Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich ganz gut an die Festveranstaltung beim Regierenden Bürgermeister im Roten Rathaus. Das Polizeipräsidium Berlin ist 200 Jahre alt geworden, und der sonst eher zurückhaltende Polizeipräsident – wir kennen ihn alle – hat diplomatisch formuliert und uns gemahnt, wir können die Polizistinnen und Polizisten in Berlin nicht dauerhaft von der bundesweiten Entwicklung nachhaltig abkoppeln. Das hat Herr Glietsch gesagt, und kurz nachdem der Regierende das Wort ergriffen hat, da stand nicht nur bei mir die Kinnlade unten, es war einfach nicht zu glauben. Man hätte eine Nadel auf den Boden fallen hören können. Es war mucksmäuschenstill im Saal, und selbst dem Leiter des Amsterdamer Polizeiorchesters ist fast der Dirigentenstab aus der Hand gefallen, so höhnisch war diese Bemerkung. Wenn der Regierende Bürgermeister sagt: Vor 200 Jahren wurde der erste Polizeipräsident Gruner in die Wüste geschickt, weil er keine Lohnerhöhung bekommen hat, und dann sehen wir doch einmal, was in 200 Jahren passiert – so nahezu wörtlich. Dann war erst einmal Mucksmäuschenstille im Saal. Herr Wowereit gluckste dann ein bisschen vor sich hin, musste ein bisschen lachen, damit man irgendwie vielleicht die Ironie darin bemerken sollte. Aber das zeigt doch die gesamte Dimension. Ich muss Herrn Jotzo recht geben. Ich muss Herrn Graf recht geben. Das war einfach unverantwortlich, was Sie da gebracht haben, Herr Regierender Bürgermeister. Für eine Entschuldigung würde Ihnen kein Zacken aus der Krone brechen, sondern das wäre angebracht, und Sie würden zeigen, dass Sie ein guter Dienstherr sind, der mit offenem Visier in Verhandlungen mit dem öffentlichen Dienst geht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich bin schon ein bisschen enttäuscht. Sie stellen sich hier hin und sagen, übrigens mit uns ganz einer Meinung, es sei ein Erfolg, dass der 1. Mai befriedet wurde, dass die Knüppel-aus-dem-Sack-Zeiten vorbei sind, und da haben Sie schön geredet. Aber an Ihren Taten wollen wir Sie messen, und was Sie getan haben, ist: Sie haben Herrn Glietsch kurz vor dem 1. Mai ausgelacht. Sie haben ihn einfach ausgelacht und mit ihm alle Bediensteten der Berliner Polizei. Sie stellen sich auf der einen Seite hin und loben Ihre Haushaltskonsolidierung als einen der größten Erfolge. Es gab acht bis zwölf Prozent Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst. Der öffentliche Dienst hat das größte Sparopfer gebracht, und diese Leute haben Sie ausgelacht. Erst haben Sie sie um ihren Verdienst, um ihre Lohnerhöhung gebracht, und dann haben Sie sie noch verhöhnt. Wenn das Um-die-Verdienste-Bringen unter Strafe stehen würde, dann wäre das, was Sie gemacht haben, Happy Slapping, nämlich nichts anderes, als erst einmal eine reinhauen und sie dann noch per Video aufnehmen und auslachen. Das hat wirklich eine Entschuldigung verdient, Herr Regierender Bürgermeister!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es hat nicht nur etwas mit einer politischen Haltung zu tun, wie ich mit den Bediensteten im öffentlichen Dienst umgehe, sondern man sollte sich über den politischen Effekt Ihres Witzchens einmal einen Kopf machen. Sie haben die Öffnung der Berliner Polizei um Jahre zurückgeworfen. Dass sich die Berufsverbände aufregen, gut, damit mag man rechnen, dazu sind sie da, aber es war auch niemand anderes als der Leiter der Direktion 6, Herr Prof. Knape, der den Polizeipräsidenten gebeten hat, in Zukunft von Terminen mit Ihnen entbunden zu werden. Und wenn sich ein Direktionsleiter, ein Mitarbeiter der Verwaltung hinstellt, dann sollten Sie wirklich in sich gehen und nachdenken. Denn dieser Direktionsleiter hat entscheidend dazu beizutragen, dass wir den Deeskalationskurs in der Berliner Polizei, die Befriedung, die Zusammenarbeit der Berliner Polizei mit der Berliner und Kreuzberger Bevölkerung auf der anderen Seite hinbekommen. Und diese kann auch durch einen Witz des Regierenden Bürgermeisters, den wir als ganz witzig kennen, zurückgeworfen werden, und das haben Sie zu verantworten.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich bin mir persönlich sicher, dass Friedrich Wilhelm III. vor 200 Jahren Herrn Karl Justus Gruner – den ersten Polizeipräsidenten Berlins – besser behandelt hat, dass er in der Aussprache vielleicht wenigstens noch für Verständnis gesorgt hat, ob der leeren Staatskassen. Ich möchte Sie noch einmal auffordern: Sorgen Sie dafür, dass wir die Argumente mit den öffentlich Beschäftigten austauschen! Da kann man in der Sache drüber reden. Ein Zukunftskonzept wäre schön. Sie wissen, wir fordern auch einen Staatssekretär für die öffentlich Beschäftigten. Es sind nun mal 100 000 in diesem Land. Und sie hätten jemanden auf der Senatsebene verdient, der sich speziell um deren Interessen kümmert. Aber suchen Sie die Sachargumente mit ihnen! Man kann den öffentlich Be

