Protokoll der Sitzung vom 11.06.2009

Das einzige Argument, dass der Senat anführt, lautet, der Weiterbetrieb sei wirtschaftlich nicht zu vertreten, weil es zu viele Veranstaltungshallen in der Stadt gebe. Wir alle wissen, dass das, was an dem Argument dran ist, vom Senat selbst produziert worden ist – historisch durch den Bau und die Vermietung der Max-Schmeling-Halle und des Velodroms. Jetzt will ich nicht dem Abriss dieser beiden Hallen das Wort reden, aber wenn das das Argument ist, dann muss man zumindest feststellen, dass diese Hallen nicht unter Denkmalschutz stehen.

Außerdem: Warum kann es sich das Land dann leisten, das ganze Gebäude des Flughafen Tempelhofs mit Zigtausend Quadratmetern zusätzlich als Veranstaltungs- und Messestandort an den Markt zu bringen? Auf die Wirtschaftlichkeitsanalyse der Stadtentwicklungsverwaltung zur Begründung des Abrisses trotz Denkmalschutzes bin ich gespannt. Und wenn man das Argument „Unwirtschaftlichkeit wegen Überkapazität“ nur einen Augenblick ernst nimmt, dann wird einem schon heute um das Denkmal Flughafen Tempelhof angst und bange!

Für den Erhalt der Deutschlandhalle sprechen sich die überwältigende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner, der Landesdenkmalrat, der Verein „Denk mal an Berlin!“, der Architekten- und Ingenieurverein sowie der Bezirk aus. Warum man ein Berliner Symbol und Denkmal nach mehr als 70 Jahren abreißt ohne Not und ohne Nachnutzungskonzept, aber mit direktem Schaden für den Eissport – ich zitiere den ECC-Präsidenten Ahrens –:

Nur in der Deutschlandhalle hätten wir eine Chance, die neue Sporthalle an der Glockenturmstraße als funktionierenden Verein zu erleben.

und für die Berliner Stadtkultur, das weiß wahrlich nur Rot-Rot. Bleibt als Fußnote leider nur noch festzuhalten: Herr Jahnke, wirtschaftspolitischer Sprecher und Charlottenburger Abgeordneter der SPD, ist wieder einmal umgefallen.

Zum CDU-Antrag Drucksache 16/1162 empfiehlt der Ausschuss gegen die Stimmen der CDU und Bündnis 90 bei Enthaltung der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag aber zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag bei Enthaltungen von FPD und Bündnis 90 abgelehnt. – Richtig?

[Unruhe]

Bündnis 90 hat zugestimmt. Jawohl!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU: Bravo!]

Auch zum Antrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1545 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung, und zwar gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktionen. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind

CDU und Bündnis 90. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die beiden Regierungsfraktionen und die FDP. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht.

Die lfd. Nr. 20 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 20 A:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 10/2009 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2472 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Vermögensgeschäfts. Wer der Drucksache 16/2472 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gegenprobe! – Einstimmig ist das. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht.

Der Antrag unter der lfd. Nr. 21 steht auf unserer Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 22:

Antrag

Sonntägliche Öffnung von Arztpraxen weiterhin ermöglichen!

Antrag der FDP Drs 16/2460

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Überweisung an den Gesundheitsausschuss war Konsens. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 23:

Antrag

Fraueninfrastrukturstellen evaluieren!

Antrag der Grünen Drs 16/2461

Dazu werden die Reden zu Protokoll gegeben.

Es ist interessant, dass wir zum dritten Mal in Folge hier über die Frauenpolitik des rot-roten Senats debattieren. Der eigentlich sehr begrüßenswerte Umstand, so häufig über Frauenthemen reden zu können, hat allerdings einen sehr traurigen Hintergrund: die grottenschlechte Frauenpolitik des Senats.

