Protokoll der Sitzung vom 11.06.2009

und dass wir nach vielen Vertagungen, Kollege Doering, nach endlosen Vertagungsorgien auch tatsächlich ein zählbares Ergebnis erreicht haben.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Insofern haben sich diese Auseinandersetzungen gelohnt. Sie haben sich gelohnt, weil die Bezirke immerhin gut die Hälfte dessen, was sie an Minderausstattung reklamiert haben, nun auch tatsächlich zur Verfügung gestellt bekommen. 142 Millionen Euro sind die rechnerische Minderausstattung, die die Bezirke, und zwar fraktionsübergreifend, über alle Fraktionen hinweg, errechnet haben. Gute 80 Millionen Euro pro Jahr sollen die Bezirke nun zusätzlich erhalten. Das ist zwar nicht alles, was wir uns gewünscht haben, aber das ist immerhin etwas. Es lindert die ärgste Not. Aber die Bezirke haben dadurch nach wie vor nicht ihre Stellung, die wir uns wünschen.

[Beifall bei der CDU]

Und diese 80 Millionen reduzieren sich natürlich bedauerlicherweise auch ein bisschen, denn man hat ja etwas getrickst. Dieses Haus hat z. B. beschlossen, dass die 88 Stellen für die zusätzliche Ausstattung der Ordnungsämter den Bezirken zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Nach der Beschlussempfehlung, die uns heute vorliegt, werden diese Stellen allerdings in die Personalmittel integriert. Genauso ist das mit zusätzlich 24 Stellen fürs Controlling. Auch die hat man klammheimlich hier in die Beträge für die Bezirke mit verwurstet. Das ist zwar nicht redlich, aber es sind die üblichen Finanztricksereien, die wir von Herrn Sarrazin kennen und die offenbar unter der Ägide von Herrn Nußbaum hier auch weiter fortgesetzt werden. Schade, aber Transparenz kann man sich halt nur wünschen, man kriegt sie von diesem Senat nicht.

Alles in allem ist es nicht die gewünschte Größenordnung, aber es ist etwas, und deswegen können wir uns auch der Verantwortung nicht entziehen und nicht gegen die Vorlage stimmen.

Unsere klassische große Gegnerschaft werden Sie bei Ihrem Antrag zum Thema Schuldenbremse zur Kenntnis nehmen müssen. Was Sie uns vorlegen, ist wirklich verantwortungslos. Ich zitiere:

Die wachsende Staatsverschuldung ist ein drängendes Problem, das insbesondere für zukünftige Generationen eine erhebliche Belastung darstellt.

Genau, so ist es, das beschließen Sie heute! Die Schlussfolgerung daraus ist: Weil es so ist, weil es eine erhebliche Belastung ist und ein riesiges Problem, deswegen tun wir gar nichts – das ist Ihre Schlussfolgerung.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie wissen nicht, was Sie wollen!]

Nichtstun als politischer Ansatz, das ist abenteuerlich!

[Beifall bei der CDU]

Sie machen also nichts, Sie stellen keine Alternative dar, Sie machen die Vorschläge der anderen Bundesländer zunichte, und Sie halten sich auch nicht an die Regelungen, die allgemein für zu schwach erkannt sind und die derzeit schon gelten.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wollen Sie nicht sparen, Herr Goetze?]

Sie erzählen Märchen davon, dass Sie bestimmte Risiken erkennen würden, das finden wir unredlich.

Herr Goetze! Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Redezeit beendet ist!

Ja! – Es heißt weiter: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist dabei eine Frage des politischen Gestaltungswillens. – Auch hier müssen wir feststellen, der

Gestaltungswille ist gar nicht vorhanden, ich bin beinahe der Auffassung, es ist Gestaltungsunfähigkeit, denn sonst hätten wir außer einem Nein mehr von Ihnen gehört. Das sind Sie uns bisher immer noch schuldig geblieben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die SPDFraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Thärichen das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Goetze! Das war wieder typisch für Sie! In jedem einzelnen Politikfeld, das wir mit Ihnen im Hauptausschuss diskutieren, sagen Sie jedes Mal: Hier reicht das Geld nicht. Es reicht das Geld nicht bei den Bezirken,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

es reicht das Geld nicht bei den Schulen, bei der Polizei – bei jedem einzelnen Thema. Aber wenn es dann zum Gesamthaushalt kommt, dann fragen Sie: Ja, wo bleibt denn da die Konsolidierung? – Das ist doppelzüngig, das hat mit solider Politik überhaupt nichts zu tun!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Uwe Goetze (CDU) und Gregor Hoffmann (CDU)]

