Deswegen müssen alle diejenigen, die die Mischverwaltung geißeln, Alternativen präsentieren. Die CDU wäre hierzu gefragt gewesen. Ihr Antrag sagt einfach nur, es müsse eine schnelle Lösung gefunden werden. Wie soll die aussehen? Jede Regelung, die auf die Grundgesetzveränderung verzichtet, läuft darauf hinaus, dass die Verantwortlichkeit für Langzeitarbeitslose getrennt wird. Soll man ein Bundessozialamt für mehr als 6,5 Millionen Menschen in der Republik einführen? – Das will doch wohl keiner. Oder hofft die CDU auf eine schwarz-gelbe Bundesregierung, mit der sie das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit auf die Kommunen abwälzen kann? Damit wäre der Bund fein raus – Herr Lindner nickt –, und die notorisch klammen Kommunen hätten eine Riesenaufgabe und kein Geld dafür. – Das wollen wir nicht.
Allein am Beispiel Berlin frage ich mich, wie das gehen soll. 600 000 Menschen leben hier von den Leistungen der Jobcenter. Wäre Berlin allein in der Lage, die finanzielle und materielle Grundsicherung dieser Menschen aufzubringen und auch noch die Förderung zu leisten? – Wohl kaum bei dieser Haushaltslage! Hier wäre die Gelegenheit für die CDU gewesen, sich ehrlich zu machen und zu sagen, wie das, was sie vorschlägt, gehen soll. Wie soll die schnelle Lösung aussehen?
Dass uns die Zeit davonläuft, wurde bereits gesagt. In den Jobcentern finden seit Monaten keine Verbesserungen mehr statt. Es passiert nichts mehr, weil niemand weiß, wie es weitergehen soll. Die Mitarbeiter laufen wegen der unsicheren Zukunft davon, und die Jobcenter können Personalstellen nicht mehr nachbesetzen. Sie haben eine Menge offene Stellen, aber niemand stellt mehr ein. Die Bundesagentur hält sich zurück, da nicht klar ist, was kommt, und der zweite Träger, der Berliner Senat, stellt ebenfalls nicht ein, obwohl er sich das Personal von der Bundesagentur bezahlen lassen könnte. Keiner tut mehr etwas. Das erinnert am Beamtenmikado. Alle warten darauf, dass sich etwas verändert. Bis nach der Bundestagswahl mit der Reform zu warten, würde faktisch zum Auseinanderfallen der Jobcenter führen. Dann hätten die Arbeitslosen wieder mit zwei Stellen zu tun und müssten doppelte Wege auf sich nehmen. Es gäbe dann zwei Bescheide, über die Kosten der Unterkunft und über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Alle Einkommens- und Vermögensprüfungen würden doppelt vorgenommen. Das kann man nicht ernsthaft wollen.
Wenn man keine Mischverwaltung mehr haben darf, wie es manche hier wollen, müssen alle Akten doppelt geführt werden, nämlich im Sozialamt und in der Arbeitsagentur. Wir brauchen dann zwei Softwaresysteme, und wehe, das eine System spuckt andere Personendaten aus als das
andere. Dann muss alles per Hand nachgerechnet werden. Ich möchte wissen, wie wir das hinkriegen wollen.
Die Verträge der Jobcenter sind zwar bis zum Jahr 2010 verlängert worden, aber das ist nicht mehr als ein Notnagel. Sie wissen, dass etliche Berliner Jobcenter umziehen müssen, weil sie zu hohe Mieten bezahlen, oder weil sie zu groß geworden sind. Aber auf welcher Grundlage sollen die Mietverträge unterschrieben werden? Niemand weiß, was im Jahr 2010 passiert und ob die dann überhaupt noch unter einem Dach sitzen dürfen. Sie können deshalb nicht umziehen, müssen 12 Euro pro Quadratmeter zahlen, wie in Tempelhof-Schöneberg, und dann fehlt ihnen das Geld für die Arbeitslosenförderung. Diese Unsicherheit ist unerträglich und führt zur massiven Verschlechterung der Arbeit der Jobcenter.
Die CDU vergisst offensichtlich, vor welchem Hintergrund wir das diskutieren: Wir erleben derzeit die größte Wirtschaftskrise der Bundesrepublik. Die Arbeitslosigkeit ist im März erstmals zum Frühlingsanfang gestiegen und nicht saisonbedingt gesunken, was in der Bundesrepublik normal wäre. Das Letzte, was die Menschen jetzt brauchen, ist ein Organisationschaos in der Arbeitsverwaltung. Mir ist völlig unverständlich, wie man den Erwerbslosen und der Wirtschaft eine Arbeitsverwaltung antun kann, die sich mit sich selbst und nicht mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beschäftigt. – Ich würde gern bei der CDU dafür werben, es sich noch einmal anders zu überlegen und diesem Kompromiss zuzustimmen. Wenn sie es nicht tut, droht das, was ich beschrieben habe. Das will doch hoffentlich keiner. Dieser Verantwortung kann und darf sich keiner entziehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fünf Jahre nach der Einführung der Hartz-Gesetze müssen wir heute feststellen: Das Hartz-IV-Gesetz ist im Kern grandios gescheitert.
Ein Kernstück, nämlich die Leistungen aus einer Hand für die Erwerbslosen, wird gerade zerschlagen. Als erstes hat das Bundesverfassungsgericht die Axt angelegt und die Konstruktion der Argen als Mischverwaltung für verfassungswidrig erklärt, nun kommt die CDU/CSUBundestagsfraktion ins Spiel, verweigert ihre Zustim
Zustimmung für eine Neuordnung und wird damit, sofern sie bei dieser Blockade bleibt, dieses Gesetz faktisch zu Fall bringen. Jetzt fehlt mir die CDU hier im Haus, was ansonsten eher selten vorkommt, denn ich hätte gern eine Stellungnahme gehört.
Darauf müssen wir jetzt leider verzichten. Möglicherweise war aber auch genau geplant, dieser Debatte aus dem Weg zu gehen, weil – wie wir wissen – die CDU-Berlin auch schon einmal eine andere Position eingenommen hat als die Bundespartei.
Wenn die CDU bei ihrer Haltung bleibt, gibt es nur noch die getrennte Aufgabenwahrnehmung, wie es so schön heißt.
Was Frau Pop eben angefangen hat, zu benennen, führe ich ein wenig weiter aus: Die Erwerbslosen müssen zu zwei Ämtern gehen, zweimal ihre Unterlagen einreichen, zweimal ihre Verhältnisse offenlegen, zwei Bescheide überprüfen, sich mit zwei Ämtern streiten und sie müssen möglicherweise zwei Klagen einreichen. Das genau werden die Konsequenzen der Blockade von CDU und CSU sein. Es wird zulasten der Langzeitarbeitslosen gehen, und das ist aus meiner Sicht ein unglaublicher Skandal.
Die Blockade wird aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter belasten, die eigentlich jetzt schon nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht. Sie müssen nämlich ein Gesetz umsetzen, das jetzt schon fast 200 Änderungen erfahren hat, die Grundsatzurteile des Bundessozialgerichts lasse ich dabei beiseite. Die Beschäftigten müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eine Verwaltung auseinanderpflücken sollen, die man vor fünf Jahren mit viel Chaos zusammengeführt hat. Wir erinnern uns alle mit großem Schrecken an Probleme wie die nicht funktionierende Software. Wir alle kennen die auch jetzt noch auftretenden Probleme. Trotzdem ist eines klar: Wenn es eine getrennte Aufgabenwahrnehmung gäbe, würde sich an dieser Situation nichts verbessern.
Wenn wir alle wollen, dass Erwerbslose auch in Zukunft Leistungen aus einer Hand erhalten, ist die Grundgesetzänderung nötig. Darauf haben sich übrigens auch alle Arbeits- und Sozialminister auf ihren Konferenzen verständigt. Vor diesem Hintergrund, Frau Pop, erübrigt sich Ihr Antrag,
weil wir im Bundesrat gar nicht mehr initiativ werden müssen, da unter den Ländern Einigkeit herrscht. Das Problem und die Lösung liegt allein in den Händen von Bundestag und Bundesregierung.
Wir haben Ihren Antrag im Prinzip inhaltlich übernommen. Wir haben nur den Adressaten geändert. Deshalb finde ich es schade, dass Sie sich dem Antrag nicht angeschlossen haben. Vielleicht können Sie sich dazu entschließen, ihm zuzustimmen.
Wie bereits erwähnt, ist die CDU-Fraktion leider nicht anwesend. Auch von ihr liegt uns ein Antrag vor. Die CDU möchte vor dem Hintergrund der Einigung der Länder und der Blockade von CDU und CSU, dass sich der Senat umgehend im Bundesrat und bei der Bundesregierung dafür einsetzt, dass ein neuer und tragfähiger Kompromiss ausgehandelt wird. Ich frage mich, ob die CDU eigentlich die Debatten hier im Haus in der letzten Zeit mitbekommen hat.
Auch in den letzten Monaten nicht! Dieser vorliegende Kompromiss wurde zwischen dem Bund und den Ländern ausgehandelt. Da war die CDU dabei. Nun wird der Kompromiss aufgekündigt. Deshalb verstehe ich nicht, wie uns die Berliner CDU solch einen Antrag vorlegen kann, in dem sie nicht einmal ein Wort darüber sagt, wie überhaupt ein neuer, tragfähiger Kompromiss aussehen könnte. Dieser Debatte hat sich die CDU entzogen. Für wie dumm hält die CDU uns, und für wie dumm hält die CDU die Menschen, auf deren Kosten sie jetzt handelt oder besser gesagt, einfach nichts tut?
