Protokoll der Sitzung vom 12.11.2009

Aber eines ist mir nicht verständlich, und vor allem ist der Antrag unschlüssig, wenn ich mir die Begründung ansehe. Ich zitiere:

Das Amt des Präsidenten des Landesrechnungshofs erfordert eine große demokratische Legitimation. Die aktuelle öffentliche Diskussion um die Neubesetzung der Spitze des Rechnungshofs hat deutlich gemacht, dass das Wahlverfahren einer Neuregelung bedarf. Eine Begrenzung der Amtszeit auf 10 Jahre stellt klar, dass sich der Präsident mit seiner Amtsführung demokratisch legitimieren muss.

Das ist doch nun ein ziemlicher Unsinn!

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Wie wird durch eine Amtszeitbegrenzung die demokratische Legitimation größer? Das müssen Sie mir mal erklären. – Die Lebenszeiternennung soll die verfassungsmäßige Unabhängigkeit und die persönliche und institutionelle Freiheit der Rechnungshofkontrolle sichern, und die demokratische Legitimation sichert die Wahl durch dieses Parlament – nicht mehr und nicht weniger. Die wollen wir auch nicht abschaffen. Die findet statt, heute findet hier die Wahl statt. Und durch die absolute Mehrheit wird gesichert, dass die Präsidentin oder der Präsident des Rechnungshofs die demokratische Legitimation hat.

Zweitens: Was ändert die Amtszeitbegrenzung am Wahlverfahren, das ausweislich Ihrer Begründung einer Veränderung bedarf? – Nichts, gar nichts! Das wollen Sie offenbar nicht ändern, jedenfalls geht das aus Ihrem Antrag nicht hervor. Herr Goetze, darüber hätten Sie notfalls für Aufklärung sorgen können, anstatt sich an der Bewerberin abzuarbeiten. Denn offenbar war das dann doch der Zweck des Antrags, und das ist schade. Denn man kann im Kern über all das reden, was Sie vorschlagen.

Zum Antrag der FDP-Fraktion: Sie wollen das Mehrheitserfordernis auf zwei Drittel ändern, Amtszeitbegrenzung auf zwölf Jahre, Vorgabe der Befähigung zum Richteramt für Präsidentin bzw. Präsidenten oder Vize. Dann die Wechselsperre für Senatoren und Staatssekretäre für die Dauer von fünf Jahren. Auch über diese Vorschläge ließe sich im Kern reden. Das Mehrheitserfordernis von zwei Dritteln, ich wüsste nicht, dass es das in einem anderen Bundesland gibt, im Bund jedenfalls gibt es das Erfordernis absoluter Mehrheit, wie wir es hier auch haben. Üblich ist das auch in anderen Ländern. Da fragt man sich: Warum also? Und warum jetzt?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Weil ihr euch so schlecht benehmt!]

Die Wechselsperre, Karenzzeit, § 17 Bundesrechnungshofgesetz formuliert ähnlich wie unser § 10 Rechnungshofgesetz die Voraussetzungen: die Befangenheit vermeiden und die Ausschließung der Befassung in früheren Angelegenheiten sichern. Das impliziert auch, dass es sinnvoll ist, eine Innenkenntnis der Verwaltung für eine vernünftige Kontrolle im Rechnungshof zu implementieren. Ich finde, das soll auch weiter so sein. Ihre Differenzierung zwischen Präsidenten und – wie Sie es geschrieben haben – normalen Prüfern scheint mir nicht eingängig.

Der Wechsel, das hat Herr Kollege Zackenfells schon hervorgehoben, ist insofern auch nicht unüblich, und er hat auch erst einmal keine negative Konnotation. Andere Bundesländer haben auch so gehandelt, und es spricht auch nichts dagegen. Es kommt auf die Sicherung der Voraussetzung der Unabhängigkeit von Bewerberinnen und Bewerber in der konkreten Person an. Um nichts anderes kann es hier gehen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig technokratisch!]