Zu den Bezirken kann ich noch kurz etwas sagen. Wir sind stolz auf das, was wir hier erreicht haben!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben mit den Bezirken einen intensiven Dialog geführt, wir haben 90 Millionen Euro zusätzlich für die Bezirke bewegt, wir haben wesentliche Baustellen abgeräumt in einer Art und Weise, die vorbildlich ist. Ich spreche nur ein Thema an, an dem wir lange gefeilt haben – Stichwort bezirklicher Wertausgleich, ein schwieriges Thema. Hier zu sagen, wir brauchen auch eine vertikale Komponente, das darf nicht nur zwischen den Bezirken verschoben werden, das ist eine wichtige Weichenstellung,

[Gregor Hoffmann (CDU): Von Weichen kann man da nicht sprechen!]

und uns ist es gelungen, das Thema zu entspannen und einen großen Schritt nach vorne zu machen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Morgen steht das Thema Schuldenbremse, die Ergebnisse der Föderalismuskommission II zur abschließenden Beratung im Bundesrat an. Es ist daher heute die letzte Möglichkeit, dass das Berliner Abgeordnetenhaus sich zu diesem Thema positioniert. Da verwundert es schon sehr, wenn Teile der Oppositionsfraktionen im Vorfeld versuchen, durch Geschäftsordnungstricks diese Debatte zu verhindern; das ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Dann hätten wir sie uns erspart!]

Nein, diese Debatte ist notwendig, Herr Jotzo, denn es geht um die Kompetenzen dieses Hauses, deswegen muss diese Debatte auch in diesem Haus geführt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Ist Ihnen aber sehr spät eingefallen!]

Wir haben diesen dringlichen Antrag eingebracht, weil wir den Senat ausdrücklich in seiner Absicht unterstützen wollen, dem geplanten Kreditaufnahmeverbot für die Länder seine Zustimmung zu verweigern. Ein totales Kreditaufnahmeverbot für die Länder im Grundgesetz ist inakzeptabel.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Esser! Wenn Sie schon die Verfassung zitieren und dort gestöbert haben – Artikel 109 Absatz 5 wäre die eigentlich zu zitierende Norm gewesen; Sie sind offensichtlich in den Artikeln davor hängen geblieben. Das ist die Kernregelung, um die es dabei geht.

Bei der Ablehnung der Schuldenbremse geht es nicht darum, dass wir einer blindwütigen Verschuldungsorgie das Wort reden wollen. Rot-Rot hat bewiesen, dass für uns die Haushaltskonsolidierung ein zentrales Politikziel ist –Herr Kollege Zackenfels hat dies ausgeführt. Worum es hier geht, ist, dass die politische Gestaltungsfähigkeit dieses Hauses erhalten bleiben muss.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist eine der vornehmsten Aufgaben dieses Hauses, selbst darüber zu entscheiden, ob öffentliche Aufgaben durch Kredite finanziert werden, ob und in welchem Rahmen eine Verschuldung verantwortet werden kann. Diese Frage gehört eben nicht in die Verfassung des Bundes!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Die Schuldenbremse ist falsch, sie ist falsch, weil sie meint, man könne einen klaren Konsolidierungswillen durch eine Verfassungsmechanik ersetzen. Sie ist falsch, weil sie meint, das Problem der Altschulden könne man außen vor lassen. Sie ist falsch, weil sie Kreditaufnahmen auch dort unterbindet, wo es um notwendige Zukunftsinvestitionen geht. Sie ist schließlich auch deswegen falsch, weil sie im Ergebnis nichts anderes darstellt, als das Placebo einer Bundesregierung, die gerade selbst neue Schulden in Rekordhöhe aufnimmt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Sehr richtig! von der Linksfraktion]

Es gibt kein einziges durchschlagendes Argument für die Schuldenbremse. Offensichtlich haben die Oppositionsparteien ihren eigenen Sachverständigen in der Anhörung des Hauptausschusses nicht richtig zugehört.

[Daniel Buchholz (SPD): Machen sie doch nie!]

Das hätten Sie mal tun sollen! Ich zitiere, mit Erlaubnis der Präsidentin, Prof. Rossi, benannt von der CDU:

Ich verstehe nicht, warum den Ländern weniger Flexibilität zugebilligt wird als dem Bund, warum der Bund bei der strukturellen Ausnahme die Möglichkeit hat, 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts für sich in Anspruch zu nehmen und die Länder nicht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Genauso hat er sich zur Verteilung der Konsolidierungshilfen geäußert. Auch die, hat er gesagt, könne er in keiner Weise nachvollziehen, und man müsse in der Tat – und das sei schon ein juristisches Argument – darüber nachdenken, ob hier nicht die Statusgleichheit der Bundesländer verletzt wird.

Noch härter ist der Experte der Grünen, Prof. Siekmann, mit der Schuldenbremse ins Gericht gegangen, auch hierzu ein Zitat:

In meinen Augen ist es zweifelhaft, ob ein Gemeinwesen, das fast keinen Einfluss auf die Gestaltung seiner Einnahmen hat, dem seine Ausgaben weitgehend vorgeschrieben sind, noch Staatsqualität besitzt, wie es das Grundgesetz fordert.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]