Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Aus justizpolitischer Sicht ist der Bau der Justizvollzugsanstalt Heidering notwendig. Wir brauchen 648 zeitgemäße Haftplätze für den geschlossenen Männervollzug. Sie haben recht, dass die Überbelegung in den vergangenen Jahren und Monaten zurückgegangen ist. Das Hoch vom Februar 2007 mit 5 600 Gefangenen haben wir nicht mehr. Derzeit liegt die Belegung bei 101 Prozent. Spätestens seit Siegburg müssen aber alle Rechtspolitiker wissen, dass die Mehrfachbelegung eines Haftraumes schreckliche Folgen haben kann. So müssen in Tegel in der Teilanstalt I zurzeit 258 Hafträume mit weniger als 5 Quadratmetern belegt werden. Die neue Anstalt wird dazu beitragen, um genau diese unzeitgemäße Unterbringung von Gefangenen zu beenden.

Wir schaffen mit dem Neubau die Voraussetzung für Arbeitsmöglichkeiten, denn Gefangene müssen und sollen arbeiten. Dazu wird es in der JVA Heidering angemessen und große Werkstätten geben. Wir schaffen auch die Voraussetzungen für einen personell wirtschaftlichen Strafvollzug und verbessern die Arbeitsbedingungen für die Bediensteten im Vollzug. Deshalb ist der Neubau in Großbeeren richtig und entspricht dem Anspruch, den wir an einen modernen und zeitgemäßen Strafvollzug haben.

Sie haben offensichtlich einen Berliner Strafvollzug vor Augen, der im Gebäudebestand des 19. Jahrhunderts in Tegel durchgeführt werden soll. Sie verweigern sich der Einsicht in die Notwendigkeit der neuen Anstalt und tun dies auf dem Rücken der Bediensteten und auf dem Rücken der Gefangenen. Das müssen Sie dieser Stadt dann auch erklären.

In der Antragsbegründung, die Sie hier einreichen, fordern Sie stattdessen, die Haftstrafen stärker zu begrenzen und vorzeitige Entlassung vorzusehen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir das nicht mitmachen werden. Rot-Rot wird nicht die Häftlinge entlassen, weil die Gefängnisse voll sind.

[Beifall bei der SPD – Volker Ratzmann (Grüne): Was machen Sie denn, wenn sie nicht voll sind?]

Dirk Behrendt

Sie müssen nicht dazwischenreden! Sie wollten doch darüber debattieren, Herr Ratzmann. Zu Ihnen komme ich gleich. – Dass Sie ein Problem als Grüne mit dem Aufruf zu Straftaten haben, haben wir am letzten Wochenende gesehen. Durch Ihren Antrag wird auch klar, dass Sie anscheinend auch ein Problem mit dem staatlichen Vollstreckungsauftrag haben. Lieber Kollege Ratzmann! Ich kann Ihnen empfehlen, vielleicht morgen wieder ein Interview zu geben und einfach einmal klarzustellen, wie Ihr Anerkenntnis zum staatlichen Vollstreckungsauftrag ist. Dazu kann ich nur sagen: Ratzmann, übernehmen Sie!

[Beifall bei der SPD]

Ich bin mir sicher, dass die Berlinerinnen und Berliner nicht wollen, dass die Politik vor Kriminalität und Rechtsbruch in unserer Stadt kapituliert. Sicherheit ist ein Bürgerrecht. Dazu gehört auch ein ordnungsgemäßer Strafvollzug. Übrigens gehören dazu auch ordnungsgemäße Bedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Inhaftierten. Deshalb wird der Senat die notwendige Infrastruktur mit der neuen Anstalt zum Schutz der Bürger bereitstellen. Es ist doch schon bemerkenswert, dass Sie trotz der Notwendigkeit des Neubaus diesen Bau ablehnen und verhindern wollen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wer auf der einen Seite Grenzenloses fordert und auf der anderen Seite nicht bereit ist, die zur Lösung eines Problems erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, der ist dort gut aufgehoben, wo Sie sich gerade befinden, nämlich in der Opposition. Wir wollen eine sichere Stadt Berlin, und dafür werden wir diese Haftanstalt bauen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Kollege Kohlmeier! In diesem Parlament gibt es keine schwachsinnigen Anträge von keiner Fraktion. Das muss festgestellt werden.

[Özcan Mutlu (Grüne): Aber schwachsinnige Reden!]

Nein! Es gibt auch keine schwachsinnigen Reden. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Konzentration aufzubieten, sich dem Thema wieder zu widmen, wie es Herr Behrendt mit einer Kurzintervention tut. Wir sind kurz vor Schluss.

