Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

Unklar ist auch das Verhältnis der Rechte der Vereine zu den Befugnissen der Frauenvertreterinnen. Schließlich sind die Kriterien, nach denen klagefähige Vereinigungen festgelegt werden sollen, trotz vieler Worte nicht hinreichend klar genug definiert.

Dies sind nur einige Fragen, die wir in den Ausschussberatungen miteinander besprechen wollen.

Frau Kollegin! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte es noch einmal begrüßen, dass wir jetzt die Chance haben, uns wieder auf den Pfad der rationalen Auseinandersetzung zu begeben. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten. Überall dort, wo es möglich und sinnvoll ist, werden wir zur Verbesserung des Landesgleichstellungsgesetzes beitragen. Wir tun das aber im Wissen um das Erreichte und mit dem Willen, Erreichtes nicht unbeabsichtigt wieder auf Spiel zu setzen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Esser. – Bitte!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ei, der frauenpolitische Sprecher! Jetzt erklär’ mir mal das mit der Verbandsklage!]

Genau! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Neumann! Es soll nicht beim Zwischenruf bleiben. Ich will Ihnen wenigstens erklären, warum ich das unangemessen fand, uns hier Zensuren über die Frage eines konstruktiven Umgangs mit der Frauengleichstellung zu erteilen. Ich finde, Sie sollten sich dann erstens eher an Ihren Herrn Innensenator wenden, der Sie hier in die letzte Debatte noch reingeschickt hat mit einer Rede über Ausschreibung, das geht doch nicht, niemals – und zur gleichen Zeit schon die Interviews in der Zeitung abgesetzt hat, dass es demnächst Ausschreibungen geben wird. – So wird bei Ihnen manchmal eine Abgeordnete verheizt. Bei uns nicht!

Das Entscheidende an der Verbandsklage ist aber: Es ist nicht das erste Mal, dass wir das in diesem Parlament versuchen zu erreichen, seit SPD und Grüne vor 20 Jahren ungefähr das Landesgleichstellungsgesetz in der rotgrünen Regierungszeit geschaffen haben, weil es nämlich – und das waren genau die Fälle, die wir hier diskutierten – dann an einem individuellen Klagerecht fehlte. Das wussten die Herren Wolf und Sarrazin sehr genau. Ich schreibe nicht aus, vergebe einen Posten, und wo bitte ist, wie die Juristen sagen, die subjektive Rechtsverletzung derjenigen Frau in Berlin oder sonst wo in der Bundesrepublik Deutschland, die sich hätte bewerben können für den Posten, die übergangen wurde? Die gibt es dann schlichtweg nicht. Durch diese Gesetzeslücke sind diese Senatoren bewusst gegangen, das haben sie genau gewusst. Hier gibt es ein Gesetz ohne Sanktionen. Es steht ein Recht auf dem Papier, aber es findet sich kein Kläger. Und wo kein Kläger und keine Gesetzesverletzung, können wir so weitermachen. Das hat die ganze Arroganz dieser Herren in der Sache ausgemacht.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn wir bereits ein Verbandsklagerecht gehabt hätten – und man hätte es längst haben können, weil wir ähnliche und gleichlautende Anträge hier in früheren Legislaturperioden schon einmal vorgelegt haben –, wäre ihnen das nicht möglich gewesen. Dann hätte es jemanden gegeben, der darüber gewacht hätte, der ein Klagerecht gehabt hätte. Dann wären Sie auch zu der Sache hingekommen, dass die gesetzwidrig durchgeführten Ausschreibungen gar nicht erst hätten zum Ergebnis führen können. Dann hätte man es möglicherweise nicht dabei bewenden lassen müssen, dass man die Gesetzesverstöße der Vergangenheit mal wieder hinnehmen muss und nur über die Zukunft diskutieren kann. Insofern ist unser Antrag ein sehr wohl nicht erst seit heute ernst gemeinter Vorschlag, den man überhaupt nicht in irgendeinem Gegensatz zu dem bringen muss, was wir in der letzten Sitzung hier meiner Ansicht nach völlig zu Recht als Rüge an diesem Verhalten und diesem Ausnutzen einer Gesetzeslücke bei diesem Senat vorgebracht haben.

