Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Breitenbach hat das Wort zur Erwiderung. – Bitte!

Das ist letztlich dann vielleicht auch Geschmackssache.

[Gelächter bei den Grünen – Özcan Mutlu (Grüne): Nee, nee!]

Frau Pop! Aber eines muss man doch zur Kenntnis nehmen: Die Länder, also die Arbeits- und Sozialministerinnen und -minister haben sich geeinigt, unabhängig von der Parteizugehörigkeit – 16:0. Eine Bundesratsinitiative würde noch einmal bestätigen, worauf die sich geeinigt haben, aber das hat schon nichts genutzt. Deshalb ist es sinnvoll, sich jetzt an die Verursacher zu wenden

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD) – Burgunde Grosse (SPD): Genau!]

und sie aufzufordern, dieses Problem, das sie jetzt geschaffen haben, endlich zu lösen.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Über den Bundesrat! – Weitere Zurufe]

Nun hat Kollege Lehmann das Wort für die FDPFraktion. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Zahlen der Betroffenen sind bekannt – sowohl der Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II als auch der Beschäftigten in den Jobcentern. Und wir sind uns wohl alle darüber einig, dass die betroffenen Menschen die bestmöglichen Leistungen erhalten müssen, um wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Einig sind wir

Elke Breitenbach

uns wohl auch darüber, dass die Hilfen auch zukünftig möglichst aus einer Hand kommen müssen. Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe im Jahr 2005 war eine richtige Entscheidung. Die FDP hatte das schon Jahre zuvor gefordert. Ich gebe zu: Es ist ein historisches Verdienst der rot-grünen Bundesregierung, dass sie diese arbeitsmarktpolitische Reform gegen viele Widerstände durchgesetzt hat. Ich befürchte, eine bürgerliche Regierung wäre dazu so nicht in der Lage gewesen. Eine vereinigte Linke in der Opposition hätte das mit massivem Widerstand zu verhindern gewusst.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

Die Reform hat nun auch Wirkung gezeigt, indem sie die Anreize zur Annahme von Arbeit gesteigert hat.

[Beifall bei der FDP]

Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den letzten Jahren zeigt das. Das Prinzip des Förderns und Forderns ist richtig, und wir müssen auch in Zukunft an diesem Prinzip festhalten.

[Beifall bei der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Sehr richtig!]

Es gibt viel zu viele im linken Lager, die den alten Fürsorgestaat aus der Zeit vor der Arbeitsmarktreform aus dem Ruhestand holen wollen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

Das müssen die Kräfte der politischen und ökonomischen Vernunft verhindern.

[Beifall bei der FDP]

Bei aller Richtigkeit dieser Reform ist eines festzuhalten: Diese Reform war zwar notwendig, der Gesetzgeber hat aber bei der Umsetzung dieser Reform kräftig gepfuscht. Wenn ein Handwerker sich beim Bau meines Hauses so angestellt und solche Fehler gemacht hätte, hätte ich ihn vom Hof gejagt.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Aber die FDP hat es mit beschlossen. Sie sind der Handlanger gewesen! – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP) – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Pfusch!]

Sicher gibt es Erklärungen für diese vielen handwerklichen Fehler. Die Reform – inzwischen unter dem unrühmlichen Namen Hartz-IV bekannt – war von Eile geprägt, für die es auch politische Erklärungen gibt. Es ist aber enttäuschend, dass aus den bekannten Fehlern bisher nur so wenige Konsequenzen gezogen worden sind und es immer noch an so vielen Stellen hakt.

[Beifall bei der FDP – Elke Breitenbach (Linksfraktion) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Nicht zuletzt war das Zusammentreffen von zwei Verwaltungskulturen, die unterschiedlicher nicht sein können, die Ursache für so viele Umsetzungsfehler: Auf der einen Seite eine zentralistisch geprägte Verwaltung der Bundesagentur mit ihren Verordnungen, Dienstanweisungen oder

verbindlichen Arbeitshilfen, auf der anderen Seite eine flexibel geprägte kommunale Verwaltungsstruktur!

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Breitenbach?

Nein! – Ein beträchtlicher Teil der Ressourcen der Jobcenter fließt deshalb in Maßnahmen der Selbstbeschäftigung und kurzfristigen Mängelbeseitigung. Wir wären arbeitsmarktpolitisch ein großes Stück weiter, wenn diese Ressourcen in die Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen fließen würden. Diese u. a. durch die Mischverwaltung entstandenen Unzulänglichkeiten werden dann auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2007 bestätigt. Demnach ist die Mischverwaltung der Jobcenter und Arbeitsagenturen durch Bundesagentur und Kommunen schlichtweg verfassungswidrig.

Viele, nicht nur in meiner Partei, hatten darauf schon hingewiesen, als sich die Reform noch im politischen Entscheidungsprozess befand. Es war schon ein starkes Stück, dass der Gesetzgeber seinerzeit die vielen Warnungen ignoriert hatte. Wie der Gesetzgeber, nun die große Koalition aus CDU und SPD, aber auf das Urteil aus Karlsruhe reagieren wollte, schlägt dem Fass den Boden aus.