Heute reden wir über die mutwillige Zerschlagung der Fraueninfrastruktur im Osten der Stadt. Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs zur Erklärung: Die Fraueninfrastrukturstellen wurden nach der Wende analog zur bereits existierenden Fraueninfrastruktur im Westen geschaffen. Dazu bediente man sich des damals noch existierenden Instruments des Arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramms – ARP.

Das war 1993. Aktuell werden die Personalkosten der insgesamt 58 Stellen durch Zuwendungen finanziert. Der Senat hat in diesem Jahr eine Umstrukturierung der Stellen, verbunden mit einer Neuausschreibung, beschlossen. Begründet wurde dieser Schritt mit der Beanstandung des Rechnungshofs, der kritisierte, dass die Senatsverwaltungen für Arbeit und Frauen seit 16 Jahren eine haushaltsrechtlich unzulässige Ausschnittsförderung der Kosten dieser Stellen zur Ergänzungsfinanzierung von Frauenprojekten in den östlichen Bezirken Berlins betreibt.

Er beanstandet aber auch, dass die zuständigen Senatsverwaltungen bisher weder das Programm einer Evaluierung unterzogen noch für ordnungsgemäße Erfolgskontrollen im Rahmen der Einzelfallbewilligung gesorgt haben. Deshalb ist es dringend erforderlich , bevor eine Umstrukturierung erfolgt, eine Evaluierung und Zielvorgabenkontrolle der bisherigen Arbeitsergebnisse durchzuführen, was der Senat aber bisher ablehnte mit der fantastischen Behauptung, das brauche man nicht. Das ist der Grund, weshalb wir uns heute mit unserem Antrag befassen, der genau diese Selbstverständlichkeit fordert.

Es ist wirklich ein Trauerspiel, wenn ich mir anschaue, welche groben handwerklichen Fehler gemacht und wie einfachste Verhaltensregeln nicht eingehalten werden. Der Grund ist auch nicht schwer zu erraten: Der Senat braucht die 58 Stellen zur Umsetzung seines Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms. Nach vielen Verzögerungen ist die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen durch die eingereichten Masterpläne zu der Erkenntnis gelangt, dass sie von den anderen Senatsverwaltungen keinerlei Personal- und Sachmittel zu erwarten hat. Deshalb müssen sie dieses ehrgeizige Projekt alleine wuppen. Aber woher Ressourcen nehmen in Zeiten knapper Kassen? – Da fiel der Blick der zuständigen Staatssekretärin auf die ehemaligen ARP-Stellen. Der Rechnungshof hatte bereits mehrfach bemängelt, dass die Finanzierung dieser Stellen nicht ordentlich ausgewiesen war. So war es auch in diesem Jahr wieder. Das war Argument genug, gleich alle Stellen in einen Topf zu werfen und in einem höchst intransparenten Verfahren neu zu besetzen.

Unser Antrag fordert deshalb den Senat auf, umgehend für alle im Rahmen des Arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramms geförderten Fraueninfrastrukturstellen eine Evaluierung bzw. Zielvorgabenkontrolle durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist auch darzustellen, welche Konsequenzen für die Fraueninfrastruktur ein Wegfall einzelner Stellen hätte und wie sie kompensiert werden

sollen. Die Ausschreibung der Stellen, die im Rahmen des GPR zur Stärkung der Fraueninfrastruktur Berlins erfolgen soll, ist solange auszusetzen, bis die Ergebnisse der Evaluation vorliegen. Die Ergebnisse der Evaluation müssen die Grundlage für die eventuell notwendige Umstrukturierung und Ausschreibung der Stellen sein.

Die derzeitige Lösung ist auch aus sozialen Erwägungen völlig inakzeptabel. Etliche der bisherigen Stelleninhaberinnen würden bei Verlust der Stelle, unter anderem aufgrund ihres Alters, in eine dauerhafte Erwerbslosigkeit gehen. Die Bemerkung der Staatssekretärin, dass sich ja alle wieder bewerben können, ist hier wirklich geschmacklos. Die von ihr angekündigte angemessene Unterstützung des Senats ist blanker Zynismus, denn es ist zu bezweifeln, dass die jetzt ausgeschriebene Schwerpunktsetzung alle Stelleninhaberinnen weiterhin berücksichtigen wird.