Ulrike Neumann

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat die Kollegin Neumann.

Herr Esser! Mir ist sehr bewusst, dass die Forderung nach dem Verbandsklagerecht schon von Anfang an, als das LGG damals beschlossen wurde, erhoben worden ist. Aber mir ging es darum, genau hinzusehen. Sie haben sehr breit viele Punkte angeführt. Mir scheint, dass da einiges noch nicht ganz klar ist, und die Punkte hatte ich vorhin aufgeführt.

Mir ist das Landesgleichstellungsgesetz sehr wichtig. Es ist eines der besten Landesgleichstellungsgesetze der Bundesländer. Wenn ich dieses Landesgleichstellungsgesetz dermaßen für Änderungen öffne, dann will ich genau wissen, was dann passiert und was dabei herauskommt. Es darf nicht irgendwie nach hinten losgehen, sondern es muss weiter in die richtige Richtung gehen – für mehr Beteiligung von Frauen gerade auch in Vorstands- und Führungspositionen, worüber gerade debattiert wird. Das wollen wir, und das wollen wohl alle hier im Haus. Aber wir müssen genau schauen, welche rechtlichen Mittel dafür am besten geeignet sind. – Danke!

[Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nun Kollegin Görsch von der CDUFraktion. – Bitte!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt bin ich mal gespannt, was die CDU dazu sagt!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist denn Gleichstellung? Worum geht es hier und heute? – Um Chancengleichheit und Gerechtigkeit! Gleichbehandlung ist eine Voraussetzung der Gleichstellung, und das ist Chancengleichheit.

[Evrim Baba (Linksfraktion): Herr Lindner, hören Sie zu!]

Von Frau Kofbinger wurde lobend erwähnt, dass wir Erfolge zu verzeichnen haben. Das kann ich leider so nicht sehen. Erfolge kann man erst erkennen, wenn sie sich wirklich eingestellt haben. Die Lippenbekenntnisse des Senats haben wir schon des Öfteren gehört. Von Erfolg wollen wir dabei nicht sprechen.

Das Landesgleichstellungsgesetz in seiner Grundfassung und in den überarbeiteten Varianten befasst sich zwar mit der Vielschichtigkeit der Gleichstellung ansatzweise, aber eindeutig zu wenig und in der Umsetzung noch weniger.

Auch der vorliegende Antrag der Grünen leistet das nur unzureichend. Abgesehen davon, dass die dringend notwendige Überarbeitung des LGG viel zu lange auf sich warten lässt – hinausgezögert durch einen Senat, der die positive Diskriminierung nicht kennt, nicht will und außerdem blockiert durch eine seit Monaten ergebnislos arbeitende Arbeitsgruppe dieses Senats! Ergänzend wurde vorhin in der Spontanen Fragestunde erwähnt, dass von dieser Arbeitsgruppe Leitlinien erarbeitet werden. Ich dachte immer, das LGG sollte überarbeitet werden und nicht nur Leitlinien, Herr Wolf!

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Im Antrag der Grünen wird im Sinne der Gleichstellung nur vom Wunsch nach gleichgestelltem Verhältnis von Frau und Mann ausgegangen – kein Hinweis auf die anderen. Das ist einfach zu wenig. Trotzdem will ich keine Zweifel säen, dass dieser Antrag in seiner Unvollkommenheit nötig und richtig ist.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Was?]

Nötig ist er, weil das Besetzen von Vorstandsposten keine Männerdomäne bleiben darf und weil sich die schönen, glatten Formulierungen des LGG im Handeln des Senats in den letzten Monaten nur mehr als formales Bekenntnis roter Lippen erwiesen haben. Vor allem ist § 5a nötig, der die Besetzung von Vorständen und Geschäftsleitungen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten und Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Landes Berlin mit dem Muss der öffentlichen Ausschreibung versieht. Damit frau ihre Chancen wahren kann, sollte das ebenfalls nicht zu eng gefasst werden. Es sollte mit den Frauenvertretern abgestimmt werden, denn wir haben auch schon oft zusammengesessen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wir!]