Damit komme ich zweitens zu einem Fazit – hören Sie mir doch einfach zu, ich komme noch zur Sache selbst,

Christoph Meyer

auch wenn ich hier nicht eine solche Schlammschlacht entfalten will wie Sie, Herr Kollege Lindner. – Der FDPAntrag ist an sich diskutierbar. Der CDU-Antrag ist schwer nachvollziehbar. Was ich durchsichtig finde, ist: Zum Zeitpunkt der I. Lesung der Anträge wählen wir eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten – im konkreten Fall haben wir eine Präsidentschaftsbewerberin – für den Rechnungshof, und zwar eigentlich ohne Aussprache. Das ist das Verfahren, das in diesem Hause üblich war, und offenbar dienen diese Anträge nur einem einzigen Zweck, nämlich diese nicht stattfindende Aussprache doch noch zu ermöglichen, sonst hätten Sie nicht so viel über die Bewerberin geredet, sondern über Ihre Anträge, aber das schien es Ihnen nicht wert zu sein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Bisher ist offenbar kein Defizit in Bezug auf Artikel 95 der Verfassung von Berlin und auf das Rechnungshofgesetz erkannt oder die demokratische Legitimation bisheriger Amtsinhaberinnen oder Amtsinhaber infrage gestellt worden. Das Gesetz existiert seit 1960.

Herr Goetze! Ob eine Kandidatin oder ein Kandidat die Kriterien erfüllt oder nicht, das wird durch die Wahl in diesem Hause entschieden. Dazu gibt es Artikel 95 der Verfassung von Berlin. Bekommt die Bewerberin eine Mehrheit, ist die Mehrheit des Parlaments offenbar der Ansicht, dass sie diese Kriterien erfüllt, und dazu gibt es diese Wahl.

Da ist die FDP-Antragsüberschrift ehrlicher. Da steht etwas von sozialdemokratischer Versorgungspolitik, und da wird dann deutlich, dass der Sinn und Zweck Ihres Antrags offenbar in der Diskreditierung der Bewerberin besteht, und dazu kann ich nur sagen: Die Verfassung ist kein Spielfeld für permanentes Basteln, und als Geschäftsordnung des demokratischen Verfahrens sollte ihr Respekt gelten. Dazu möchte ich auch die Opposition auffordern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Für eine Kurzintervention hat jetzt der Kollege Graf das Wort. – Bitte schön!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Nach dem Parteikadergeschwätz!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Lederer! Die Tatsache, dass hier der Parteichef der Linken zu einem Thema wie der Besetzung des Rechnungshofs spricht, zeigt, wie die Koalition damit umgeht. Sie machen sich die Wahl der Rechnungshofspräsidentin zur Beute, um anschließend personalpolitische, sozialdemokratische Entscheidungen durchzusetzen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die Unabhängigkeit des Rechnungshofs sehen wir in der Tat durch diesen Personalvorschlag als gefährdet an. Es gibt hier einen handfesten Interessenkonflikt. Da können Sie noch so viele Beispiele aus anderen Ländern anführen. Es ist beispiellos, dass jemand von der Regierungsbank – jetzt dort gerade noch sitzend – direkt an die Spitze des Rechnungshofs, also zur Wächterin über die Kontrolle der Finanzen der eigenen Regierung, berufen wird. In der Tat ist es so, wie Kollege Meyer gesagt hat, dass die großen Problemfelder wie Spreedreieck,

[Gelächter von Torsten Schneider (SPD)]

Tempodrom oder öffentliche Wohnungswirtschaft Bereiche aus dem Haus der Stadtentwicklungsverwaltung sind. Wir haben hier eine Kandidatin, die sich von Beginn an im Falle ihrer Wahl für viele Bereiche als befangen wird erklären müssen.

Es ist auch so, dass Frau Dunger-Löper als Staatssekretärin nicht gerade für Kontrolle und Transparenz gestanden hat. Die Beispiele sind genannt worden. Das Thema öffentliche Beleuchtung – dort gab es eher Verschleierung und andere Umstände. Wir werden diesen Vorgang im Parlament noch aufklären müssen.

