Protokoll der Sitzung vom 18.01.2007

der freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie dem Schutzbedürfnis der Bürger vor dem Staat abwägen müssen. Es ist nicht hilfreich, eine Sekte in den Fokus des Verfassungsschutzes zu nehmen. Viel sinnvoller kann es sein, sehr genau zu überlegen, wie man gesellschaftlich aufklärt. Wenn die Debatte dabei einen Beitrag leistet – hier verspreche ich mir vor allem etwas von der Debatte im Bildungs- und Jugendausschuss, weniger jedoch im Verfassungsschutzausschuss –, sind wir ein gutes Stück weiter im Umgang mit Sekten in dieser Stadt. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolf! – Abschließend hat für die Fraktion der Grünen Herr Behrendt das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass Scientology eine unappetitliche und gegenüber einzelnen Bürgerinnen und Bürgern gefährliche Organisation ist. Eine Überwachung durch den Verfassungsschutz ist jedoch unsinnig und unnötig.

Sie ist unsinnig, denn man muss sich nur einmal vorstellen, was passiert, wenn dort Agenten eingesetzt werden. Sie ist auch deshalb unsinnig, weil beispielsweise das Ansprechen von Passanten im Umfeld der neuen Zentrale dort in Charlottenburg insbesondere von Jugendlichen, älteren Menschen und psychisch vielleicht labilen Menschen als sehr unangenehm empfunden wird. Was soll denn der Verfassungsschutz dagegen tun, wenn er mit zwei oder drei Agenten in der Organisation ist? – Das Ansprechen von Passanten können diese zwei oder drei Agenten mit Sicherheit nicht verhindern. Aufgeklärt werden muss dort auch nichts mehr, denn das Ansprechen ist langjährige Praxis von Scientology. Auch in Hamburg, München oder Berlin gab es das immer wieder. Hier wird der Verfassungsschutz nicht viel bringen.

Auch die Gefahren, die daraus resultieren, dass dort vielleicht leichtgläubige Menschen überteuerte und unsinnige Psychokurse machen, viel Geld dafür ausgeben, können kaum durch den Einsatz von zwei oder drei Verfassungsschutzagenten gebannt werden. Es ist auch eine lange bekannte Praxis von Scientology, dass sie diese Kurse anbieten und man dort für viel Geld angeblich in der Lehre von Scientology geschult wird. Darüber muss nicht mehr aufgeklärt werden. Verhindern können das zwei oder drei Agenten auch nicht.

Das Einzige, was als relevanter Gesichtspunkt durchaus in Betracht kommen könnte – hier bin ich sehr gespannt, was die CDU im Ausschuss an neuen Erkenntnissen mitteilen wird –, ist die mögliche Unterwanderung des Staates, also die Infiltration staatlicher Organe, Richter, Ab

geordnete, Hochschulen und weiterer. Hier muss man konstatieren, dass die jahrelange Überwachung von Scientology in Berlin keinerlei Anhaltspunkte in dieser Richtung ergeben hat. Das muss auch die CDU irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen. Es kann doch nicht sein, dass wir sieben Jahre lang Steuergelder ausgeben, die Agenten teure Kurse machen, nichts dabei herauskommt und Sie sagen, es sei Ihnen egal, und die Agenten sollten weiterhin tätig sein.

[Beifall bei den Grünen]

Im Übrigen war es nicht weiter verwunderlich, dass das Berliner Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kam, dass die Überwachung rechtswidrig ist.

Ich erinnere daran, dass dieses hohe Haus bereits im Jahre 1996 über genau die gleiche Fragestellung diskutiert hat – damals im Rahmen einer Großen Anfrage –: Wie gehen wir mit Scientology um? Und welche Rolle soll der Verfassungsschutz in dieser Beziehung spielen? – Auch dort vonseiten der CDU stark vertreten: Verfassungsschutz! Verfassungsschutz!

Meine seinerzeitige Fraktionsvorsitzende, Renate Künast, sagte damals in der Debatte bereits voraus – und sie hatte auch in diesem Punkt recht –: Wenn Ihr Agenten in die Organisation schickt, wird das Verwaltungsgericht dieses relativ schnell stoppen. – Genauso ist es gekommen. Das wird man zur Kenntnis nehmen müssen, daran führt kein Weg vorbei.

Jedoch heißt das nicht, nichts zu tun. Das versuchte Herr Henkel zu suggerieren. Es ist durchaus so, dass der offenen Gesellschaft mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie man auf solche Gefahren reagiert. Da ist die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Gefahren, die durch Scientology ausgelöst werden, genau das Richtige. Ich erinnere daran, dass es über die Öffentlichkeit in den 90er Jahren auch gelungen ist, die Organisation aus dem gesamten Mietwohnungsumwandlungsmarkt zurückzudrängen. Da waren die Mietervereine sehr aktiv, da war die Presse sehr aktiv, und da ist es gelungen, Scientology über Aufklärung das Spiel zu verderben.

