Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So langweilig ist das Thema gar nicht, wenn man es in den allgemeinen Zusammenhang stellt, wie Frau Flesch das gemacht hat.

[Beifall von Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion)]

Mir und der FDP-Fraktion geht es bei der Verwaltungsmodernisierung darum, wie man für die Bürger bessere Leistungen möglichst effizient erbringen kann.

[Beifall bei der FDP]

Öffentliche Leistungen müssen leicht zugänglich und flexibel einsetzbar sein. Sie müssen sich an die Bürger anpassen und nicht die Bürger an die Verwaltungsprozesse. Die Bürger brauchen heute nicht mehr zu verstehen, wie ein Amt funktioniert und wie da intern die Prozesse ablaufen. Sie haben jetzt einen einheitlichen Zugang, entweder über das Internet oder über das Bürgeramt. Was sich dann dahinter abspielt, kann den Bürgern egal sein. So muss es sein. Wir als FDP wollen, dass öffentliche Leistungen in guter Qualität jederzeit für die Bürger abrufbar sind. Wir müssen deshalb auch weg von der Strukturdiskussion und auf einzelne Services hin diskutieren.

Da haben wir heute zwei Beispiele. Die Koalition hat zwei Themen zusammengebracht, die vom Zusammenhang unterschiedlicher nicht sein könnten. Das eine sind die mobilen Bürgerdienste, ein echtes Vorzeigebeispiel, das gut funktioniert, das andere sind die Ordnungsämter, die tatsächlich doch eine Quelle des allgemeinen Unbehagens sind, nicht nur, weil sie diese unangenehmen Parktickets ausstellen.

Erst mal das Positive: Die mobilen Bürgerämter und die Onlinedienste der Bürgerämter schaffen Freiheiten und Services für viele Bürgerinnen und Bürger, wie Sie es in Ihrem Antrag gesagt haben, das Amt kommt zum Bürger und nicht der Bürger zum Amt. Deshalb ist dieser Antrag auch gut und richtig. Die Frage ist nur, warum die Koalition diesen Antrag gestellt hat. Das hat Herr Birk schon gesagt. Da steht nichts drin, was nicht sowieso passiert. Ich glaube, es handelt sich um den Punkt, den auch Herr Statzkowski angesprochen hat, dieser Punkt e), Sie wollen noch mal hier einen Stempel drauf haben, dass es, wenn man mobile Bürgerdienste ausweitet, dazu führt, dass stationäre Bürgerämter geschlossen oder in ihren Öffnungszeiten eingeschränkt werden können. Im Prinzip ist das richtig. Das sehe ich anders als Herr Statzkowski. Ich glaube auch, die Bezirke sollen das entscheiden. Aber es ist ja nur eine logische Konsequenz der Ausweitung der Bürgerdienste, wenn wirklich sehr viele Leute das online machen, dann kann man natürlich in den stationären Bürgerämtern auch was einsparen.

Bei den Ordnungsämtern sieht das nun vollkommen anders aus. Die FDP war immer für die Einrichtung der einheitlichen Ordnungsämter, aber natürlich sind wir sehr unzufrieden über diese sehr unkoordinierte, unprofessionelle Umsetzung. Und wir sind nicht die Einzigen. Die Ordnungsämter sind das Amt, das in letzter Zeit immer wieder unangenehm in der Presse aufgefallen ist und öffentliche Diskussionen herbeigeführt hat. Die Ordnungsämter sind unterbesetzt. Sie setzen teilweise falsche Schwerpunkte. Sie sind mit den ständigen Zusatzaufgaben, die der Senat ihnen draufpackt, Jugendschutz, Nichtraucherschutz, Heizpilze, dramatisch überbelastet. Die Ordnungsämter können das alles gar nicht mehr leisten. Die Ordnungsämter richten sich auch nicht unbedingt auf die Themen aus, die den Bürgern am wichtigsten sind. Die allgemeine Erfahrung ist doch die, immer dann, wenn es ums Ausstellen von Parktickets geht, um nicht angeleinte Schoßhunde, um Kneipentische, die ein paar Zentimeter zu weit auf dem Bürgersteig stehen, ist das Ordnungsamt da. Wenn es um Dreck und Vandalismus und volltrunkene Jugendliche geht, wird das vom Ordnungsamt oft übersehen. Gerade da, wo es am meisten dieser Probleme gibt, sehen Sie oft das Ordnungsamt nicht.

