rot, dafür brauchen wir den Senat, sonst wird das in Berlin nicht gelingen. Deshalb lautet unser Appell: Lassen Sie uns endlich zu einer konstruktiven Auseinandersetzung über die Klimapolitik kommen!
Ja! Kommen Sie mit Hamburg! Die neuen Auflagen des Hamburger Senats für Vattenfall haben mehr zum Tod dieses Kohlekraftwerks hier in Berlin beigetragen als Ihr Senat.
Unsere Konzepte für ein Klima-Investprogramm, für einen Klima-Aktionsplan und viele Anträge zur Energie
effizienz liegen vor. Viele dieser Anträge liegen seit zwei Jahren im Ausschuss, und Sie weigern sich, sie zu beraten.
Legen Sie jetzt auch Ihre Konzepte auf den Tisch, und lassen Sie uns in diesem Haus endlich an die Arbeit gehen! Das ist unser Wunsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Zweifel. Die Nachricht von Vattenfall ist eine gute Nachricht für uns alle. Das haben hier heute auch alle gesagt. Es ist eine gute Nachricht für die Umwelt, aber aus FDP-Sicht muss ich auch sagen: Es ist eine gute Nachricht für den Wettbewerb im Wärmemarkt in Berlin. Das hat uns immer am Herzen gelegen.
Vattenfall wird hier massiv investieren, und Vattenfall wird die Versorgung sichern. Man muss auch einmal sehen, was alles an die Wand gemalt worden ist – übrigens auch von der SPD-Fraktion –: der Zusammenbruch des Fernwärmenetzes, der Verzicht auf Milliardeninvestitionen! – Es war alles Unsinn, was an Schreckbildern an die Wand gemalt wurde. Es hat sich bestätigt, dass das Unsinn war, und das sollte Ihnen peinlich sein.
Jetzt heften sich viele diesen Erfolg, der erreicht wurde, an die Brust – wir als FDP übrigens auch, denn wir haben auch unseren Teil dazu beigetragen. Viele von unseren Vorschlägen finden sich im Vattenfall-Konzept wieder. Aber entscheidend ist doch, dass sehr viele zusammen daran mitgewirkt haben – die Umweltverbände, die Politik in Lichtenberg, die vereinigte Opposition. Sogar Herr Buchholz hat versucht, den Senat zu treiben. Das erkenne ich an. Aber der Senat hat sich nicht treiben lassen. Das ist doch das Entscheidende. Wir haben es alle versucht, aber der Senat hat sich in dieser Frage überhaupt nicht bewegt. Rot-Rot hat zu diesem Verzicht auf das Steinkohlekraftwerk nichts beigetragen. Sie haben sich hinter Vattenfall versteckt.
Dann schauen wir uns einmal den Jamaika-Antrag an, den Sie abgelehnt haben! Frau Eichstädt-Bohlig hat ihn vorgetragen. Wir haben eine klare Entscheidung gefordert: Verzicht auf das Steinkohlekraftwerk! – Und wir haben
konkrete Alternativen vorgeschlagen, die übrigens jetzt im Konzept von Vattenfall drinstehen. Sie haben diesen Antrag abgelehnt. Ihnen war es noch nicht einmal peinlich, jetzt den Antrag vorzulesen, den Sie hier durchgestimmt haben. Darin ging es Ihnen nur um Details. Sie wollten das Kraftwerk nicht in dieser Größe, nicht an diesem Ort und vielleicht mit einer etwas anderen Technologie.
Die Aussage der SPD: „Wir wollen kein Steinkohlekraftwerk“ haben wir in diesem Hause nie gehört, und auf die warten wir eigentlich bis heute noch. Sie verstecken sich hinter Vattenfall.
[Beifall bei der FDP und den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Sagen Sie doch mal was über Atomkraft!]
Dass „Jamaika“ sich hier zusammengerauft hat – ja! CDU, Grüne, FDP haben, wenn es um die gesamte Energiepolitik geht, teilweise völlig andere Vorstellungen.
Aber bei diesem konkreten Thema haben wir es geschafft, gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten, das jetzt sogar von Vattenfall übernommen wird, und das ist eine große Leistung.
Herr Buchholz! Sie haben den Grünen Ideologie vorgeworfen. Das Einzige, was Sie heute ständig gegen „Jamaika“ sagen, ist, dass die FDP auch für Atomkraft sei. Herr Buchholz! Was das mit dem Kraftwerk in Lichtenberg zu tun hat, würde ich heute gern mal hören. Denn dass wir in Berlin Atomkraftwerke brauchen, das hat nun wirklich keiner vorgeschlagen.
Herr Buchholz! Das Peinliche für Sie und für die SPD ist, dass Vattenfall Sie überholt hat. Vattenfall hat in das Konzept Dinge hineingeschrieben, die Sie sich gar nicht zu fordern getraut haben. Vattenfall ist weiter als die SPD. Sie müssten jetzt kleinlaut da sitzen und sich ein bisschen schämen, dass Sie nicht so tapfer waren, Dinge zu fordern, die Vattenfall ohne Probleme übernehmen kann.