Abschließend möchte ich wie der Kollege Meyer einen Appell an die Regierungsfraktionen richten: Lassen Sie sich daran messen, was die Große Koalition in der Schlussphase im Frühjahr 2001 gemacht hat!

[Zuruf von der SPD]

Sie hat mit Herrn Dr. Harms einen Kandidaten von außen präsentiert, der eine breite Mehrheit dieses Hauses gefunden hat. Das Beste war dieser Koalition gerade gut genug. Jetzt wählen Sie einen Weg, mit der knappen Mehrheit

[Uwe Doering (Linksfraktion): Absoluten Mehrheit!]

Ihrer Regierungsfraktionen eine parteipolitische Besetzung des Rechnungshofs vorzunehmen, und Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Ihnen das später auf die Füße fällt.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Danke schön! – Herr Dr. Lederer! Sie möchten replizieren, dann haben Sie das Wort!

Sehr geehrter Herr Graf! Die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofs findet nach unseren parlamentarischen Traditionen ohne Aussprache statt.

[Zuruf von der Linksfraktion: Und nach dem Gesetz!]

Und nach dem Gesetz! Die parlamentarische Tradition, die in das Gesetz mündete, hat ihren Sinn. Die Besetzung der Rechnungshofpräsidentschaft ist hier gerade nicht Thema, lieber Herr Graf – das sollte ein parlamentarischer

Geschäftsführer wissen –, sondern zwei schlampig gearbeitete Anträge sind hier Thema.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

Es wäre schön gewesen, Sie hätten endlich einmal die Chance genutzt, uns zu erhellen, was an Ihrem Antrag eigentlich etwas mit dem Vorgang zu tun hat, über den Sie hier die ganze Zeit geredet haben. Es hat damit überhaupt nichts zu tun, und das ist ein ziemlich durchsichtiges, mieses Spiel, das Sie hier spielen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): Er wählt sich seinen eigenen Staatsanwalt! Dr. Frank Steffel (CDU): Der Verbrecher und sein eigener Staatsanwalt! Zurufe von der Linksfraktion]

Mit jedem Zwischenruf, den Sie hier machen, diskreditieren Sie sich einmal mehr, und das wird alles im Protokoll stehen. Der ganze Unsinn, den Sie hier reden, wird im Protokoll stehen. Ist Ihnen das nicht peinlich? Insbesondere Sie, lieber Kollege Lindner. Das ist doch einfach peinlich. – Dass ein Interessenkonflikt existiert, ist Unsinn.

[Zurufe von der CDU]

Lieber Herr Graf! Wenn Sie diesen Unsinn hier schon erzählen, dann sollten Sie ihn erklären. Ein Interessenkonflikt würde existieren, wenn die Kollegin Dunger-Löper gleichzeitig Staatssekretärin und Rechnungshofpräsidentin wäre.

[Gelächter bei der CDU und den Grünen]

Das soll sie nur nicht werden, sondern sie wird das eine Amt aufgeben, und sie wird das andere Amt annehmen. Und wie und in welcher Weise sie in dem neuen Amt arbeitet, können Sie überhaupt nicht sagen, weil Sie nicht in die Zukunft gucken können. Aus meiner Überzeugung gibt es an der Integrität von Frau Dunger-Löper überhaupt keinerlei Zweifel.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Es ist drittens eher so, dass die Tatsache, dass Frau Dunger-Löper mal Hauptausschussvorsitzende und Staatssekretärin war, sie aus meiner Sicht für dieses Amt sogar ausgesprochen qualifiziert. Ich zitiere einmal Pfenning/Neumann, Kommentar zur Berliner Verfassung, Artikel 95, Randziffer 35:

Da die Rechnungsprüfung als Teil der parlamentarischen Haushaltskontrolle wichtige Hinweise für künftige Haushalte gibt, ist das Zusammenspiel zwischen Haushalts- (Haupt-) -ausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss bedeutsam.

Ich finde, gerade in dem Dreieck Verwaltung, Hauptausschuss und Rechnungshof ist Frau Dunger-Löper mit den Erfahrungen aus all diesen Bereichen absolut prädestiniert, diesen Job zu machen.

[Zurufe von den Grünen]