Protokoll der Sitzung vom 12.11.2009

[Zurufe von den Grünen]

Deswegen wird meine Fraktion sie auch wählen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Viertens und letztens: Wenn ein CDU-Parlamentarier an dieser Stelle mit Lockerheit von Filz und Korruption spricht, dann finde ich, könnte das etwas mehr demütig vorgetragen werden.

[Gelächter bei der CDU – Zurufe von der CDU]

Man könnte an der einen oder anderen Stelle auch deutlich machen, dass man aus seiner eigenen Vergangenheit gelernt hat. Aber offenbar geht es Ihnen vor allem darum, von Ihrer eigenen Vergangenheit abzulenken. Aber selbst in der Bibliothek des Abgeordnetenhauses gibt es genügend Dokumente schwarzen Versagens in dieser Stadt in den letzten 20 Jahren. Die Bücher finden Sie da alle. Es fängt bei Matthew D. Rose an, geht über die Bücher von Sontheimer zum Antes-Skandal weiter. Ein bisschen mehr Geschichtsbewusstsein in Bezug auf Ihre eigene Geschichte täte Ihnen nicht schlecht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Esser das Wort. – Bitte schön, Herr Esser!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Lederer! Ihre Bigotterie möchte ich haben.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

In der Zeitung den heutigen Vorgang auch bedenklich finden und jetzt die Sache mit durchziehen in dem vollem Wissen, dass der Schaden einzig und allein an der SPD politisch kleben bleibt, das ist die Nummer, die Sie als Koalitionspartner abgeben. Das nenne ich bigott.

Genauso ist es mit den Vorwürfen gegen die Anträge, die hier vorliegen. Die Anträge kommen spät – zu spät. Warum hat die keiner gestellt? Warum hat keiner das Gesetz geändert? – Weil das, was Herr Meyer einen Verlust an moralischem Kompass genannt hat, sich vor dieser Kandidatur, die vom Senat kommt, niemand vorstellen konnte.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Richtig! von der FDP]

Deswegen hat niemand überlegt, gesetzliche Regelungen zu schaffen. Ich mache mir das, was hier zum Teil über Sie, Frau Dunger-Löper, und Ihre Eignung gesagt wurde, ausdrücklich nicht zu eigen. Es geht einzig und allein darum, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin nicht einer institutionellen Verfahrensweise seinen Segen geben darf, die jedes politische Fingerspitzengefühl vermissen lässt und – das ist doch gar keine Frage – gravierende Interessenkonflikte in sich birgt. Man kann nicht eine amtierende Staatssekretärin mit der Kontrolle und der kritischen Würdigung von Vorgängen betrauen,

Dr. Klaus Lederer

[Mieke Senftleben (FDP): Richtig!]

die sie selbst auf der Regierungsseite mitverantwortet und oft genug auch öffentlich verteidigt hat.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das wird sie auch nicht tun!]

Institution matters – auf die Institutionen kommt es an, sagen die Nordamerikaner, deren demokratische Revolution vor allem eine große Volksdebatte um die, wie Herr Zackenfels es nannte, Architektur öffentlicher Institutionen gewesen ist. Da ging es um Gewaltenteilung, um Amts- und Machtmissbrauch und Machtbegrenzung. Da ging es eben nicht nur darum, Herr Lederer, dass in der Demokratie entscheidet, wer die Mehrheit hat. Da ging es darum, dass es Checks and Balances in diesen demokratischen Gefüge geben muss, die sich gegenseitig Grenzen setzen. Da geht es darum, dass Mehrheit sich eben nicht schrankenlos durchsetzen kann.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Die französische Revolution ist anders verlaufen, daher haben wir diese Tradition in Europa leider so nicht, sonst gäbe es diese Beispiele nicht, über die wir heute diskutierent – von Bayern, wo das genauso schändlich ist, bis Berlin. Ich frage mich, was jemand wie Jefferson oder Madison zu dem hier vorliegenden Fall sagen würde. Die würden mit Sicherheit sagen: Ein Parlament, das es zulässt, dass sich die Exekutive – und wenn es noch so indirekt ist – einer unabhängigen Kontrollinstanz bemächtigt, ist nicht ganz bei Trost.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Mieke Senftleben (FDP): Ja!]

Es ist auch beschrieben worden, dass das eine ganz schwierige Lage wird. Frau Dunger-Löper könnte, wenn sie jetzt gewählt wird, darauf verzichten – das hat sie ja auch gesagt –, in den vielen Fällen, in denen sie involviert war, ihr Recht als Präsidentin wahrzunehmen. Das ist aber nicht unbedingt das, was man sich unter Führung des Rechnungshofs vorstellt.

[Mieke Senftleben (FDP): So ist es!]

Sie könnte sich in all diese Vorgänge auch einmischen – das könnte zu heftigen internen Konflikten mit den Direktoren führen. Sie kann die Berichte unterzeichnen, mit denen der Senat häufig kritisch angegangen wird. Wenn das ein bisschen heftig ausfällt, wird es hinter der vorgehaltenen Hand heißen: Muss die denn den Makel Ihrer Wahl überkompensieren? – So wird es dann hier auf dem Flur lauten. Sie kann es umgekehrt machen und die Berichte unterzeichnen, die es ja schließlich auch und mit Recht gibt, die den Senat gegen Angriffe der Opposition verteidigen, und dann wird es öffentlich heißen: Ist ja kein Wunder – bei der Präsidentin. – Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen, da liegt kein Segen drauf.

Zu dieser Situation hätte es gar nicht erst kommen dürfen, denn sie sagt uns: Wer für die Unabhängigkeit und Würde des Rechnungshofs votieren will, der muss in dieser Situation Frau Dunger-Löper die Stimme verweigern und ist

ansonsten darauf verwiesen, die Diskussion zu führen, ob wir für die Zukunft, die unsere unmittelbare politische Zeitsicht übersteigt, institutionelle Vorkehrungen treffen gegenüber einem Senatsvorgehen, mit dem in dieser Form niemand gerechnet hat. Mehrheit ist nicht Mehrheit, Mehrheit muss sich auch an Grenzen halten. Hier geht es nicht darum, Frau Dunger-Löper zu beschädigen, hier geht es aber auch nicht darum, dass der SPD-Parteitag in Dresden gelingt und das Wahlergebnis von Klaus Wowereit besonders gut wird. Das sind alles Dinge, die heute nicht zur Debatte stehen.

Würden Sie zum Schluss kommen!

Hier steht eine Frage der Gewaltenteilung und der institutionellen Architektur zur Debatte. Das hat auch jeder in der Stadt und hier im Saal verstanden.

[Anhaltender Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Esser! – Herr Kollege Dr. Steffel! Während der Rede des Kollegen Dr. Lederer haben Sie dazwischengerufen: „Der Verbrecher und sein eigener Staatsanwalt!“

[Martina Michels (Linksfraktion): Unerhört!]

Das ist beleidigend und unparlamentarisch, ich rufe Sie deshalb zur Ordnung!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zu beiden Anträgen ist die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung und an den Hauptausschuss empfohlen worden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne das Kuratorenteam von „Istanbul Next Wave“ begrüßen, der gestern gestarteten Ausstellung zur Feier des Jahrestages der Städtepartnerschaft mit Istanbul. Die Delegation ist hier unter Leitung von Herrn Çetin Güzelhan. – Herzlich willkommen, danke für die Ausstellung!

[Allgemeiner Beifall]

Alle Kolleginnen und Kollegen sind aufgerufen, sich die Ausstellung anzuschauen, soweit sie das noch nicht getan haben.

Ich rufe auf

Joachim Esser

lfd. Nr. 5:

Wahl

die/der Präsidentin/Präsident des Rechnungshofs von Berlin

Wahlvorlage Drs 16/2719

Der bisherige Präsident des Rechnungshofs von Berlin ist bereits mit Ablauf des 31. Oktober 2009 in den Altersruhestand getreten. Ich begrüße den Pensionär Dr. Harms auf der Tribüne – herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Artikel 95 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung von Berlin schreibt vor, dass der Präsident des Rechnungshofs auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit seiner Mitglieder des Hauses gewählt wird. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Rechnungshofgesetz wird die Wahl ohne Aussprache in geheimer Abstimmung durchgeführt. Nach den von mir soeben genannten rechtlichen Vorgaben ist für die Wahl ein Quorum von 75 JaStimmen erforderlich.

Mit der Wahlvorlage des Senats auf Drucksache 16/2719 ist Frau Staatssekretärin Hella Dunger-Löper vorgeschlagen worden.

Wir kommen somit zur Wahl in geheimer Abstimmung. Ich bitte den Saaldienst um Aufstellung der zusätzlichen Tische und der Wahlkabinen. Ich bitte die Bereiche, von denen Einblick in die Wahlkabinen genommen werden könnten, zu verlassen. Das betrifft insbesondere den Senat und auch uns; die beiden äußeren TV-Kamerapositionen sind eindeutig abzuschalten, die Kameras sind wegzudrehen.

Ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Diese Wahl ist gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 unserer Geschäftsordnung mit Namensaufruf durchzuführen. Die Stimmzettel dürfen erst vor Betreten der Wahlkabine ausgehändigt werden. Bei der Stimmabgabe müssen die Wahlkabinen benutzt werden. Wenn die mit Ja, Nein oder Enthaltung gekennzeichneten und einfach gefalteten Stimmzettel in die dafür vorgesehenen Wahlurnen gelegt werden, ist dies von den Beisitzern schriftlich zu vermerken.

Die Kameras sind ausgeschaltet, die Senatsbänke sind im Wesentlichen verlassen, dann bitte ich, mit dem Namensaufruf zu beginnen.