Vattenfall hat diese Verantwortung nicht. Das ist nämlich die Trennung zwischen Wirtschaft und Politik. Vattenfall hat in seinem wirtschaftlichen Betrieb als Unternehmen Entscheidungen zu treffen. Das haben sie getan. Sie sind sogar in der Verantwortung für Berlin darüber hinausgegangen. Aber die Politik – der Senat, Rot-Rot – hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen und Ziele vorzugeben. Energie ist eben kein normales Gut, und zu den Rahmen
bedingungen und Zielen gehört, dass Sie etwas für die Umwelt und für die Versorgungssicherheit tun und für den Erhalt des Wettbewerbs sorgen müssen. Hier ist der Senat gefordert. Das, was wir zu diesen drei Dingen von Ihnen gehört haben, ist nicht sonderlich überzeugend gewesen.
Was tut Rot-Rot für einen breiten Energiemix? Was tun Sie dafür, dass es mehr dezentrale Versorgung gibt? Was tun Sie dafür, dass andere Technologien gefördert werden? – Zu anderen Technologien gehört aus Sicht der FDP bundesweit zumindest auch die Kohle. Wenn es eine Chance gibt, CO2 abzuscheiden, warum sollen wir diese Option nicht weiterverfolgen?
Das war in Berlin kein Thema, weil diese Technik viel zu spät kommt, um sie für das Kraftwerk einzusetzen. Aber selbstverständlich darf es keine Tabu-Energien bei der Forschung geben. Das gilt für die Kohle, und das gilt genauso für die Kernenergie, Herr Buchholz!
Schauen wir uns doch mal das Vattenfall-Konzept an, das Sie jetzt alle so toll finden! Erstens setzt ein riesiger Teil des Konzepts auf Erdgas. Das ist nicht so leicht vom Tisch zu wischen, wie das eben Herr Wilke getan hat. Herr Thiel hatte doch mit seiner Presseerklärung völlig recht: Die Erdgasversorgung aus Russland ist fraglich. Erdgas ist ein teurer Brennstoff. Also muss man fragen, ob das eine zukunftsfähige Energie ist und was man dafür tut, um Versorgungssicherheit und Kosten im Griff zu behalten.
Was werden Sie bei den zukunftsweisenden Teilen des Konzepts von Vattenfall machen? – Vattenfall hat das aufgelistet. Sie haben von dezentraler Energie geredet. Was werden Sie dafür tun, dass das nicht nur Theorie bleibt, sondern aus den Stichworten wirklich etwas wird? Was werden Sie dafür tun, dass aus dem Wettbewerbsansatz etwas wird? – Das ist natürlich nicht die Frage für Vattenfall. Die sind froh, dass sie ihre Aufträge haben. Aber wie sorgen Sie dafür, dass es faire Chancen für andere im Wärmemarkt gibt?
Der Senat hat hierbei eine Verantwortung, die weit über die von Vattenfall hinausgeht, und diese Verantwortung fordern wir hier im Abgeordnetenhaus von Ihnen ein. Wir fordern klare Antworten auf die Fragen. Was tun Sie zur Sicherung des Wettbewerbs?
Werden Sie etwas dafür tun, dass andere Zugang zum Fernwärmenetz haben? Werden Sie etwas dafür tun, dass Haushalte eine Entscheidung haben, welchen Versorger sie haben wollen? Werden Sie klar sagen – was wir im
immer gefordert haben –, dass Sie einen Anschlusszwang für die Fernwärme ablehnen? – Das alles haben Sie bisher nicht getan. Das ist wichtig. Das ist eine Aufgabe des Senats für das Energiekonzept und den Wettbewerb.
Was tun Sie, um Strukturen zu fördern? – Große Gaskraftwerke allein reichen ja wohl nicht. Vattenfall hat sehr schön ein Thema der FDP aufgegriffen – Elektromobilität. Wir sind diejenigen gewesen, die das in dieses Haus eingebracht haben, weil es für die erneuerbaren Energien einen Zusammenhang gibt. Die überschüssige Solar- und Windenergie, die zu Zeiten erzeugt wird, wo sie keiner braucht, könnte in Elektroautos gespeichert werden. Herr Buchholz! Wenn Sie von dem Windrad in Pankow reden: Ja, das versorgt 2 000 Haushalte, aber leider versorgt es sie 2 000 Stunden im Jahr nicht – so, wie die gesamte Windenergie in Deutschland das nicht tut. Deshalb braucht man Ergänzungen und muss die auch speichern. Das ist eine Aufgabe, die in ein Energiekonzept des Berliner Senats hineingehört.
Wenn der Senat nicht weiß, was er will, muss das Abgeordnetenhaus – wie beim Steinkohlekraftwerk auch – den Senat treiben.