Danke schön, Herr Präsident, dass Sie, wenn auch spät, aber dennoch deutlich den Kollegen Kohlmeier in die Schranken verwiesen haben. Dazu kann ich nur sagen, dass es gern persönlich wird, wenn einem die sachlichen Argumente fehlen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich komme zurück zur Sachlichkeit. Herr Kollege Kohlmeier! Ich möchte einmal versuchen, zu dem fachlichinhaltlichen Teil Ihrer Ausführungen einige Worte zu sagen. Sie haben Bezug auf Siegburg genommen und

gesagt, wegen Siegburg brauchen wir Heidering. Da kann man nur sagen: Bei der JVA Siegburg handelt es sich um eine Anstalt für Jugendliche. Heidering ist bekanntlich für den geschlossenen Männervollzug vorgesehen. Das eine hat also mit dem anderen gar nichts zu tun.

[Beifall bei den Grünen]

Dann haben Sie darauf hingewiesen, dass wir in vielen Anstalten im Lande Berlin noch eine erhebliche Überbelegung zu konstatieren haben. Auch das ist richtig. Allerdings haben wir die höchste Überbelegung in der JVA für Frauen. Bekanntlich sollen in Heidering aber keine Frauen untergebracht werden. Sie müssten uns einmal erklären, wie Sie dieses Problem durch den Neubau einer Männervollzugsanstalt lösen wollen. Zuletzt haben Sie darauf hingewiesen, dass wir uns immer wieder über die verfassungswidrige Unterbringung von Gefangenen im Lande Berlin beschwert haben. Auch das ist zutreffend. Das ist ein bedrückender und unerträglicher Zustand. Diese verfassungswidrige Unterbringung findet aber entgegen Ihren Ausführungen nicht in der JVA Tegel, sondern in der JVA Moabit statt, die bekanntlich ein Untersuchungsgefängnis ist. Untersuchungsgefangene sollen in der JVA Heidering allerdings auch nicht untergebracht werden. Wir begrüßen sehr, dass jetzt Baumaßnahmen im Gange sind, sodass wir die verfassungswidrige Unterbringung in der JVA Moabit aller Wahrscheinlichkeit nach noch in diesem Jahr beenden können. Es konnten neue Zellenkapazitäten geschaffen werden, weil das Justizvollzugskrankenhaus ausgezogen ist. Um diesem Missstand abzuhelfen, brauchen wir also kein neues Gefängnis auf der grünen Wiese in Brandenburg.

Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass wir immer wieder angemahnt haben, dass man Maßnahmen der Haftvermeidung und vorzeitigen Entlassung in viel größerem Umfang nutzen wollte. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass Berlin bei der gesetzlich vorgesehen Entlassung nach zwei Dritteln der Haftzeit bundesweites Schlusslicht ist. Wenn wir hier wenigstens zum Bundesdurchschnitt aufschließen könnten, dann hätten wir auch das Überbelegungsproblem gelöst. Dafür brauchen wir keine neue Justizvollzugsanstalt auf der grünen Wiese in Brandenburg. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Zur Erwiderung – der Kollege Kohlmeier!

[Özcan Mutlu (Grüne): Gleich sehen wir, dass er nichts gelernt hat!]

Lieber Kollege Mutlu! Ebenso wie Sie habe ich tatsächlich nichts gelernt. Sie vermutlich auch nicht, was Ihren Zustand hier im Abgeordnetenhaus betrifft. Falsches möchte ich nicht lernen. Was Herr Behrendt hier wiedergegeben hat, ist falsch. Eigentlich weiß er es besser; er hat

sich in den Reden im letzten Jahr anders geäußert. Im Mai letzten Jahres haben Sie uns vollmundig erzählt, wie schlimm die Überbelegung sei. Nun erzählen Sie ein Jahr später, dass alles gar nicht so schlimm sei. Was für einen Politikansatz verfolgen Sie denn hier?

[Beifall bei der SPD – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wie es gerade passt!]

Herr Lederer sagt gerade, immer, wie es passt, das kennt man ja. Aber Sie als Opposition – das habe ich Ihnen schon einmal gesagt – haben doch einen gewissen Anspruch. Den machen Sie gerade nicht deutlich, Herr Behrendt! Sie vergleichen und sagen, der Mord in der Zelle in Siegburg habe ja in der Jugendstrafvollzugsanstalt stattgefunden, und erzählen uns im selben Atemzug, bei Heidering handele sich um Männervollzug. Kann das dort nicht passieren, wenn es dort eine Doppelbelegung gibt? Was für einen Schwachsinn erzählen Sie denn? – Ich kann es nicht anders sagen, Herr Präsident, es ist wirklich Schwachsinn, was der Kollege vorgetragen hat.

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

Herr Kollege! Ich darf Sie bitten, diese Wortwahl zu vermeiden und durch eine intellektuell vorzeigbare zu ersetzen.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Zurufe von den Grünen]

Sehr geehrter Herr Präsident! Was ich in diesem Haus erlebe, tritt mittlerweile auch bei mir ein: Nach „müde“ kommt „blöd“. Deshalb fällt es schwer, manches intellektuell zu formulieren.