[Beifall bei der FDP]

Anstatt eine verfassungskonforme Regelung zu erarbeiten, die im Interesse der Langzeitarbeitslosen, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter liegt, soll einfach die Verfassung angepasst werden. Erlauben Sie mir ein weiteres Bild vom Bau: Was nicht passt, wird passend gemacht! – Und wenn ich dieses Bild benutze, tue ich eigentlich den Leuten vom Bau unrecht.

Das ist keine Art, wie man mit der Verfassung dieses Landes umgeht. Der Gesetzgeber muss das Urteil zum Anlass nehmen, die Reform gründlich zu überarbeiten und eine Lösung zu finden, die im Interesse der vielen arbeitslosen Menschen liegt und Hilfe aus einer Hand bietet. Es muss eine rechtssichere Grundlage geschaffen werden, die sicherstellt, dass Hilfeempfängerinnen und -empfänger Unterstützung, Unterhaltskosten und Eingliederungsleistungen weiterhin aus einer Hand erhalten können.

Ich weiß gar nicht, warum die große Koalition solche Probleme hat, eine verfassungskonforme Lösung zu finden. Die gibt es doch bereits, nämlich in den 69 Optionskommunen,

[Burgunde Grosse (SPD): Oh!]

in denen die Leistungen aus einer Hand, aber eben in kommunaler Trägerschaft kommen. Es ist hinlänglich bekannt, dass meine Partei diese Regelung bevorzugt,

denn nur sie bietet die Gewährleistung, dass die Besonderheiten lokaler Arbeitsmärkte besser berücksichtigt werden können. Die Akteure benötigen Kenntnisse dieser lokalen Arbeitsmarktlage. Sie benötigen lokale und flexible arbeitsmarktpolitische Instrumente, die ohne lange Vorlaufzeiten eingesetzt werden können. Diese Instrumente bleiben stumpf, wenn sie zentral aus Nürnberg gesteuert werden. Darum wäre aus Sicht der Betroffenen am besten geholfen, wenn die Kommunen über die Jobcenter die regionale Arbeitsmarktpolitik übernehmen würden.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Die Kommunen kennen den regionalen Arbeitsmarkt am besten. Sie haben die besten Möglichkeiten, Unternehmen und Arbeitsuchende zusammenzubringen.

Die CDU hat bei der Neuordnung gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. Dieser sogenannte Kompromiss, auf den sich alle hier zu behandelnden Anträge beziehen, hätte doch nichts an dem Mischmasch geändert, den wir in der Ausführung des SGB II haben. Das wäre doch Politik auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners gewesen:

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Weiterhin unklare Zuständigkeiten! Weiterhin keine Rechtssicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihren Status und ihre Zugehörigkeit! Vor allem hätte sich die Arbeitsmarktpolitik damit noch weiter von der kommunalen Ebene entfernt. Die Arbeitsagentur würde noch mehr Einfluss nehmen können. Der Kompromissvorschlag sah ja noch nicht einmal vor, allen Kommunen ein Optionsrecht zu gewährleisten. Mit der Zusicherung der 69 Optionskommunen haben sich die CDU-Ministerpräsidenten billig einkaufen lassen.

Sie spielen hier mit Ihren Anträgen aus wahltaktischen Gründen mit der Angst der Betroffenen. Sicher wird unter den jetzigen Rahmenbedingungen nichts besser werden. Es wird aber auch nichts schlechter werden, da der Gesetzgeber noch bis Ende 2010 Zeit hat, ordentliche Lösungen zu erarbeiten, die auch unserer Verfassung entsprechen.

Ich hege die Hoffnung, dass ab Herbst eine unverbrauchte Regierung die Kraft hat, eben diese Lösung zu entwickeln und kompetent und sie zügig in dem vom Verfassungsgericht vorgegebenen Zeitrahmen umzusetzen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Anstatt hier unnötige Fensteranträge einzubringen, empfehle ich dem Senat und den Bezirksämtern, über die Jobcenterbeiräte doch Einfluss auf die Jobcenter zu nehmen, um die dortige Arbeit zu optimieren. Keine Bundesregelung sieht vor, dass die Hilfesuchenden im Regen in der Schlange stehen müssen. Die Postverteilung und -bearbeitung in den Jobcentern ist nach meiner Kenntnis auch nicht im Bundesrecht geregelt. Nehmen Sie doch hier Einfluss auf die Jobcenter, dass das endlich funktio

niert und nicht Tausende von Schriftstücken verschwinden.

Es steht auch nicht im Grundgesetz, dass die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter telefonisch so schlecht erreichbar sind. Auch hier könnten Sie Ihren politischen Aktionismus sinnvoller ausleben, indem Sie Einfluss auf die Jobcenter nehmen.

Wir sollten unser eigentliches Ziel nicht vergessen. Das liegt darin, den Betroffenen zu helfen und dazu beizutragen, dass die vielen arbeitslosen Menschen wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können. Die vorliegenden Anträge sind dem nicht dienlich. Deshalb lehnen wir sie ab. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]