[Beifall bei der FDP]

Manche Bezirke wollen das sogar explizit so. Die wollen, dass sich die Ordnungsämter um die Griller und Hundehalter kümmern und weniger um die tatsächlichen Probleme. Das ist eine totale Verkehrung des Sinns, für den eigentlich die Ordnungsämter da sind. Dass es da Probleme mit den Ordnungsämtern gibt, zeigt auch der Antrag der Koalitionsfraktionen. Ihre Forderung stärkerer Verzahnung mit den Akteuren der Zivilgesellschaft, mit Polizei, mit Initiativen, ist ja vollkommen richtig, denn Ordnungsämter sind keine Kiezpolizei, sondern mehr Rücksichtnahme, Verhaltensänderung, mehr Sauberkeit sind natürlich Dinge, die erst durch zivile Zusammenarbeit entstehen und Verantwortung beim Einzelnen für sein Umfeld aufbauen. Ob nun allerdings die Mitarbeiter der Ordnungsämter besonders qualifiziert sind, diese ge

Thomas Birk

sellschaftlichen Prozesse anzustoßen, wage ich zu bezweifeln. Wenn man Ihren Antrag nimmt, wo Sie jetzt sagen, dass die Leute, die Parkraumbewirtschaftung machen, noch stärker in den Außendienst gehen sollen, genau jetzt die Bürger betreuen sollen, dieselben Leute, die sonst die Autos kontrolliert haben, halte ich diese Forderung doch für ausgesprochen zweifelhaft.

[Beifall bei der FDP]

Wir sollten mit unseren Verwaltungsreformanstrengungen dafür sorgen, dass es mehr so gute Lösungen gibt wie in mobilen Bürgerämtern und weniger Herumlavieren wie bei den Ordnungsämtern. Die Ordnungsämter bleiben eine große Baustelle des Senats. Wir als FDP werden uns dafür einsetzen, dass sie nicht nur Hundehalter, Autofahrer und Griller nerven, sondern das tun, wozu sie da sind, mehr Sauberkeit, weniger Belästigung und mehr Rücksichtnahme hervorzurufen. Ich hoffe, das wird auch gelingen. Aus diesem Grund werden wir immer wieder nachhaken. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2435 federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Informationstechnik und des Antrags Drucksache 16/2436 ausschließlich an den Verwaltungsreformausschuss empfohlen. – Widerspruch hierzu sehe und höre ich nicht. Dann wird so verfahren.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

a) Antrag

Kein bezirkliches Wertausgleichsprogramm auf Kosten der Lebensverhältnisse in funktionierenden Sozialräumen

Antrag der CDU Drs 16/2430

b) Antrag

Auskömmliche und transparente Finanzierung der Bezirke

Antrag der CDU Drs 16/2431

Das ist die Priorität der CDU unter dem lfd. Tagesordnungspunkt 31. – Für die Beratung stehen jeweils wieder fünf Minuten zur Verfügung. Die CDU hat das Wort mit dem Kollegen Graf. – Bitte schön, Herr Graf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bezirksfinanzierung ist ein Thema, das durch einen schweren Konflikt zwischen den Berliner Bezirken und dem rot-roten Senat geprägt ist. Das ist während der Haushaltsberatun

gen vor zwei Jahren deutlich geworden, als dieses Thema geradezu eskalierte. Parteiübergreifend kritisierten die Bezirksvertreter auf allen Ebenen den Umgang des Senats mit den Bezirken.

Die Koalition kündigte unter dem Druck dieser Kritik damals an, dass bei den nächsten Haushaltsberatungen, die uns nun bevorstehen, alles besser werden wird. Anderthalb Jahre nun hat sich der Hauptausschuss in einem mehrstufigen Anhörungsverfahren mit diesem Thema beschäftigt. Ich glaube, meine Damen und Herren, das Ergebnis können wir im Hauptausschuss getrost als Ulk abtun.

[Beifall bei der CDU]

Es ist aber auch heute noch so, dass dieser Konflikt kräftig weiter schwelt, wie wir jeden Tag in Gesprächen mit Bezirksvertretern spüren. Der Rat der Bürgermeister hat am 26. März 2009 ein Beschluss gefasst, in dem er 204 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2010/2011 gefordert hat. Die CDU hat diese Forderung aufgegriffen, im Hauptausschuss eingebracht und festgestellt, dass allein wir diese Forderung des RdB mittragen. Inzwischen hat der RdB die Erlöse aus Grundstücksgeschäften gegengerechnet und einen Bedarf von mindesten 142, 143 Millionen Euro festgestellt. Mit dem nun vorliegenden Parlamentsantrag folgen wir dem Beschluss gern, natürlich auch gegenfinanziert durch Umschichtungen im Landeshaushalt – das ist klar. Denn wir alle spüren doch, dass es objektive Gründe für eine bessere, eine transparentere Finanzausstattung der Bezirke gibt.