Wir fordern deshalb den Senat auf, sich verantwortungsvoll zu verhalten und gemeinsam mit den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Bezirke, die ebenfalls herbe Kritik an der Umsetzung haben, eine angemessene Lösung für alle Beteiligten zu finden. So geht man jedenfalls nicht mit Menschen um. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen.

Es war richtig, 1993 nach Wegfall der ABM-Förderung die Fraueninfrastruktur im Ostteil der Stadt aus Landesmitteln zu fördern. Und ich will ausdrücklich betonen: Durch die Arbeit in den geförderten Projekten wurden unverzichtbare Beiträge geleistet zur Gleichstellungspolitik in unserer ganzen Stadt. Dafür möchte ich allen Beteiligten ganz herzlich danken.

Wenn wir jetzt Überlegungen anstellen, wie die Fraueninfrastruktur weiter gefördert werden soll, dann muss eines gelten: Unter notwendigen Veränderungen dürfen bisher geförderte Projekte, die sich bewährt haben, nicht leiden. Sie sind im Regelfall weiter zu fördern. Das sollte auch bei Ausschreibungen möglichst klar zum Ausdruck kommen. In jedem Fall brauchen die Projekte und die dort Arbeitenden die erforderliche Sicherheit.

Soweit neue Projekte in die Förderung aufzunehmen sind, muss es nicht strikt bei der überkommenen örtlichen Zuordnung auf den Ostteil der Stadt bleiben. Eine schematische geografische Aufteilung ist nicht mehr zeitgemäß. Ein bezirkliches Anspruchsdenken allerdings darf es umgekehrt auch nicht geben.

Mit den bevorstehenden Änderungen muss die politische Stoßrichtung der Fördermaßnahmen für die Fraueninfrastruktur präzisiert werden: Es geht hier doch nicht so sehr um Arbeitsförderung, um Arbeitsmarktpolitik, sondern in erster Linie um Gleichstellungspolitik. Politischer Bezugspunkt ist daher weniger ein arbeitsmarktpolitisches Rahmenprogramm, sondern das Gleichstellungspolitische

Rahmenprogramm. So verstehe ich jedenfalls die Überlegungen und Vorschläge der Senatsverwaltung.

Die Forderung der Grünen nach Erfolgskontrolle der bisherigen Förderung der Fraueninfrastrukturstellen im Rahmen und unter den Kriterien von Arbeitsmarktpolitik ist demgegenüber rückwärts gerichtet. Es geht jetzt und es ging doch eigentlich immer um Gleichstellungspolitik. Deshalb wäre eine Evaluierung etwa nach den Maßstäben, die der Rechnungshof in Ziffer 192 seines Jahresberichts 2009 anbietet, nicht gerade hilfreich.

Allzu Neugierigen sei das wörtlich zitiert:

Der Erfolg von Arbeitsförderung ist daran zu messen, ob es gelingt, arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern oder dort ihre Vermittlungschancen durch Qualifizierungsmaßnahmen oder befristete Arbeitstrainingsmaßnahmen bzw. Beschäftigungsverhältnisse zu verbessern.

Richtig ist allerdings, dass zukünftig regelmäßig Erfolgskontrollen der geförderten Projekte unter dem Gesichtspunkt von Gleichstellungspolitik und Frauenförderung durchgeführt werden müssen. Darauf hat die Senatsverwaltung zu achten. Beanstandungen, wie sie der Rechnungshof dazu in seinem Bericht vorbringt, müssen wir erfolgreich politisch entgegentreten können.

Wir werden über die geplanten Änderungen in Bezug auf die Förderung von Fraueninfrastrukturstellen im Ausschuss weitere Einzelheiten diskutieren müssen. Da bin ich für konkrete Vorschläge offen. Wichtig ist mir vor allem, dass die bisherige erfolgreiche Arbeit in diesem Bereich gesichert bleibt.