Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Mit dem Bekenntnis zur mobilen Kunsthalle eröffnen wir die Möglichkeit eines Standorts für die zeitgenössische bildende Kunst in der Stadt. Wir stärken damit den Metropolencharakter der Stadt.

[Heidi Kosche (Grüne): Kreuzberg ist doch wunderbar!]

Ich bezweifle, dass Sie etwas davon verstehen! – In den nächsten zwei Jahren wird ein Konzept für die Kunsthalle entwickelt. Natürlich hat eine mobile Kunsthalle die gleiche Aufgabe wie eine immobile, nämlich zeitgenössische bildende Kunst zu zeigen, spartenübergreifend zu arbeiten und entsprechende Rahmenprogramme wie Symposien,

Klaus-Peter von Lüdeke

Vermittlungsarbeit und vieles mehr anzubieten. Allen Unkenrufen zum Trotz: Ich bin sicher, dass wir nach der Evaluation in zwei Jahren den Bau einer Kunsthalle realisieren können.

[Zurufe von den Grünen]

Wir haben vieles finanziell abgesichert, aber es gibt auch noch viel zu tun. Wir werden uns nächstes Jahr intensiv um die Sicherung und den Erhalt der Bibliotheken kümmern.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Wir werden noch einmal mit unseren öffentlichen Kultureinrichtungen reden müssen, damit sie ihre Kulturangebote auch für Migranten öffnen, denn auch diese haben einen Anspruch auf Teilhabe am Berliner Kulturleben. Sie finanzieren die Kulturangebote zum Teil mit und müssen deswegen auch durch entsprechende Vermittlungsarbeit angesprochen werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie sehen, Rot-Rot meint es mit der Förderung von Kunst und Kultur ernst. Ich persönlich finde, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen.

Ich möchte mich zum Schluss bei Frau Smoltczyk und den anderen Ausschussmitarbeiterinnen und -mitarbeitern bedanken. Es war nicht immer leicht! Im Kulturausschuss ist oft ein Chaos ausgebrochen, aber Sie haben alles sehr ruhig und geschickt organisiert. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke, Frau Kollegin Lange! – Für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Braun das Wort. – Bitte, Herr Braun!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Herr Wowereit vor drei Jahren nach dem Kulturressort griff, weil er – wie wir alle wissen – Herrn Flierl nicht mochte, kommentierte der Grandseigneur der Berliner Kultur, Peter Raue: „Das ist so als würde Kuwait das Amt des Ölministers abschaffen.“ – Und er hatte recht: Kultur ist einer der wichtigsten Bausteine für die Zukunft der Stadt. Sie braucht einen Senator, der da ist, sich kümmert, sie hegt und pflegt, weiterentwickelt und Schwerpunkte setzt.

Doch wie handelt Wowereit? – Lustlos, planlos, interessenlos. In Berlin hätte er längst eine Oper geschlossen, wenn der Bund nicht helfend eingegriffen und die Kosten der Sanierung in Höhe von 200 Millionen Euro übernommen hätte. Über 340 Millionen Euro zahlt der Bund jährlich für die Kultur in der Stadt: Festspiele, Akademie der Künste, Deutsche Kinemathek, Hamburger Bahnhof, Sanierung der Museumsinsel usw. Da gilt es Dank zu sagen, doch stattdessen – vorhin nur beispielhaft – wildes Eindreschen auf den Bund.

Doch zurück zu Wowereit: Wo sind seine Vorstellungen, seine Ideen? – Richtig, Kunsthalle! – Man stelle sich vor, der Regierende Bürgermeister geht zum Finanzsenator und fragt nach einer Finanzierung, worauf Herr Nußbaum erklärt: Wenn er eine Kunsthalle haben will, müsse er auf etwas anderes verzichten. – Schon verzichtet Wowereit auf die längst überfälligen und notwendigen Investitionen beim Bauhaus-Archiv. – Eine von Anfang an falsche Entscheidung. So kann man mit dem kulturellen Erbe der Stadt nicht umgehen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Doch dann verwerfen die kulturell gleichgültigen und ignoranten rot-roten Koalitionsfraktionen das Projekt Kunsthalle und beschädigen damit den Regierenden – übrigens den Herrn mit Richtlinienkompetenz, aber das ist mir eigentlich egal. Nicht egal ist mir, dass damit beide Projekte versenkt waren, nämlich die Kunsthalle und die Erweiterung und Sanierung des Bauhaus-Archivs. Das war eine politische Bravourleistung.

Doch auch ansonsten Interesselosigkeit beim Regierenden. Wo sind seine Schwerpunkte? – Keine Konzeption für die Weiterentwicklung des Tanzes in Berlin, keine Konzeption für den Umgang mit der zeitgenössischen Kunst in Berlin usw.

Nun ist die Kreativität nicht die hervorstechendste Eigenschaft des Regierenden – muss sie auch nicht. Aber wie sagte der ehemalige Generaldirektor der Opernstiftung, Stefan Rosinski? – „Herr Wowereit! Wenn Sie keine Ideen haben, kaufen Sie welche ein!“ – Übrigens: Das war das Ende von Herrn Rosinski in der Stiftung, und damit sind wir beim Umgang mit den Kulturschaffenden in der Stadt. Wer aufmuckt, fliegt und verliert das Wohlwollen der Herrschenden. – Welch ein Zeichen an die Kultur!

Kurz zu Wowereits Rede heute früh: Als amtierender Kultursenator kein Wort zur Kultur, kein Wort zur Kunsthalle, zur Zentralen Landesbibliothek und zur aktuellen Debatte um die Fusion der Orchester DSO und RSB. Da merkt man, wie wichtig ihm die Kultur ist.

[Regierender Bürgermeister Wowereit: Warten Sie’s mal ab! Ich war doch noch gar nicht dran! Berlin hatte viele großartige Kultursenatoren, wie Adolf Arndt, Kewenig und Hassemer – um nur einige zu nen- nen. Keiner von ihnen war gleichzeitig Regierender Bür- germeister, aber sie hatten alle eines gemein: Sie waren besser als Sie, Herr Wowereit! [Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege Braun! – Für die Linksfraktion hat nunmehr der Kollege Brauer das Wort. – Bitte, Herr Brauer!

Brigitte Lange

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Braun! Stellen wir uns vor, ab morgen gäbe es in Berlin tatsächlich Schwarz-Gelb-Grün, also Jamaika.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Was würde in der Kultur passieren? Ich habe einfach mal Ihre Anträge gelesen. Erstens – die Streichliste: Weg wären mit Beginn des neuen Haushaltsjahrs der Friedrichstadtpalast, das Kulturwerk der bildenden Künstler, das Künstlerhaus Bethanien, das Kino „Babylon“, das Ballhaus in der Naunynstraße, das Schwule Museum und der Bezirkskulturfonds.

[Zurufe]

Halt! – Nein, eine Ausnahme: Den Bezirkskulturfonds würde die CDU aufstocken, aber nur für eine Einrichtung, die rein zufällig im schönen Bezirk Steglitz-Zehlendorf ansässig ist, der Rest ist ihr egal.

[Ramona Pop (Grüne): Quatsch!]

Zweitens – Ihre Anträge, Frau Pop! –: In die roten Zahlen würden getrieben werden die Kulturprojekte GmbH, die Operstiftung – hier will die CDU übrigens auch um 2,4 Millionen Euro kürzen –, das Theater an der Parkaue, das einige ganz weg haben wollen, und das Deutsche Technikmuseum. Besonders erstaunt war ich, dass die Grünen das Zeiss-Großplanetarium weghaben wollen. Zumindest wollen Sie es verrotten lassen. Tolle Idee!

Dazu kämen pauschale Kürzungsabsichten der Oppositionskollegen bei der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern, bei freien Gruppen, bei der Atelierförderung und dem Kulturaustausch. Das liegt alles der FDP besonders schwer im Magen. Die Grünen wollen wiederum mit dem Rasenmäher über die öffentlichen Institute gehen – angeblich um der freien Szene zu helfen. Pardon, ich muss mich wieder korrigieren: Das Bild vom Rasenmäher ist falsch. Sie wollen mit dem Gartentraktor über das Staudenbeet und nennen das Ganze „solide Kulturpolitik“.

