Gleichzeitig erleben wir eine nicht abreißende Welle von Anschlägen aller Art – insbesondere Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge. Dabei nehmen es die Täter in Kauf, dass bei diesen Verbrechen auch Menschen zu Schaden kommen. Die Ursachen dieser Gewalt sind vielfältig. Da ist die Rede von zivilem Ungehorsam, jugendlichem Übermut, alkoholgenährten Spontanaktionen, und da gibt es natürlich ganz massiv die Auffassung Einzelner, dass sie in ihrem Kiez die Regeln selbst bestimmen dürfen – ohne Rücksicht auf andere und ohne Rücksicht auf demokratisch zustande gekommene Entscheidungen unseres Gemeinwesens. So weit, so schlecht!
Doch wo ist die Ursache dafür zu suchen, wenn das gleiche Gemeinwesen nicht in der Lage ist, diesem Treiben wirkungsvoll ein Ende zu bereiten? – Der Grund hierfür liegt in dem gravierenden Fehler des rot-roten Senates, die innere Sicherheit in dieser Stadt ohne Priorität ausgestattet zu haben. Das haben Sie in der Vergangenheit nicht gemacht, und – viel schlimmer – dem verweigern Sie sich auch in der Zukunft, wie der vorliegende Haushaltsplanentwurf beweist.
Ich werde mich nicht an allen Einzelheiten dieses Planes abarbeiten. Hier hat die Verwaltung sicherlich solide Arbeit geleistet und die notwendigen Informationen „aufgeliefert“, wie es immer so schön im Behördendeutsch heißt. Aber kann das wirklich die Antwort auf die drängenden Probleme der inneren Sicherheit sein, die sich in dieser Stadt stellen? Ist das wirklich alles, was der Senat von Klaus Wowereit zu bieten hat – ein kraftloses „Weiter so“?
Wenn man die Worte meiner Vorrednerin noch im Ohr hat, muss man zu der Erkenntnis kommen, dass man zwar teilweise eine richtige Analyse durchführt, aber bei weitem nicht die richtigen Schlüsse zieht. Ansonsten flüchtet man sich in Selbstsuggestion und pfeift laut im Walde. Die Realität sieht so aus, dass die Polizei seit Jahren kaputtgespart wird und die Einkommensunterschiede zu den anderen Bundesländern kontinuierlich steigen. Berlin ist
hierbei bereits heute das Schlusslicht. Gleichzeitig werden die Beamten gegängelt – mit Gesten des Misstrauens wie der versuchten Vorschrift, bestimmte Kleidermarken zu meiden, oder der in Aussicht stehenden Pflicht, stets und ständig Namensschilder zu tragen.
Im Austausch für diese tollen, neu angekündigten Uniformen gibt es dann auch gleich diese Verpflichtung sozusagen dazu. Dabei wäre es jetzt an der Zeit, etwas gegen die stetig zunehmende Überalterung zu tun. Dabei wäre es an der Zeit, das Gebirge an Überstunden, die die immer gleichen Kollegen vor sich herschieben, endlich einmal abzubauen. Dabei wäre es an der Zeit, das hat selbst Frau Hertel festgestellt, die festgeschriebenen Stellen wenigstens tatsächlich einmal zu besetzen. Die CDUFraktion hat diese Sorgen aufgenommen und ernst genommen. Unser Haushaltsgegenentwurf sieht vor, die Stellen bei der Polizei um 250 und bei der ebenfalls schwer notleidenden Feuerwehr um 150 zu erhöhen, und zwar gegenfinanziert. Natürlich würde auch das nicht alle Probleme über Nacht lösen, die in vielen Jahren rot-roter Lethargie entstanden sind. Aber es wäre wenigstens ein Zeichen, ein Signal des Aufbruchs, ein aktives Bekenntnis zu unserer Stadt, das sagt: Ja, wir glauben daran, dass man Dinge auch wieder verändern kann. Eine klare Botschaft auch an diejenigen, die für die Sicherheit und im Rettungsdienst unserer Stadt tagtäglich Großes leisten.
Eine Botschaft, die sagt: Wir wissen, wie schwierig eure Arbeit ist und lassen euch nicht im Stich, die ihr am Ende der gesellschaftlichen Kette der Prävention steht und erst zum Einsatz kommt, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Denn viel zu vieles hat Rot-Rot bereits den Brunnen hinabrauschen lassen: die Schließung von Polizeiabschnitten, das Abschmelzen der Einsatzhundertschaften, die sicherheitsmäßige Entblößung der Stadt in den Nachtstunden, die Nichteinhaltung der Schutzfristen durch die Feuerwehr.