Daneben – das wurde bereits erwähnt – muss die Aufklärungsarbeit der Senatsverwaltung für Jugend im Vordergrund stehen. Die Senatsverwaltung für Jugend sollte ihre Broschüren „Alles Sekte – oder was?“ aktualisieren. Zweitens ist die Aufklärung an den Schulen und in ihrem Umfeld wichtig. Diesbezüglich gibt es auch Diskussionen auf bezirklicher Ebene – nicht zuletzt auch von meiner Partei initiiert –, an den Schulen vernünftige Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Schüler zu immunisieren und ihre Beeinflussung zu erschweren.

Dann spielen – Herr Dix hatte in den letzten Tagen darauf hingewiesen – auch datenschutzrechtliche Aspekte eine Rolle. Es ist bekannt, dass die Organisation die Daten ihrer Mitglieder sammelt. Wenn Mitglieder dort austreten, sollte man ihnen beistehen und ihnen anraten, sich dafür einzusetzen – zur Not auch juristisch –, diese Daten wie

der zu löschen, damit sie nicht missbraucht werden können.

Es geht auch darum, Verbraucherschutzrechte zu stärken. Es muss darüber aufgeklärt werden – Psychiatriefragen –, welche Art von Kursen dort angeboten werden. Auch wird seit vielen Jahren diskutiert, dass es sinnvoll ist, vor dem Hintergrund des Wucherparagrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs die enorm überteuerten Preise in den Blick zu nehmen.

[Beifall bei den Grünen]

Fünfter Punkt: Den Aussteigern muss dringend mehr Hilfestellung gegeben werden. Dort realisieren sich die Gefahren ganz besonders. Man sollte noch einmal überprüfen, ob die Staatsanwaltschaft hinreichend sensibel ist, um den bestehenden Gefahren entgegenzuwirken. Wenn einzelne Mitglieder bedroht werden, sollte man ihnen hilfreich zur Seite stehen.

Man wird auch mit der Deutschen Bahn sprechen müssen – im letzten Jahr hat Scientology am Lehrter Bahnhof ein großes Zelt aufgestellt und geworben; die Bahn hatte sicherlich auch Einnahmen – und sich fragen, ob übermäßige Werbung im öffentlichen Raum der sinnvolle Weg ist.

Ich habe aber keine Sorge, dass unsere Gesellschaft stark genug ist, den Gefahren von Scientology auch ohne Verfassungsschutz zu begegnen. Es ist immer noch besser, die stärkste Waffe der Demokratie, die Öffentlichkeit, einzusetzen und in die Pflicht zu nehmen, als hier mit Heimlichtuerei und hochgeschlagenen Mantelkragen viel Geld auszugeben. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Herr Behrendt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt zu beiden Anträgen die Überweisung federführend an den Ausschuss für Verfassungsschutz und mitberatend an die Ausschüsse für Inneres, Sicherheit und Ordnung und für Bildung, Jugend und Familie. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Die Linksfraktion hat für die heutige Sitzung auf die Benennung einer Priorität verzichtet. Damit entfällt der Tagesordnungspunkt 4 e.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zum Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Drs 16/0119 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0026

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Paragrafen zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Einleitung, die Überschrift und die Paragrafen 1 bis 4 gemäß Drucksache 16/0026. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Wir können abstimmen. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP die Annahme. Wer der Vorlage Drucksache 16/0026 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalition und die CDU. Gegenprobe! – Die FDP! Enthaltungen? – Die Grünen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5 A:

Dringliche II. Lesung

Gesetz zum Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Nordrhein-Westfalen über die Übertragung von Aufgaben nach § 9 Absatz 1 und § 10 Handelsgesetzbuch zur Errichtung und zum Betrieb eines gemeinsamen Registerportals der Länder

Beschlussempfehlung Recht Drs 16/0170 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0101

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Paragrafen zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Einleitung, die Überschrift und die Paragrafen 1 bis 3 gemäß Drucksache 16/0101. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Wir können abstimmen. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme. Wer der Vorlage Drucksache 16/0101 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Keine! Dann war das einstimmig.

Der Antrag der Fraktion der CDU unter der lfd. Nr. 6 steht mit dem Verweis „zurückgezogen“ auf unserer Konsensliste.

Wie kommen nur zur

lfd. Nr. 7:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz – SchulG) – flexible Schulanfangsphase gründlich vorbereiten

Antrag der CDU Drs 16/0064

Dieser Antrag wird vertagt.

[Uwe Goetze (CDU): Vertagt und vorab überwiesen war vereinbart!]

Auf meinem schlauen Zettel steht nur „vertagt“. Der Antrag wurde aber vorab überwiesen.

Die lfd. Nr. 8 ist bereits durch die Konsensliste erledigt. Die lfd. Nr. 9 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter der lfd. Nr. 4 a.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 10: