Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Wir kämpfen gerade mit einem Haushaltsnotstand, müssen damit umgehen, dass wir im Jahr 2020 mit einem totalen Neuverschuldungsverbot für die Länder konfrontiert werden – übrigens ist diese Forderung maßgeblich auf die FDP und die CSU in der Kommission zurückzuführen ist –,

[Beifall bei der FDP]

und jetzt sollen wir auf weitere 3 Milliarden Euro Einnahmen in Berlin verzichten. Wer das propagiert, propagiert Steuersenkungen zulasten der Länder und Gemeinden. Wer das propagiert, stellt die Existenzfähigkeit Berlins infrage. Das kann und darf aus Berlin keinen Zuspruch finden.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der FDP und der CDU: Wie soll denn das funktionieren? Wir wissen und haben gerade in der letzten Sitzung hier noch einmal von Herrn Nußbaum gehört, dass wir mit steigenden Lasten aus den gemeindlich zu tragenden Transferleistungen zu kämpfen haben. Wir haben wegbrechende Solidarpaktmittel, und wir haben einbrechende Steuereinnahmen. Sie sprechen von Steuersenkungen und meinen Kürzungen im Sozialsystem. Sie sprechen von Steuersenkungen und meinen Umverteilung. Sie wissen, dass man dafür auch neue Schulden aufnehmen muss. Wer diese Einschnitte auffangen will, der muss neue Schulden machen. Ihre Steuersenkungen von heute sind die Schulden von morgen. Das geht zulasten künftiger Generationen. Das wollen und können wir nicht zulassen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Herr Lindner! Sie haben vielleicht gesehen, dass vor drei Tagen die Eltern auf die Straße gegangen sind und für mehr Qualität in den Kitas – und nicht für weniger Belastungen – demonstriert haben. Sie haben explizit gesagt: Es ist Unsinn, jetzt auch noch die Beteiligungen, die Besserverdienende zu den Kitakosten zahlen müssen, zu streichen. Sie wollen nicht weniger Belastungen, sondern bessere Qualität. Es geht hier nicht um das Wegstreichen der Belastungen, sondern darum, staatliche Mittel qualitätsvoller einzusetzen. Das ist das Gebot der Stunde und nicht Ihr Steuersenkungsunsinn.

[Beifall bei den Grünen]

Wir kämpfen hier nicht nur für bessere Kitas im Land, sondern auch darum, dass den Beschäftigten, denen seit fünf Jahren ein Sonderopfer abverlangt wird, endlich eine Perspektive an den Anschluss an das Bundesniveau geboten wird. Wir kämpfen darum, dass der Gebäudezustand klimaschützend verbessert wird. Wir kämpfen für bessere Bildung, für neue Impulse in der Wirtschaft und eine neue Ausrichtung. All das wird Geld kosten. Deswegen ist Ihre schwarz-gelbe Steuerpolitik zukunftsfeindlich, rückwärtsgewandt und das Gegenteil einer modernen Großstadtpolitik.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie wollen die Gewerbesteuer killen und gleichzeitig den Ländern die Erhebung eines Zuschlags auf die Einkommensteuer zuschieben, und zwar bis zu 9 Prozent. Sie sagen: Wir senken den Eingangssteuersatz auf 10, heben ihn im Land wieder um 9 an und landen dann bei 19. Im Moment ist er bei 15 Prozent. Machen Sie das mit dem Spitzensteuersatz, senken Sie ihn um ein Prozent unter den jetzigen Wert – das ist keine Entlastung, Herr Dr. Lindner, sondern eine Umverteilung von unten nach oben. Genau das steckt hinter Ihrem Konzept.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Konzept von Schwarz-Gelb ist zutiefst ungerecht, und wir werden alles dafür tun, dass sich Berlin klar gegen diesen Unsinn positioniert.

[Beifall bei den Grünen]

Ihr ewiges Mantra, man müsse nur die Steuern senken und deregulieren und dann werde der Markt es schon richten, ist in der Vergangenheit widerlegt worden. Ich sage auch selbstkritisch – die Lektion haben wir unter Rot-Grün gelernt –: Natürlich haben wir gesehen, dass die Versprechungen, die von den Aufsichtsräten und Vorständen gemacht worden sind, nicht eingehalten wurden und es nicht zu mehr Investitionen und mehr Jobs kam. Das ist das Gegenteil einer zukunftsorientierten Politik, die dieses Land dringender braucht als jedes andere. Wir müssen klar aufgestellt sein. Wir brauchen ausreichend Mittel. Deswegen müssen wir Ihrer Politik, Ihren Ankündigungen eine Absage erteilen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Frank Steffel (CDU): Mit wem wollen Sie denn regieren?]

Herr Steffel! Ich hatte gestern ein einschneidendes Erlebnis. Ich war auf einer Veranstaltung der Deutschen Steuergewerkschaft mit dem geschätzten Kollegen Lüdeke von der FDP, und was durfte ich aus seinem Mund hören? Herr Lüdeke hat gesagt: Die FDP will eine starken Staat. – Ehrlich!

[Beifall bei der FDP]

Man muss sich aber mal anschauen, was die FDP unter einem starken Staat versteht. Versteht sie darunter einen Staat, der soziale Schieflagen ausgleicht und in der Lage ist, helfend einzugreifen? – Nein, das tut sie nicht. Schauen Sie sich den Antrag an, der uns hier von der FDP vorliegt! Herr Henkel könnte ihn gar nicht besser schwarzgelb formulieren. Das ist populistische Propaganda, für mehr Repression. Das hat mit der Lösung eines akuten Problems in dieser Stadt nichts zu tun.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe neulich hier ziemlich deutlich gesagt, was wir von Leuten halten, die meinen, mit brennenden Autos Politik machen zu können. Aber gegen das, was Sie in Ihrem Antrag machen, nämlich unbelegte Schuldzuweisungen an politische Institutionen in dieser Stadt auszusprechen, verwahre ich mich auf das Schärfste, Herr Dr. Lindner.

Entschuldigung, Herr Ratzmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Lindner?

Immer gerne, Herr Dr. Lindner!

Lieber Kollege Ratzmann! Würden Sie uns die Frage des Kollegen Steffel zumindest am Ende Ihres Redebeitrags beantworten? Mit wem wollen Sie Ihre Vorstellungen in Form einer Regierungsbeteiligung realisieren?

[Özcan Mutlu (Grüne): Sind Sie das Sprachrohr von Herrn Steffel?]

Das haben wir eigentlich immer ziemlich deutlich gesagt: Die SPD ist natürlich – trotz allen Abstrichen, die man bei ihrer Politik machen muss – immer noch der Partner, mit dem wir in der Lage sind, das am ehesten umzusetzen. Das ist ein klare Antwort und nicht diese Ausschließeritis, die Sie und die FDP betrieben haben, lieber Herr Dr. Lindner.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Ihre Bürgerrechtsrhetorik, die Sie so gerne in Ihre Programme hineinnehmen, ist bloßes Geschwätz, wenn man sich Ihren Antrag anschaut.

[Beifall bei den Grünen]

Dieses Geschwätz interessiert Sie nicht mehr, wenn Sie in die Nähe eines Amtes kommen. Schauen Sie sich an, was Ihr Herr Wolf in Nordrhein-Westfalen gemacht hat! Schauen Sie sich an, was Ihr Herr Goll in Baden-Württemberg macht! Das ist nicht liberal, sondern verantwortungslos.

[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Deswegen sage ich allen Berlinerinnen und Berlinern, die am Sonntag entscheiden können: Timeo Danaos! Die Geschenke der FDP sind vergiftet. Bürgerrechte sind für sie nichts anders als rhetorische Stilmittel, und wer glaubt, wenn sie an die Regierung kommen, würden die nicht beißen, sondern nur spielen, dann rate ich: Schaut Euch an, was sie unter Schwarz-Gelb bei Kohl und zu Zeiten der Wiedervereinigung gemacht haben! Wenn sie Geld brauchen, und das werden sie, denn die Krisen verlangen nach einem handlungsfähigen Staat, dann werden sie umverteilen und sich das Geld von den Bedürftigen holen. Das ist ungerecht und unsozial. Schwarz-Gelb schadet Berlin und deshalb: Keine Stimme für diesen Unsinn aus Berlin! – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Stroedter das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Angst der FDP, nach den Bundestagswahlen wieder nur als Oppositionspartei dazustehen, muss unglaublich groß sein.