Auch wenn wir über linke Gewalt reden, reden wir über einen Befund, der in vielem hausgemacht ist. Viel zu lange hatte der Senat die Schotten dicht: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Die Fehler sind sogar systematisch und fangen mit der rot-roten Koalitionsvereinbarung an. Kein einziges Wort findet sich darin zum Thema Linksextremismus. Noch bis vor Kurzem wurde dieses Thema tabuisiert. Erst der ständige Druck der Opposition und insbesondere der CDU hat den Senat gezwungen, das Kind beim Namen zu nennen.
Rot-Rot musste zum Jagen getragen werden, wenn es um die klare Benennung der Bedrohung für die innere Sicherheit dieser Stadt geht. Das sagt doch schon alles über diejenigen, die man mit der Sicherheit betraut hat. Mittlerweile haben sie dem Druck nicht mehr standgehalten
und erkannt, dass die gesellschaftliche Ächtung linksextremen Gedankenguts genauso wichtig ist wie die Ächtung des Rechts- oder Ausländerextremismus. Sie geben es inzwischen sogar zu, dass Sie hier in den vergangenen Jahren geschlafen haben. Mittlerweile gibt es auch keine klugen Ratschläge mehr an Autobesitzer, provozierendes Parken zu unterlassen. Mittlerweile versuchen Sie sogar, sich in der verbalen Verdammung zu übertreffen. Herr Körting! Ich frage Sie: Wen meinen Sie denn eigentlich mit den rot lackierten Faschisten? Meinen Sie denn auch Ihren Koalitionspartner,
wenn in dessen Reihen Leute sitzen, die gewalttätige Demonstrationen anmelden oder die regelmäßig daran teilnehmen, wenn es gilt, gegen die Grundfesten unserer Gesellschaft und Sozialordnung zu Felde zu ziehen?
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen und auf einen wesentlichen übergeordneten Aspekt hinweisen. Sicherheit ist ein hohes Gut und ein ungemein soziales Gut. Sicherheit muss in dieser Stadt gelten in Frohnau und Schmöckwitz genauso wie in Nordneukölln und in Kreuzberg-Friedrichshain. Und vielleicht gerade in den letztgenannten Stadtteilen erweist sich die Fähigkeit eines Staats, einen so sozialen Wert wie Sicherheit zu gewährleisten. Denn insbesondere die Menschen, die dort leben, können nicht einfach ihre Koffer packen und wegziehen, wenn der Staat seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen kann. In diesem Sinne ist Ihre Politik hochgradig unsozial und der vorgelegte Haushalt nur das Schrift gewordene Manifest Ihrer Hilflosigkeit. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich am Anfang zu dem Begriff „rot lackierter Faschismus“ etwas sagen. Was dazu zu sagen ist, ist auch nachzulesen. Das hat der Landesvorsitzende meiner Partei, Klaus Lederer, bereits gesagt,
dass Faschismus in Nürnberg vor Gericht stand, und zwar wegen Völkermords und Angriffskrieg. Das ist keine Vergleichsgröße von keinem zu der momentanen Situation, die wir in dieser Stadt haben.
In unserem Haushalt, wenn wir ihn insgesamt betrachten, wird deutlich, dass es im Personalbereich zwei Schwerpunkte gibt, die nicht von weiteren Einsparungen betroffen sind, im Gegenteil. Das ist zum einen der Bereich Bildung, und das ist auf der anderen Seite der Sicherheitsbereich, auch wenn Sie das so vehement bestreiten. Ich frage mich, wie Sie von CDU und FDP Ihr Mantra von mehr Einstellungen bei Polizei und Feuerwehr realisieren wollen, wenn Sie gleichzeitig personelle Einsparungen als Teil Ihrer Konsolidierungsvorschläge haben. Diese beiden Brocken sind so groß, nehmen einen so großen Raum im Gesamtpersonalbestand ein, dass Sie schlechthin nicht erklären können, wo Sie einsparen, um da sogar noch zuzulegen.
Bei der Polizei gilt die Zielzahl 16 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar als Vollzeitäquivalent. Wir sind noch nicht so weit. Dafür werden – so ist die Planung – von diesem Jahr an bis 2012 1 670 neue Mitarbeiter eingestellt. Sicher kann man sich mehr wünschen. Aber dazu wird auch noch kommen, dass der Tarifabschluss eine bessere Bezahlung nicht nur der Tarifangestellten sondern auch der Beamtinnen und Beamten sichern wird. Wie wichtig die Anerkennung von Leistung gerade in diesem Bereich ist, wird deutlich, wenn wie im Moment nicht nur in Berlin direkte Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten geführt werden, wenn neben all den anderen Themen dieser Welt auch ihre bloße Existenz als Rechtfertigung von Gewalttaten aus dem linksextremistischen Spektrum verwendet wird. Es ist richtig, Nacht für Nacht brennen Autos, aber es ist eben nicht damit getan, neben jedes Auto einen Polizisten zu stellen. Wichtig ist, dass die Gesellschaft nicht wegsieht und dass Politik mit gutem Beispiel vorangeht
und jede Art von Gewalt nicht nur öffentlich ablehnt, sondern auch eine Anerkennungskultur für diese Arbeit der Polizei etabliert. Ich würde mir wünschen, dass der tägliche Kommentar aus den Reihen der CDU ausbliebe, die Polizei sei überfordert und agiere erfolglos gegen Gewalttäter.
