Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Danke schön, Herr Senator!

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Bayram das Wort zu einer Frage über

Besetzung von Organen und der Vorgesetzten- oder Leitungsfunktion in öffentlichen Unternehmen

Bitte schön, Frau Bayram!

Danke, Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Wie will der Senat künftig sicherstellen, dass in öffentlichen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen in Organen oder Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen Frauen eine Chance erhalten, sich für die Stellen zu bewerben bzw. diese Stellen zu besetzen?

2. Falls die derzeitige Gesetzeslage hierfür nicht ausreicht, welche gesetzlichen Änderungen sind aus Sicht des Senats hierfür vorzunehmen?

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Der Frauensenator, Herr Wolf, hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bayram! In den öffentlichen Unternehmen des Landes Berlin, in denen das Landesgleichstellungsgesetz Kraft Gesetz oder Kraft Gesellschaftsvertrag gilt, haben die für die Stellenbesetzung zuständigen Organe oder

Senator Dr. Thilo Sarrazin

Verantwortlichen die Gleichstellungsverpflichtung zu beachten.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Ja? – Hört, hört!]

Sie sind verpflichtet, aktiv auf die Gleichstellung von Männern und Frauen in Beschäftigung und auf die Beseitigung bestehender Unterrepräsentanzen hinzuwirken. Für die Stellen mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktion erfolgt dies auch über Stellenausschreibungen. Für die Besetzung der Organfunktionen hat das für die Personalfindung zuständige Gremium – in Anstalten öffentlichen Rechts regelmäßig der Aufsichtsrat oder der Personalausschuss des Aufsichtsrats – sicherzustellen, dass Frauen mit der gesuchten Qualifikation in den Personalfindungsprozess einbezogen werden.

[Benedikt Lux (Grüne): Von welcher Partei ist der?]

Wie dies geschieht, entscheidet das zuständige Gremium, also im Fall einer Vorstandsbestellung grundsätzlich der Aufsichtsrat oder, wenn er diese Aufgabe an den Personalausschuss delegiert hat, der Personalausschuss.

[Benedikt Lux (Grüne): Jetzt kommt die CDU wieder herein! Sie packen! – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ist doch schönes Wetter! – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Es geht auch ohne! – Dr. Michael Arndt (SPD): Wer rausgeht, wird auch wiederkommen!]

In der Regel ist das Verfahren so, dass ein Personalberater beauftragt wird. Dieser Personalberater bekommt im Rahmen dieses Auftrags die Aufgabe gestellt, insbesondere nach Frauen mit der entsprechenden Qualifikation für diese Position zu suchen. Aus diesem Personalpool, der vom Personalberater vorgestellt wird, findet dann in Personalgesprächen eine Auswahl statt.

Geschäftsführer und Vorstände von landeseigenen Unternehmen haben die Aufgabe, diese Unternehmen eigenverantwortlich unter Beachtung der Interessen ihres Eigentümers bzw. gemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte nach kaufmännischen Grundsätzen zu leiten. Die Wahrnehmung dieser herausgehobenen operativen Eigenverantwortung im Interesse des Landes Berlin kann nur gelingen, wenn ein enges Vertrauensverhältnis zum Aufsichtsrat des Unternehmens besteht.

[Heidi Kosche (Grüne): Das gilt für Frauen nicht! Was fordern Sie da?]

Aus diesem Grund erfordert die Personalfindung, aber auch die Trennung von Geschäftsführern und Vorständen andere Regeln als die bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es mag im Einzelfall sinnvoll sein, hierfür das Instrument der Stellenausschreibung zu nutzen, es ist aber in keinem Fall sachgerecht, dieses zur Regel zu machen. Es muss dabei bleiben, dass die Einzelfallentscheidung über das notwendige und sinnvolle Personalfindungsverfahren beim Aufsichtsrat bleibt. Ich will das an zwei, drei Beispielen erläutern. Sie werden mir doch sicherlich zustimmen, dass es wenig sachgerecht wäre, einen erfolgreich und gut arbeitenden Vorstand oder Geschäftsführer,

wenn seine Vertragslaufzeit ausgelaufen ist, nicht wieder bestellen zu können, sondern diese Stelle neu ausschreiben zu müssen

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

und möglicherweise dann auch Gefahr zu laufen, sich eine Konkurrentenklage einzuhandeln.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Das mag juristisch alles schön sein, hat allerdings mit der Realität, mit Corporate Governance in Unternehmen, nichts zu tun.