Während die sozialdemokratische Fraktion hier noch vor vier Wochen kein Wort zu dem finanziellen Bedarf der Berliner Bezirke gesagt hat, kündigte sie eine Woche später im Unterausschuss Bezirke an, man würde jetzt etwas drauflegen. – Herr Kollege Zackenfels, Sie werden gleich dazu sprechen: Irgendwann reicht es nicht mehr aus, nur den Mund zu spitzen, sondern man muss dann gelegentlich auch mal pfeifen.

[Stefan Zackenfels (SPD) pfeift.]

Vielleicht verraten Sie uns einmal, wie viel es am Ende werden wird, sonst bleibt nichts als heiße Luft.

[Beifall bei der CDU]

Heiße Luft zu verbreiten, das werfen Sie im Europawahlkampf ja der Linkspartei vor. Die Stadträte und Bürgermeister der Linkspartei haben am Sonntag übrigens eine Klausurtagung zu dem Thema Bezirksfinanzen gehabt. Ich will aus der Presseerklärung kurz zitieren:

Eine regelmäßig tagende Runde der Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksstadträte/innen der Linken zum Doppelhaushalt 2010/2011 musste am gestrigen Sonntag zur Kenntnis nehmen, dass es in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion offenbar Überlegungen gibt, die Bezirke mit der Hälfte der Summe abzuspeisen. Völlig unverblümt meint man dabei, sie so im Superwahljahr ruhig zu stellen, und geht davon aus, dass die Bezirke dazu

Henner Schmidt

nicht Nein sagen können, während Senat und Abgeordnetenhaus als nicht erpressbar erscheinen. Wir weisen dieses Ansinnen zurück.

Mit unserem Antrag über eine auskömmliche Finanzierung der Bezirke wollen wir den anderen Fraktionen des Hauses die Möglichkeit geben, ihre damalige Ablehnung im Hauptausschuss gegen die Bezirke noch in eine Zustimmung für die Berliner Bezirke umzuwandeln.

Der zweite Antrag betrifft den bezirklichen Wertausgleich. Das Thema hat fast schon eine historische Dimension. Frau Grunert vom „Tagesspiegel“ schrieb am 25. März 2008 anlässlich des 70. Geburtstags des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz unter der Überschrift „Als die SPD sich selbst stürzte“ unter anderem Folgendes:

Als der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz 1977 über allerlei kleinkarierten Filz und Affären stürzte, stand es schlecht um die in Gruppen zerfallene SPD.

Meine Damen und Herren von der SPD! Ich meine nicht Ihren letzten Landesparteitag vor einigen Tagen, sondern wir reden über den bezirklichen Wertausgleich, denn der Nachfolger von Herrn Schütz, Herr Stobbe, hat das Wertausgleichprogramm dann aufgelegt. Frau Grunert schreibt nämlich weiter:

Stobbe legte ein Wertausgleichsprogramm für die Bezirke auf … Aus Bonn flossen vier Milliarden Mark in das Zukunftsinvestitionsprogramm, im Wesentlichen für die Stadtsanierung.

Wir lernen also: Schon 1977 wurden die Zukunftsinvestitionen für die Stadt vom Bund finanziert und der Wertausgleich von der Berliner SPD kreiert.

Geblieben davon sind die Infrastruktur und der Sozialstrukturatlas. Interessant ist der Sozialstrukturatlas. Der zeigt uns nämlich, dass der Wertausgleich in den 30 Jahren seines Bestehens kaum Änderungen bewirkt hat. Wir haben dieselben Problemkieze wie damals, und es sind sogar noch einige dazu gekommen. Der Wertausgleich fand nur fiskalpolitisch, nicht sozialpolitisch statt. Der einzige Effekt, der stattgefunden hat, ist eine Umverteilung zulasten funktionierender Strukturen – eine Nivellierung auf niedrigem Niveau.

Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen!

Wir haben Sie dabei unterstützt, den Wertausgleich für 2010 auszusetzen. Wir fordern aber, diesen Wertausgleich insgesamt abzuschaffen. Denn wenn Sie sich die Beispiele anschauen: 6 Millionen Euro für Neukölln, 1,5 Millionen Euro für Kreuzberg, mehr Geld einerseits, im Gegenzug 4,2 Millionen Euro weniger für Steglitz-Zehlendorf,

3 Millionen Euro weniger für Pankow, einem Bezirk, der ohnehin unter vorläufiger Haushaltswirtschaft steht.

Das muss jetzt wirklich die Schlussformulierung gewesen sein!