[Benedikt Lux (Grüne): Wirres Zeug!]

Genau! Das ist wirres Zeug, was Sie vorhaben. Es ist nichts anderes als wirres Zeug. Davor bleibt die Stadt hoffentlich verschont.

Unser Ansatz ist ein anderer: Während bundesweit – Frau Kollegin Lange hat darauf hingewiesen – die Kulturetats gekürzt werden, stocken wir auf. Rot-Rot weiß um den Wert und die Bedeutung der Kultur in und für diese Stadt. Keine einzige Kultureinrichtung, für die wir Verantwortung tragen, wird in den nächsten zwei Jahren aus Haushaltsgründen geschlossen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Dass die Koalition zum Beispiel dieser Tage deutlich machte, dass auch eine Teilabwicklung von Klangkörpern der ROC GmbH mit uns nicht infrage kommt, ist nicht mehr und nicht weniger als die praktische Konsequenz

unseres kulturpolitischen Ansatzes. Ich fand es gut, dass sich zumindest in dieser Frage hier im Haus fast alle einig waren: der Senat, die Koalitionsfraktionen und die Opposition. Anstatt dieses zu bemängeln, sollte man sich freuen, dass in diesem Haus wenigstens einmal der kulturpolitische Wille aller Parteien einen so raschen Erfolg erzielte.

Zu Ihrem heutigen Sperrantrag: Machen Sie sich bitte kundig, was mit den Mitteln geschehen soll! Es geht beileibe nicht um vergoldete Taktstöcke für Edeldirigenten. Die Mittel werden dringend zur ökonomischen Stabilisierung von vier Klangkörpern gebraucht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Bitte ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Er zeugt nur von gekränkter Eitelkeit. Er ist peinlich und ärgerlich. Ich wundere mich, Herr Braun, dass die in Kulturdingen durchaus gelegentlich mit bewundernswertem Augenmaß handelnde CDU diesen Unsinn mitmacht. Lieber Herr Braun, Sie stellen dem eigenen Kulturstaatsminister ein politisches Armutszeugnis aus. Darüber wundere ich mich.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Seit Rot-Rot regiert, fahren wir einen strikten Kurs der Stabilisierung der Berliner Kulturlandschaft. Bei den großen öffentlichen Institutionen ist uns dies gelungen, und der Haushalt bildet das ab. Einige notwendige Nachjustierungen haben wir in den Ausschussberatungen vorgenommen. Es wurde schon von Kollegin Lange aufgezählt. Als Schwerpunkte nenne ich die Kinder- und Jugendtheater, Teile der freien Szene und das BauhausArchiv. Bei einigermaßen sachlichem Studieren des Haushaltsplans werden Sie feststellen, dass wir eben dieser freien Szene ein großes Augenmerk widmen. Mehr wäre besser gewesen, das stimmt, aber leere Kassen sind eben leer.

Zudem muss gesagt werden, dass diese Koalition – entgegen der heute früh von sehr wenig Sachkenntnis getrübten Aussagen der Kollegin Pop, was Geschichtspolitik anbelangt – in den letzten Jahren enorme Summen für die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte ausgegeben hat, zum Beispiel in die Umsetzung des Mauergedenkkonzeptes. Welch großen Stellenwert wir dieser klar konturierten Geschichtspolitik zumessen, können Sie in der Bernauer Straße und in Marienfelde sehen. Sie werden es in der nächsten Zeit an der Gedenkstätte Hohenschönhausen und hier gegenüber an der Topografie des Terrors sehen. Sagen Sie bitte nicht, wir täten hier nichts!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wenn ich schon bei der Fraktion der Grünen bin: Es gab eine Zeit, in der habe ich Ihre kulturpolitischen Ansätze sehr geschätzt und eine Menge davon gelernt. Das räume ich ein.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das können Sie immer noch! Andreas Otto (Grüne): Lebenslanges Lernen!]

Es mag noch so etwas wie grüne Kulturpolitik geben, aber sie ist momentan leider kaum erkennbar.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das hat – diesen persönlichen Einschub kann ich mir nach der gestrigen Debatte nicht verkneifen – offenbar mit dem überdimensionalen Ego einer sehr lauten Kulturpolitikerin zu tun.