[Anja Kofbinger (Grüne): Ganz schlechtes Beispiel!]

Ich betone an dieser Stelle noch einmal, dass es dem Senat und insbesondere auch mir persönlich wichtig ist, dafür zu sorgen, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in herausgehobenen Führungspositionen ausgeräumt wird.

[Benedikt Lux (Grüne): Das kann doch nicht wahr sein, was Sie da sagen!]

Es ist insbesondere die Aufgabe des vom Land Berlin in die Aufsichtsgremien entsandten oder bestellten Personen, darauf hinzuwirken, dass der Gleichstellungsverpflichtung auch bei der Besetzung dieser Position Rechnung getragen wird.

Zu den Zwischenrufen nur die Anmerkung, dass ich derjenige bin, der einen Vorstandsvorsitz bei einer Anstalt öffentlichen Rechts erstmalig mit einer Frau besetzt hat. Auch eine Vorstandsposition bei der IBB wurde von einer Frau besetzt. Das gab es vorher noch nie.

[Beifall von Giyasettin Sayan (Linksfraktion) – Zurufe von den Grünen]

Das ist absolut unzureichend, das ist richtig, aber ich stelle fest, dass die Fraktion der Grünen

[Zurufe von Benedikt Lux (Grüne)]

offensichtlich erst jetzt erkennt oder eine neue Auffassung hat, dass das Landesgleichstellungsgesetz auch bei diesen Positionen eine Ausschreibung vorsieht, während sie vorher fast 20 Jahre geschlafen hat.

[Beifall von Giyasettin Sayan (Linksfraktion)]

Das stelle ich an dieser Stelle fest, dass Sie jetzt erst zu diesem Thema kommen.

Wir sind uns einig, dass hier noch eine Menge Arbeit zu leisten ist. Angesichts der Debatte, die wir jetzt anlässlich der Vorstandsposition bei der BVG haben, schlage ich vor, dass wir uns einmal darüber unterhalten, wie wir eine rechtliche Klarstellung im Landesgleichstellungsgesetz vornehmen können

[Benedikt Lux (Grüne): Das ist klar!]

und uns darüber verständigen, wie die Belange der Gleichberechtigung und der Erhöhung der Repräsentanz von Frauen auch in einem adäquaten Besetzungsverfahren für derartige Positionen festgelegt werden können. Ich

Bürgermeister Harald Wolf

halte dafür – wie gesagt – die Ausschreibung nicht für das geeignete Instrument. Dafür gibt es andere Verfahren der Personalfindung, die allerdings die Interessen der Repräsentanz von Frauen genauso gewährleisten wie eine Ausschreibung.

[Benedikt Lux (Grüne): Unglaublich!]

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Kollegin Bayram. – Bitte schön, Frau Bayram!

Ich möchte gerne wissen, inwieweit Sie der Ansicht sind, dass die gesetzliche Situation, wie sie bisher vorhanden und von Ihnen auch mit angewandt wird, in den Vergangenheit gescheitert ist und nicht dazu beigetragen hat, dass die Zahl der beschäftigten Frauen tatsächlich entsprechend dem gesetzlichen Anspruch ist. Welchen Vorschlag haben Sie, wie das geändert werden sollte?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Senator Wolf!

Ich bin der Auffassung – das habe ich eben auch dargestellt –, dass für die Besetzung von Vorstandspositionen Personalfindungsverfahren z. B. über die Einbeziehung von Personalagenturen ein adäquates Verfahren ist und wir dort eine Verpflichtung festschreiben können, dass bei diesem Personalfindungsverfahren und dem Auswahlverfahren Frauen mit der entsprechenden Qualifikation beteiligt sein müssen. Das ist die Praxis, die ich persönlich seit langem anwende. Inwieweit das bei allen anderen Personalfindungsverfahren – –

[Benedikt Lux (Grüne): Was brauchen Sie denn noch?]

Es wird nicht intelligenter oder dadurch besser, wenn Sie brüllen.

[Benedikt Lux (Grüne): Stimmt!]