[Beifall bei der SPD]

Herr Lindner! Sie werden sich wahrscheinlich jetzt gleich aufpumpen, aber ich sage Ihnen: Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie jetzt hier die alte, abgenutzte Rote-Socken-Kampagne der CDU wieder auflegen und sich nicht einmal zu schade dafür sind zu behaupten, SPD und Linkspartei seien die Wegbereiter von Linksextremismus und Chaotentum. Ihnen gehen die Nerven durch, weil Sie auch die Zahlen kennen und wissen, dass Sie am Sonntag wieder scheitern werden. Das heißt: wieder vier Jahre Opposition!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Politisch motivierte Straftaten können und werden wir nicht dulden. Dabei ist es egal, ob diese Straftaten mit

vermeintlich linker oder rechter politischer Überzeugung begründet werden. Doch wer das In-Brand-Setzen von Autos mit den immer wieder stattfindenden brutalen Angriffen von rechtsradikalen Schlägern auf Menschen gleichsetzt, wie zuletzt bei dem brutalen Überfall von Neonazis in Friedrichshain, der verharmlost die Gefahr, die von Rechtsradikalen ausgeht.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Wir tun das nicht, und deshalb ist die SPD für ein neues NPD-Verbotsverfahren.

Die Regierung aus SPD und Linkspartei arbeitet in Berlin verlässlich und erfolgreich zusammen. Wir haben die dringenden Probleme der Stadt angegangen und arbeiten gemeinsam daran, dass sich Berlin vernünftig weiterentwickelt – anders als CDU und FDP, die nicht mehr als pauschale, überzogene Kritik und keine Konzepte für die Stadt hervorbringen und die CDU, die die alte Westberliner Mentalität auszeichnet.

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Stroedter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Nein! – Zum Beispiel in der Bildungspolitik, in der CDU und FDP mit ideologischen Scheuklappen verhindern wollen, dass endlich die Perspektivlosigkeit von Schülerinnen und Schülern an den Hauptschulen beendet wird. Wir werden mit der Schulstrukturreform die Schulen an die veränderten Anforderungen der Großstadt Berlin anpassen und sie so fit machen für die Zukunft.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU]

Wir haben Prioritäten im Haushalt gesetzt. Im Doppelhaushalt wird fast drei Mal so viel für Bildung ausgegeben wie der Gesamthaushalt steigt. Wir schaffen die Kindertagesstättengebühren ab und geben zusätzliche Mittel in den universitären Bereich. Wir setzen auf gut gebildete und ausgebildete Köpfe in dieser Stadt.

[Mieke Senftleben (FDP): Das haben die Jahre unter Rot-Rot gezeigt!]

Vor allem aber setzen wir auf die wirtschaftliche Kraft Berlins. Neben dem Schlüsselprojekt, dem Flughafen BBI, bei dem in der Region langfristig bis zu 40 000 Arbeitsplätze entstehen, setzen wir auf die Förderung neuer Wachstumsbranchen. Wir werden weiter daran arbeiten, dass möglichst viele Berlinerinnen und Berliner einen sicheren und anständig bezahlten Arbeitsplatz haben. Das ist dann der Unterschied zu Ihnen! Denn das, was Sie rot-rote Klientelpolitik nennen, sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion der FDP, das ist die notwendige Reaktion auf die tatsächliche Lebenssituation und auf die Nöte der Menschen in unserer Stadt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wer sich wie Sie hauptsächlich mit der Frage beschäftigt, wie man die Vermögenden in diesem Land noch weiter entlasten kann, der verliert leider den Blick dafür, wie die Situation vieler Menschen tatsächlich ist. Niedriglohnempfänger, Langzeitarbeitslose werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Und die FDP diskutiert, ob die Miete mit Nebenkosten 378 Euro oder 360 Euro als angemessen anzusehen ist. Das ist die Situation, wie sie die FDP diskutiert!