Frau Pop hat es eben bereits erwähnt, es war im Jahr 2004 die CDU, die das meiner Ansicht nach nicht besonders gute Hartz-IV-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung noch einmal massiv verschlechtert hat. Jetzt will die CDU offensichtlich alles geben und das Gesetz komplett zu Fall bringen. Sie strebt offenbar die völlige Kommunalisierung der Arbeitsmarktpolitik an und nimmt damit eine weitere Zersplitterung der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik in Kauf. Zumindest scheint es so, dass sie dies will. Hierzu hätte die CDU hier in der Debatte etwas sagen können, das aber wollte sie nicht. Es ist völlig klar, wie kompliziert es sein wird, die Jobcenter in zwei neue Verwaltungen zu trennen. Allein in Berlin haben wir zwölf Jobcenter. Es ist dabei auch nicht wirklich klar, wie die organisatorische Umsetzung vonstatten gehen soll. Auch auf Fragen wie die, wer über welche Daten verfügt, wer an welchem Computerprogramm arbeitet und wie überhaupt die Zusammenarbeit der zwei neu zu schaffenden Ämter aussehen soll, gibt es bisher keine Antwort. Diese Trennung, darauf ist bereits hingewiesen worden, benötigt Zeit. Die Zeit jedoch wird immer knapper. Die Damen und Herren von der CDU und der CSU haben davon offensichtlich keine Ahnung. Wenn dem so ist, muss man hier nicht der SPD empfehlen, die Regierung zu verlassen, sondern sollte den Damen und Herren von CDU/CSU empfehlen, sich nicht weiter am Regieren zu beteiligen, sondern einfach ihren Hut zu nehmen und sich
einen neuen Job zu suchen. Solch ein Verhalten ist nämlich einfach zynisch und geht auf Kosten der Arbeitslosen.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Frau Ramona Pop (Grüne)]
CDU/CSU-Bundestagsfraktion interessiert auch nicht die aktuelle Wirtschaftskrise, die dazu führen wird – auch das ist kein Geheimnis –, dass die Zahl der Erwerbslosen weiter ansteigen wird. Vor allem auch deshalb ist es nötig, dass die Jobcenter möglichst schnell, reibungslos und vorzugsweise in Zukunft besser arbeiten können.
Die vorgeschlagene Grundgesetzänderung ist sinnvoll, um die Zusammenarbeit von Bund und Kommunen überhaupt auf eine rechtlich sichere Grundlage zu stellen. Ob dabei die vorgeschlagene ZAK der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln. Auch wir hätten uns einen besseren Kompromiss vorstellen können. Dabei teilen wir die Befürchtung von Verdi, dass die bisher schon getrennten Regelkreise SGB II und SGB III weiter auseinandergerissen werden und keine Brücke für eine Zusammenführung gebaut wird. Für die Zukunft benötigen wir eine Arbeitsmarktpolitik, die die Trennung der Regelkreise überwindet, die wirksame Instrumente schafft
es freut mich, dass Sie klatschen –, aber das hätten Sie damals im Jahr 2004 einbringen sollen. Wir brauchen wirksame Instrumente, die sich auf den ersten Arbeitsmarkt orientieren, und die endlich die Bündelung von passiven und aktiven Leistungen zulassen, damit wir in Zukunft nicht länger Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern Arbeit finanzieren. Kurzfristig muss es aber darum gehen, die Jobcenter abzusichern und damit zu verändern. Deshalb bitte ich Sie darum, dass Sie heute unserem Antrag zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will keineswegs die CDU ersetzen, aber ich möchte noch etwas nachholen, was ich versäumt habe, und anführen, warum wir unseren eigenen Antrag natürlich weiterhin für besser halten. Es ist ein Problem, dass in solchen Debatten die Landtage immer ein wenig ins Hintertreffen geraten, weil sie bei diesem großen Bundesspiel wenig zu melden haben, da die Exekutive, nämlich der Senat und die Bundesregierung, miteinander verhandeln.
Der Koalitionsantrag ist ein reiner Appell an Bundestag und Bundesrat, die Sache jetzt endlich einmal auf den
Weg zu bringen. Wir glauben, dass der Weg der Bundesratsinitiative, wie sie von Roland Koch schon seiner Bundeskanzlerin angedroht worden ist, der Weg ist, der mehr Gewicht hat. Denn wenn der Bundesrat diese Änderung des Grundgesetzes beschließt, muss der Bundestag darauf in einer bestimmten Frist reagieren. Das ist mehr als ein bloßer Appell. Ich sage auch ehrlich, dass ich in dieser Angelegenheit nichts lieber tue, als Roland Koch darin zu unterstützen, die eigene Bundeskanzlerin an der Stelle anzugehen, weil er recht hat an dieser Stelle.
Deswegen bleiben wir bei unserem Antrag, werden aber, weil wir vernünftige Menschen sind, auch Ihrem Antrag zustimmen, da er uns inhaltlich nahesteht.