[Zurufe von den Grünen]

Eine letzte Anmerkung, zu der Zwei-Drittel-Entlassung, für die Sie hier mal wieder plädieren: Berlin ist hier mit Spitzenreiter. Ihre Feststellung, wir lägen bei der ZweiDrittel-Entlassung so weit hinten, stimmt nicht. Nutzen Sie die Sommerpause, und setzen Sie sich mit der Justizverwaltung zusammen! Dann können Sie sich die Zahlen angucken.

[Benedikt Lux (Grüne): Von der lassen Sie sich ja alles erzählen!]

Mehr bleibt mir nicht zu sagen. Ich hoffe, dass die Kollegen, die noch reden, Ihnen ebenfalls Nettes erzählen werden.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion rufe ich jetzt den Kollegen Rissmann auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das waren ja kurze Kurzinterventionen! – Lieber Herr Behrendt! Natürlich gehört die Debatte in das Plenum, dafür ist es da. Das ist auch gut und richtig. Allerdings wissen alle, dass alle Heidering wollen – mit Ausnahme der Grünen. Das ist seit Langem bekannt. Wir haben es x-mal im Rechtsausschuss diskutiert, und wir haben es x-mal in diesem Rahmen diskutiert. Wenn ich nach oben schaue, habe ich die Freude, einen Wachtmeister und Herrn Abou zu begrüßen. Die Kameras stehen beiseite. Die Hälfte des Hohen Hauses ist nicht mehr da und hört nicht mehr zu. Also stelle ich mir die Frage: Wozu dient das hier?

[Beifall bei der CDU, der Linksfraktion und der FDP]

Ich kann nur mutmaßen, lieber Herr Behrendt, dass das etwas mit Profilierungsdruck zu tun hat. Wahrscheinlich müssen Sie in Ihrer Kreuzberger Basis kurz vor der Sommerpause abliefern: Ich habe 17-mal im Parlament geredet und alleine die Fahne der Grünen hochgehalten. Ich sage Ihnen: Sie isolieren sich damit nicht nur inhaltlich, sondern auch, was die Frage des gemeinsamen parlamentarischen Umgangs angeht.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion]

Aber zur Sache! Wir brauchen Heidering. Das kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Der Berliner Strafvollzug krankt an vielen Stellen. Ein wesentliches Problem ist die chronische Überbelegung mit all den schädlichen Folgen für den hohen Anspruch der Resozialisierung. Und gerade auch mit Blick auf unser Justizpersonal, das einen schweren Job zu verrichten hat, muss man sagen, dass moderner Strafvollzug des 21. Jahrhunderts allein schon rein baulich gesehen nur schwer in Gebäuden des 19. Jahrhunderts vollzogen werden kann.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Ich will den Antrag kurz zum Anlass nehmen, um meiner Sorge Ausdruck zu verleihen, dass die geplante Inbetriebnahme von Heidering angesichts der bekannten Reibungsverluste zwischen Stadtentwicklungsverwaltung und Justizverwaltung noch verzögert werden könnte.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Das wäre nicht gut, weil wir Heidering dringend brauchen.

Auch die skandalöse Kostenexplosion – da sind wir gar nicht weit auseinander – ist nicht in Ordnung. Das kann man sicherlich kritisieren. Da muss man der Senatsverwaltung auch peinliche Planungsfehler in der Anfangsphase attestieren. Das kann aber nicht dazu führen, dass man dieses notwendige Projekt beerdigt.

Verehrte Kollegen der Grünen! Lieber Herr Behrendt! Dieser Antrag offenbart ganz klar eine Janusköpfigkeit. Kollege Kohlmeier hat es zum Ausdruck gebracht. In puncto Strafvollzug sagen Sie auf der einen Seite, dass

Sven Kohlmeier

wir eine massive Überbelegung haben. Das kritisieren Sie, seitdem ich hier dabei sein darf. Damit haben Sie im Großen und Ganzen auch recht. Auf der anderen Seite stellen Sie sich aber der einzigen Maßnahme entgegen, die spürbar Entlastung bringen könnte. – Herr Kollege Lux! Wir haben uns gerade in Leoben eine Haftanstalt angeschaut, an der Heidering sich ein bisschen orientieren wird. Wenn Sie sich die Pläne von Heidering anschauen, auch mit Blick nach Leoben, werden Sie feststellen können, dass – überspitzt gesagt – einiges für Hotel und nicht für Strafvollzug sprechen wird, was in Heidering realisiert werden wird. Das müsste doch eigentlich eine Einrichtung ganz nach Ihrem grünen Geschmack werden! Da sollten Sie sich doch freuen! Das ist moderner grüner Strafvollzug.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]