Ich möchte fragen, ob Sie mich verstehen. Es ist so laut im Saal, zumindest kommt es hier vorn so an.
Zweites Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan von Berlin für das Haushaltsjahr 2009 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2009 – 2. NHG 09)
Kein bezirkliches Wertausgleichsprogramm auf Kosten der Lebensverhältnisse in funktionierenden Sozialräumen
Das Nachtragshaushaltsgesetz und den Antrag Drucksache Nr. 16/2471 hatte ich bereits vorab zur Beratung an den Hauptausschuss überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest.
Ich eröffne die I. Lesung hinsichtlich des Nachtragshaushaltes. Zur Begründung der Beschlussvorlage auf Drucksache 16/2451 erteile ich das Wort dem Senator für Finanzen. – Bitte sehr, Herr Dr. Nußbaum!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die internationalen Organisationen rechnen damit, dass das Weltbruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr erstmals seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zurückgeht, und zwar real um 1,5 Prozent im laufenden Jahr. Der Welthandel unterliegt mit voraussichtlich minus 11 Prozent einem gewaltigen Einbruch. Deutschland ist von der Finanzmarktkrise voll erfasst. Die Bundesregierung geht jetzt davon aus, für das laufende Jahr einen Rückgang der Wirtschaftskraft um 6 Prozent zu prognostizieren. Das bedeutet, dass wir uns auf einen gewaltigen Einbruch der Steuereinnahmen einstellen müssen. Entsprechend geht die Steuerschätzung vom Mai von einem Minus von 34 Milliarden Euro aus – das für alle Gebietskörperschaften. Uns muss auch klar sein – das ist aus meiner Sicht das noch Bedrohlichere –, dass die Krise auf dem Arbeitsmarkt noch gar nicht so richtig angekommen ist. Jeder kann sich vorstellen, was das dann für die Entwicklung der Transferausgaben in der Zukunft bedeutet.
Für Berlin bedeutet die aktuelle Bestandsaufnahme weitere Ausfälle bei den steuerabhängigen Einnahmen in einer Größenordnung von 480 Millionen Euro. Zusammen mit den Ausfällen, die bereits im ersten Nachtragshaushalt berücksichtigt worden waren – 680 Millionen Euro –, belaufen sich die Ausfälle auf insgesamt 1,16 Milliarden Euro. Ferner bedeutet das für die aktuelle Situation Berlins Mindereinnahmen bei den Abführungen des Liegenschaftsfonds in einer Größenordnung von 100 Millionen Euro und Mehrausgaben aus der Inanspruchnahme von Wohnungsbaubürgschaften in Höhe von 130 Millionen Euro. Zusammen mit dem Landesanteil an den Konjunkturpaketen I und II, die bereits im ersten Nachtragshaushaltsplan veranschlagt waren, kommt Berlin im laufenden Jahr voraussichtlich auf ein Finanzierungsdefizit von 1,6 Milliarden Euro.
In schwierigen Zeiten bedarf es einer klaren Kursbestimmung. Der Bund hat sich im Zusammenspiel mit der Weltgemeinschaft dafür entschieden, antizyklisch zu reagieren. Berlin wird sich solidarisch mit dem Bund und den anderen Bundesländern verhalten, und wir werden damit unserer konjunkturpolitischen Verantwortung gerecht, auch wenn uns das schwerfällt. Das bedeutet: Im laufenden Jahr werden wir deshalb das Finanzierungsdefizit vollständig durch die Aufnahme neuer Kredite finanzieren müssen, und das heißt auch: Zusätzlich Schulden in Höhe von 1,6 Milliarden Euro – ein gewaltiger Betrag, nachdem es in den beiden zurückliegenden Jahren gerade gelungen ist, 1 Milliarde Euro zu tilgen!
Berlin trifft diese neue Schuldenaufnahme besonders hart, weil die Stadt durch die bestehende und weit über dem Durchschnitt liegende Zinsbelastung außerordentlich vorbelastet ist. Die Spielräume werden also dramatisch enger. Trotzdem müssen wir zu dieser Kreditaufnahme stehen. Die Umstände lassen uns keine Wahl. Sie sind deshalb entsprechend der Kern des zweiten Nachtrags,
und wie Sie sehen, ist dieser Nachtrag besonders übersichtlich, weil wir uns in Übereinstimmung mit § 33 LHO auf die bereits genannten konjunkturpolitisch bedingten Sachverhalte beschränkt haben. Für uns war entscheidend, schnell und überlegt zu handeln und unserer Finanzpolitik ungeachtet der sich schnell ändernden Rahmenbedingungen ein sicheres Fundament zu geben.
Seien Sie versichert, dass wir auch in den Folgejahren einen klaren finanzpolitischen Kurs verfolgen werden. In den Haushaltsjahren 20101/2011, also für den kommenden Doppelhaushalt, werden wir den Steuerausfällen nicht nachsparen. Es bleibt aber bei der festgelegten Linie eines Ausgabenwachstums von 1,3 Prozent pro Jahr. Damit sind die Verwaltungen und öffentlichen Einrichtungen handlungsfähig, und sie haben Planungssicherheit in schwierigen Zeiten.
Wir werden allerdings in den Jahren 2010 und 2011 genau beobachten müssen, ob und in welchem Umfang die Krise abflacht. Ich sage Ihnen schon jetzt, dass wir dann kritisch überprüfen müssen, wie sich die Einnahmen in langfristiger Perspektive entwickeln werden. Für mich stellt sich dann – ohne Wenn und Aber – die Frage, ob wir auch in den Jahren ab 2012 das bisherige Ausgabenwachstum beibehalten können. Darin eingeschlossen wäre die mögliche Erkenntnis, dass auch unbequeme Entscheidungen bevorstehen können. Mit der neuen Finanzplanung, die im September vorgelegt wird, wird der Senat seine Vorstellungen weiter präzisieren.