schäftigten auch sagen, ihr habt in diesen Zeiten verhältnismäßig sichere Jobs. Man kann ihnen aber auch sagen, die Leute mit vier Sternchen oder mehr bei der Berliner Polizei müssen nicht noch unbedingt 10 oder 20 Prozent mehr bekommen.

Aber was wir jetzt und heute überlegen sollten, ist: Wie ist es denn mit den unteren Besoldungsstufen? Wie ist es denn mit den untersten Besoldungsstufen? Haben die nicht eine Erhöhung verdient? Da sagen wir als GrüneFraktion ganz klar: Ja! Und legen Sie endlich ein Konzept auf den Tisch und lassen diese Witzchen sein!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Fraktion der FDP bittet um sofortige Abstimmung. Und ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag Drucksache 16/2331 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der Grünen in großen Teilen. Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und Frau Öney. Enthaltungen? – Sehe ich nicht! Letzteres war die Mehrheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

a) Beschlussempfehlung

Neubau der Rathausbrücke

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2289 Antrag der CDU Drs 16/1498

b) Beschlussempfehlung

Planungsrecht für das Humboldt-Forum und sein Umfeld

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2353 Antrag der FDP Drs 16/1984

c) Beschlussempfehlung

Verkehrskonzept für Humboldt-Forum, Lustgarten und Museumsinsel

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2354 Antrag der FDP Drs 16/2217

d) Beschlussempfehlung

Planungsrecht für das Humboldt-Forum und sein Umfeld schaffen

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2355 Antrag der Grünen Drs 16/2283

e) Beschlussempfehlung

Planungsrecht für das Humboldt-Forum und das nähere Umfeld

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2356 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2110

f) Beschlussempfehlung

Beirat und Erhaltungssatzung für eine qualifizierte Entwicklung der historischen Mitte

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2373 Antrag der CDU Drs 16/1499

g) Antrag

Bebauung des Marx-Engels-Forums – städtebauliche Aufwertung der historischen Mitte

Antrag der CDU Drs 16/2382

Das ist die gemeinsame Priorität der Fraktionen der SPD und der Linken unter dem Tagesordnungspunkt 14. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Frau Haußdörfer hat das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungskoalition hat heute eines der wichtigsten stadtentwicklungspolitischen Themen zur Priorität erklärt, die Gestaltung und Diskussion über die historische Mitte in ihren diversen Facetten. Widmen wir uns also neben den Plenaraufgeregtheiten des heutigen Tages der Sachdebatte. Diese möchte ich etwas ausführen. Es hören ja heute viele Nichtexperten zu, und diese wollen wir schließlich weiterbilden.

[Beifall bei der SPD]