Nötig und traurig zugleich ist es, dass es dieser Forderung bedarf, um die Lippenbekenntnisse eines Berliner Senats auszugleichen, der das LGG nicht weitestgehend anwendet, sondern es nur im engstmöglichen Rahmen interpretiert. Siehe Verstöße bei BSR und BVG!

Erinnert sei an Herrn Wolfs Äußerung, es hätten keine geeignete Frauen zur Verfügung gestanden – so geschehen in vielen Debatten. Senator Wolf war es auch, der es abgelehnt hat, in Berlin einen Pool von qualifizierten und kompetenten Frauen als Datenbank zentral zu erfassen. Wer keine kluge Frau will, keine kompetente kennt, keine aktiv sucht und nur mit Männern bei der Besetzung kann, bei dem wundert es nicht, dass er keine findet.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Bravo! von den Grünen]

Wir nehmen zur Kenntnis, dass eventuell vorhandene Unpräzisionen im bisherigen LGG nicht frauen-, sondern zu hundert Prozent männerfreundlich ausgelegt werden. Jetzt stehen weitere Besetzungen von Vorstands- und Aufsichtsratsposten an. Brauchen die roten Männer deshalb die Verzögerung, um solche sicheren Posten an sich und ihresgleichen zu vergeben und Frauen auch noch

nach 18 Jahren LGG von Spitzen- und gut bezahlten Jobs fernzuhalten?

Das Landesgleichstellungsgesetz verpflichtet das Land Berlin zur Gleichstellung von Männern und Frauen und zur aktiven Frauenförderung. Das wurde heute mehrfach von Frau Neumann zugesichert. Na, da bin ich mal gespannt.

[Christoph Meyer (FDP): Wir auch!]

Die regelmäßig erscheinenden Berichte zum LGG zeigen, dass die gesetzlichen Regelungen in den Bezirksbehörden – wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg – umgesetzt werden.

Frau Kollegin, Sie müssen leider zum Schluss kommen!

Ja! Ich komme zum Schluss: Das sind Scheinargumente. Frauen brauchen keine Förderung, weil sie keine Defizite haben. Sie sind nichts Besonderes. Frauen brauchen Chancen für Entwicklung und Wahlmöglichkeiten. Frauen müssen dies aber auch versuchen und wollen.

[Beifall von Mieke Senftleben (FDP) – Markus Pauzenberger (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Dazu sind sie zu ermuntern. Der Antrag zur Änderung des LGG bringt uns dabei wieder ein kleines Stück weiter.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Baba. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Görsch! Ich denke, Sie meinen es ernst, was die Gleichstellung und die Forderung nach Frauen in Führungspositionen betrifft, aber ich glaube, Sie reden ein wenig an Ihrer Fraktion vorbei.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Denn gucken Sie einmal in Ihre Reihen! Die CDUFraktion ist mit solchen Forderungen überhaupt nicht zu konfrontieren, und sie ist dafür auch nicht zu haben. Deswegen sollten Sie sich einmal darüber Gedanken machen.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Frank Steffel (CDU): Kommen Sie mal wieder in den Frauenausschuss!]

Es gibt doch tatsächlich noch Tage, an denen uns selbst die Grünen noch mit Anträgen überraschen können. Zwei Wochen ist es gerade einmal her, dass ich hier im Plenum zu dem Antrag der Grünen über die paritätische Besetzung von Vorstandsposten in landeseigenen Unternehmen

Stellung bezogen habe. Dabei habe ich die pure Polemik, mit der dabei gearbeitet wurde, offen kritisiert – aber auch Ihr Verhalten, das von reiner Wahlkampftaktik geprägt war. Trotzdem glaube ich, nach der Debatte die Schlussfolgerung ziehen zu können, dass sich alle Fraktionen einig darüber gewesen sind, dass eine Präzisierung des Landesgleichstellungsgesetzes notwendig ist.

[Heidi Kosche (Grüne): Erst mal anwenden!]

So weit, so gut! Nun liegt uns heute Ihr Antrag zu einer Änderung des LGG vor, und ich bin wieder einmal maßlos enttäuscht.