Der vorliegende Entwurf eines zweiten Nachtragshaushaltsplans sorgt für Orientierung und einen klaren finanzpolitischen Kurs. Er macht die dramatischen Haushaltslücken deutlich und transparent. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Nußbaum! – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktion jetzt eine Redezeit von jeweils bis zu 10 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der CDU. Herr Goetze ist schon unterwegs. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Senator Nußbaum hat eben davon gesprochen, dass die Spielräume enger werden und dass er den Haushalt des Landes Berlin auf ein sicheres Fundament stellen möchte. Es mag ja sein Interesse sein, aber von dem Regierenden Bürgermeister haben wir etwas Anderes gehört. Der Regierende Bürgermeister hat uns am 19. März 2009 hier im Plenum gesagt: „Ansonsten gehen wir aber nicht von Einsparungen im Haushalt aus.“ Den Spielraum für Wachstum in diesem Haushalt im Bereich der Ausgaben
hat der Finanzsenator mit 1,3 Prozent beziffert. Es gibt immer noch Volumina zu verteilen. Gegensätzlicher können die Ansichten in dieser Regierung nicht sein.
Es kann also weiter verteilt werden. Das ist die Message desjenigen, der hier die Richtlinien der Regierungspolitik vorgibt. Deshalb müssen wir den Haushaltsnachtrag, den wir uns hier zu Gemüte führen auch unter dem Licht der weiteren Entwicklung anschauen.
1,3 Prozent sind die Marge, mit der ein Wachstum prognostiziert wird. Herr Senator Nußbaum hat das gerade noch einmal bestätigt. Die Inflationsrate liegt bei knapp über null Prozent. Deshalb bedeuten 1,3 Prozent weiter Ausgabenwachstum eben tatsächlich einen realen Anstieg an Ausgaben in einer Situation, in der wir eigentlich erwartet hätten, dass es ein Nullwachstum oder möglicherweise auch verstärkte Einsparungen, denn das Ansteigen der Schulden- und damit auch der Zinslast kann nicht ernsthaft die ausgemachte Politik des Senats sein.
Zum Thema Schuldenbremse kommen wir nachher noch. Herr Nußbaum! Sie haben gerade gesagt, Sie wollen eine klare Kursbestimmung und wollen sich solidarisch verhalten. Gehört zu diesem solidarischen Verhalten, dass Sie heute beschließen wollen, sich bei der Schuldenbremse im Bund nicht zu beteiligen, sondern sie abzulehnen? Gehört zu diesem solidarischen Verhalten auch, dass Sie dem Solidarpakt II zwar nicht zugestimmt haben, aber das Geld daraus kassieren wollen? Wir meinen, das hat mit solidarischem Verhalten im Bund nichts zu tun.
Damit haben wir im Grunde genommen das Grundproblem auch dieser Haushaltsplanfortschreibung beschrieben. Die Schuldenbremse wird abgelehnt. Die Verschuldung, die wir heute hier für 2009 zur Kenntnis nehmen müssen, mit zusätzlich 1,6 Milliarden Euro – für 2010 mit 2,5 Milliarden Euro prognostiziert, für 2011 auch mit 2,5 Milliarden Euro prognostiziert – führt dazu, dass am Ende dieser zweiten Legislaturperiode von Rot-Rot eine Neuaufnahme der Schulden von 25 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Das sind 25 Milliarden Euro neue Schulden durch einen Senat, der angeblich zur Haushaltskonsolidierung und zum Mentalitätswechsel angetreten ist. Die 14-tägliche Praxis im Hauptausschuss zeigt ganz klar, dass davon nichts übrig geblieben ist.
Sie, Rot-Rot, haben in den vergangen Jahren immer wieder – auch in diesem Jahr bereits – durch 14-tägliche neue Vorlagen außer- und überplanmäßiger Ausgaben im dreistelligen Millionenbereich zugelassen. Von Sparen kann hier überhaupt keine Rede sein. Sie haben auf der anderen Seite notwendige strukturelle Entscheidungen genau verpasst. Wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Ihr Vorgänger, Herr Nußbaum, gesagt hat, der Haushalt sei strukturell ausgeglichen, hätte das bedeuten müssen, über einen Konjunkturzyklus in etwa plus minus null zu laufen. Das ist mitnichten der Fall. Im besten Konjunkturjahr waren Sie ohne Sondereffekte, also ohne Vermögens
verkäufe und andere Einnahmen, gerade einmal ausgeglichen. Das war im besten Jahr, aber nicht über den Konjunkturzyklus gesehen. Deswegen müssen wir feststellen, dass der strukturelle Ausgleich des Haushalts nicht stattgefunden hat.
Sie haben zwar das Weihnachtsgeld für die Beamten gestrichen. Sie haben auch den Ausstieg aus der Anschlussförderung betrieben. Die Sachen holen Sie letztlich jedoch wieder ein. Gerade Ihre Politik beim Anwendungstarifvertrag führt dazu, das Sie gigantische Arbeitszeitguthaben aufgehäuft haben, die Sie entweder auszahlen oder durch Minderarbeit kompensieren müssen. Die unterlassene bauliche Unterhaltung im Land Berlin summiert sich im Land Berlin inzwischen auf einen Betrag von weit über 1 Milliarde Euro, durch die eigenen Zahlen des Senats erläutert.