Deshalb zum Thema: Angesichts der Berichterstattung ist festzuhalten, dass wir mit unserem Antrag, aber auch mit den anderen Anträgen in der Debatte des Ausschusses einen Diskussionsprozess angestoßen haben, auf dessen Entwicklung ich sehr gespannt bin. Wir wollen, dass das einzuleitende Bebauungsplanverfahren „HumboldtForum“, räumlich abgestimmt, im Vorfeld stadtentwicklungspolitische Grundsätze zur Gestaltung des weiteren Umfelds, des grüngeprägten Stadtraums bis zum Alex diskutiert. Und ich darf daran erinnern, schon im Planwerk Innenstadt 1999 gab es diesen grüngeprägten Bereich.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Ja, das war zu der Zeit sicherlich auch etwas, das man beklatschen konnte. Es geht nicht darum, einfach alte Stadtstruktur nachzubauen, zumindest nicht, ohne eine Diskussion angestoßen zu haben. Braucht Berlin eine Altstadt, und wenn ja, welche Art von Altstadt, in welchem Stil und mit welcher Funktion? Natürlich muss man in räumlich größeren Ambitionen denken – vom Schinkelplatz bis zum Molkenmarkt, bis zum südlichen Hackeschen Markt. Dabei sind grundsätzliche Fragen zur

Struktur der Stadt für die Zukunft zu stellen. Es geht u. a. um die zukünftige Gestaltung von Grün in der Stadt und als Beispiel zu nehmen, hat allein das Nikolaiviertel wenig Grün zu bieten, und das ist sicherlich auch zu diskutieren. Weiterhin ist die Frage zu klären, wie die KarlLiebknecht-Straße städtebaulich eingefasst wird – bis hin zum Beispiel der Senatorin Junge-Reyer: Braucht ein Rathaus einen Stadtplatz? – Meine persönliche Meinung ist: Ja, es braucht einen Stadtplatz. – Aber dann: Mit welcher Funktion? – Da dies natürlich Auswirkungen auf die Gestaltung hat.

Einen ersten Diskussionsbeitrag erlebten wir mit der Gestaltungsverordnung, welche räumlich begrenzt Hilfestellung für Bauherren, Architekten, Nutzer und Verwaltung bieten wird. Die Diskussion – produktiv geführt in Abwesenheit der Oppositionsspezialisten – hat doch gezeigt, dass dies grundsätzlich begrüßt wird, neben Kleinigkeiten, die sicherlich noch zu diskutieren sind. Prof. Haspel sagte damals, es ginge um einen Weiterbau ohne Zerstörung. Dies, denke ich, ist eine gute Beschreibung des weiteren gangbaren Weges.

Ich will aber auch noch mal auf ein Lieblingsabreagierungsobjekt der CDU kommen, die Rathausbrücke.

[Andreas Gram (CDU): Wurde auch Zeit!]

Ja, viele vonseiten der Koalition hätten sich einen historischeren Entwurf für diese Brücke gewünscht. Und ja, wir haben viel und auch faktenreich und durchaus auch sehr lang und öffentlich diskutiert. Deshalb danke ich besonders den Vertreterinnen und Vertretern der vier Bürgervereine, die sich vorgenommen haben, die Diskussion über die historische Mitte und die Rathausbrücke zu beleben, und die uns mit Informationen bereicherten. Ich denke, und da spreche ich stellvertretend für viele von uns, es hat sicherlich nicht nur die Diskussion belebt und faktenreich untermauert, sondern wir haben auch eine Menge gelernt. Dennoch heißt es jetzt, alles anstelle der jetzigen Brücke ist gut und durch Zeitablauf eines komplizierten technischen Koordinierungsverfahrens abgeschlossen.

[Unruhe]

Entschuldigung, Frau Haußdörfer! – Meine Damen und Herren! Darf ich Sie noch mal darauf hinweisen, jetzt hat Frau Haußdörfer das Wort und nur Frau Haußdörfer. Wenn Sie ihr bitte mit der nötigen Aufmerksamkeit folgen mögen!

Danke schön! – Es heißt nun auch, nach vorne schauen, zügig planen und bauen, bauen eines Entwurfs, der durch seine Schlichtheit und Funktionalität in die Mitte passt, auch wenn – und das haben wir schon einige Male gesagt – wir uns durchaus einen historischeren Entwurf hätten vorstellen können. Ich hoffe sehr, dass die Besu

cherinnen und Besucher, die Anwohnerinnen und Anwohner, die Berlinerinnen und Berliner die neue Brücke annehmen werden und als funktional erkennen.

Abschließend möchte ich festhalten, dass ich mich auf die weiter gehende Diskussion im Ausschuss, in den Fachforen und der Öffentlichkeit freue und das eben nicht meine One-Woman-Show à la Frau Eichstädt-Bohlig ist, sondern wir wollen anregen, wir wollen provozieren, wir wollen diskutieren. Wir wollen Austausch und Kontroverse über die Gestaltung, die Funktion, die Historizität und Entwicklung dieses geschichtsträchtigen Ortes. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!