Auch aus meiner eigenen Partei erwarte ich, dass von keinem eine Relativierung im Zusammenhang mit Gewalttaten geäußert wird – im Gegenteil.
Was wir in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit dem 1. Mai an positiven Entwicklungen in der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Politikern, Bezirkspolitikern und vielen gesellschaftlichen Gruppierungen begonnen haben: Es ist völliger Quatsch, Herr Juhnke, was Sie erzählt haben, dass das die größten Gewaltauswirkungen überhaupt an einem 1. Mai waren. Ich darf Sie bloß erinnern, bevor Rot-Rot in diesem Land regierte, hat es ganz andere Ausschreitungen am 1. Mai gegeben.
Nein, wir finden im Gegenteil, dass es etwas ist, worauf Polizistinnen und Polizisten in den letzten Jahren in Berlin zu Recht stolz sein können. Denn das Prinzip der ausgestreckten Hand ist in ebendieser Polizei entwickelt worden, natürlich gemeinsam mit anderen, natürlich gemeinsam mit Zivilgesellschaft, mit dem Bezirk. Aber es ist ein Projekt dieser Polizei. Und wir halten es für ein richtiges Projekt.
Wir sollten gemeinsam den Rückschritt vom letzten Jahr am letzten 1. Mai bedauern und zusehen, dass wir es im kommenden Jahr wieder besser hinbekommen.
Eine vernünftige Besoldung ab 2010, garantierte Ausbildung und Einstellung junger Polizistinnen und Polizisten sind nicht nur notwendig, sondern auch ein wichtiges Signal. Auch eine vernünftige Ausstattung wie es der Digitalfunk ist, ein sukzessiv erneuerter Fuhrpark, eine Verbesserung der technischen Ausstattung, insbesondere beim LKA, wenn Sie sich da mal die vielen Posten anschauen, sind in diesem Haushalt angelegt. Dass die neuen Uniformen, die ebenfalls mit diesem Haushalt eingeführt werden, blau sein werden, ist nicht ihr wichtigstes Merkmal, sondern das ist ihre Funktionalität. Wir werden mit diesen Uniformen auch die individuelle Kennzeichnung mit Namen und wahlweise Nummern bekommen. Es gibt auch in zugespitzten Situationen keinen Grund zur Sorge, im Gegenteil.
Ich will allem schon Gesagten gerne ein Argument hinzufügen: Wenn es Menschen gibt, die meinen, Polizistinnen und Polizisten, ihre Fahrzeuge und Gebäude angreifen zu müssen, weil das der „Repressionsapparat“ ist, dann sollen die wissen, dass ihnen individuelle Menschen gegenüberstehen, die für die Gesellschaft tätig sind und die sich nicht verstecken müssen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seelig! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Herr Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte sehr!
Danke, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer in diesen Tagen Zeitung liest, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Wozu braucht dieser Innensenator eigentlich einen Etat? – Flotte Sprüche machen, dicke Sprüche klopfen, das kann er auch ohne diesen.
Klar ist, Gewalt und Kriminalität, insbesondere die täglich brennenden Autos, erhitzen die Gemüter, und es ist richtig, diese Gewalt und andere Straftaten unmissver
Jenseits des tagespolitischen Gefechts geht es um die Frage, wie wir unsere begrenzten Mittel so effektiv wie möglich einsetzen – der Innensenator gibt immerhin jährlich 1,8 Milliarden Euro aus, davon 1,2 Milliarden Euro für die Polizei. Wie gehen wir verantwortlich mit diesem Haushaltsposten um, wie wird die öffentliche Sicherheit, auf die gerade die sozial Schwachen angewiesen sind, gewährleistet? Welche neuen Herausforderungen, vor dem Hintergrund der sozialen Spaltung, des Auseinanderklaffens von Arm und Reich auf der einen Seite und der Digitalisierung unseres Lebens auf der anderen Seite, gibt es eigentlich? Wie schaffen wir heute die Strukturen, mit denen die Polizei morgen ihre Aufgaben erfüllen kann? – Wir haben dazu von Ihnen, Frau Seelig, und auch von Ihnen, Frau Hertel, keine Antwort erhalten, keine Antwort auf diese entscheidenden Fragen. In diesem Haushaltentwurf findet sich dazu auch nichts.