Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Jenseits des tagespolitischen Gefechts geht es um die Frage, wie wir unsere begrenzten Mittel so effektiv wie möglich einsetzen – der Innensenator gibt immerhin jährlich 1,8 Milliarden Euro aus, davon 1,2 Milliarden Euro für die Polizei. Wie gehen wir verantwortlich mit diesem Haushaltsposten um, wie wird die öffentliche Sicherheit, auf die gerade die sozial Schwachen angewiesen sind, gewährleistet? Welche neuen Herausforderungen, vor dem Hintergrund der sozialen Spaltung, des Auseinanderklaffens von Arm und Reich auf der einen Seite und der Digitalisierung unseres Lebens auf der anderen Seite, gibt es eigentlich? Wie schaffen wir heute die Strukturen, mit denen die Polizei morgen ihre Aufgaben erfüllen kann? – Wir haben dazu von Ihnen, Frau Seelig, und auch von Ihnen, Frau Hertel, keine Antwort erhalten, keine Antwort auf diese entscheidenden Fragen. In diesem Haushaltentwurf findet sich dazu auch nichts.

[Beifall bei den Grünen – Udo Wolf (Linksfraktion): Was ist denn Ihre?]

Wir regieren ja noch keine acht Jahre, und wir haben noch keine Zielvorstellung gemacht – wie dieser Senat –, ab 2012 nur noch 0,3 Prozent Ausgabenzuwachs zu haben.

Ich stelle fest, dieser Innensenator beschließt für sich und für nächstes Jahr 2,5 Prozent – mit Ihrer blinden Gefolgschaft! Er tut aber nichts, um strukturell die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, die wir auch noch in 10 und in 20 Jahren haben wollen. Da legt der Innensenator die Axt an, er macht sich dann vielleicht von den roten Socken, wir und die zukünftigen Generationen in der Berliner Polizei werden dafür bluten müssen, und dafür sind Sie verantwortlich!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Udo Wolf (Linksfraktion)]

Nehmen Sie doch mal zur Kenntnis, dass 94 Prozent der Berliner Polizisten unzufrieden sind und kein Vertrauen in die Lohnpolitik dieses Senats haben. Der Senator schafft es nicht einmal darzustellen, dass er mehr Geld für das Personal im nächsten Jahr hat – und das in dieser Situation! Glauben Sie, wir haben im Moment eine harte Debatte über innere Sicherheit? Was glauben Sie denn, wie in 10 Jahren, wie in 15 Jahren die Debatten in diesem Land aussehen werden, wenn Sie noch weniger Geld für Ihr Personal haben?

Dieser Senator ist nicht nur für die öffentliche Sicherheit zuständig, er ist zuständig für das öffentliche Dienstrecht – also für die Beamtinnen und Beamten in diesem Land und die Angestellten –, und er ist zuständig für die IT-Sicherheit. Was aber sagt er dazu? – Nichts, Fehlanzeige! Nur dumme Worte zu irgendwelchen extremistischen Übergriffen, ein gehackter Vergleich nach dem anderen – das kann keine seriöse Politik für mehr Sicherheit in diesem Land sein.

Marion Seelig

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Dass Polizei und Feuerwehr dennoch Großartiges leisten und für ein relativ hohes Sicherheitsniveau in dieser Stadt sorgen, ist ihnen hoch anzurechnen. Die Beschäftigten und die Öffentlichkeit haben aber ein Recht darauf, zu erfahren, wohin die Reise geht. Ich glaube, dass auch die CDU, die suggeriert, für öffentliche Sicherheit zu stehen, nicht weiß, wie die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten ist – sie hat ihre Stellen nicht gegenfinanziert, und die einzige Antwort, die Sie zu diese Sicherheitsfragen haben, ist: mehr Personal. Auch das ersetzt aber keine Aufgabenkritik, auch das ersetzt keine selbstkritische Debatte – wofür müssen wir als öffentliche Hand eigentlich noch zahlen? Müssen wir als öffentliche Hand jeden Autounfall kostenlos aufnehmen und für private Versicherungen arbeiten? Müssen wir jeden Kreditbetrug kostenlos bearbeiten, eine Akte dafür anlegen, nur weil Gläubiger oder Banken sich sorglos nicht um die Solvenz ihres Schuldners gekümmert haben?

[Zurufe von Stefan Zackenfels (SPD) und Lars Oberg (SPD)]

Wir Grünen sind diejenigen, die der Berliner Polizei am meisten abverlangen. Wir erwarten von der Polizei, dass die Würde und die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Beschuldigten, Tatverdächtigen und Störern jederzeit geachtet werden. Das auch dann, wenn sie Straftäter sind, das auch dann, wenn sie militante Linke sind und andere Menschen entrechten. Diesen Anspruch haben wir an die Berliner Polizei, wir geben ihnen dafür andererseits Verlässlichkeit, ein offenes Wort, und wir schlagen ihnen nicht die Türe zu wie dieser Innensenator.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux! – Für die FDPFraktion hat nun der Abgeordnete Jotzo das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hertel! Mit Ihrer Politik haben Sie sicherlich nicht nur den Beschäftigten Schweres aufgebürdet, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern. Ihre Sicherheitspolitik hat nicht nur in den letzten Jahren für einiges Unverständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern gesorgt, vielmehr fürchte ich, dass Sie diese Fehlentwicklung der letzten Jahre auch durch diesen Doppelhaushalt nicht werden korrigieren können. Sie haben jegliche tatsächliche Schwerpunktsetzung – abseits vom Verwaltungsgeplänkel, das Sie hier ausführlich vorgetragen haben, Frau Hertel, – vermissen lassen.

[Beifall bei der FDP]

Das ist erstaunlich, weil unsere Stadt mit einer Welle linker Gewalt konfrontiert ist, weil Sie ja selbst einräumen, dass Sie zur Zeit 250 bis 300 Stellen hinter der von

Ihnen selbst definierten Mindestausstattung der Berliner Polizei zurückbleiben, und weil Sie auf unser nachdrückliches Drängen hin einräumen müssen, dass die Feuerwehr überall in unserer Stadt die Eintreffzeiten nicht einhalten kann. Das ist keine Petitesse, sondern das sind wichtige Anforderungen an staatliche Kernaufgaben, für die Sie allein, Sie, Herr Innensenator, und auch Sie, die rot-rote Koalition, die Verantwortung tragen.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben einfache Forderungen aufgestellt – wir wollten Ihnen die Hürde nicht zu hoch machen. Wir haben von Ihnen gefordert, dass wir innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren den Stellenrückstand bei der Berliner Polizei gemeinsam beseitigen – das entspricht einem Aufwuchs zusätzlich zum von Ihnen definierten Einstellungskorridor von jeweils 20 Stellen pro Jahr. Gleichzeitig wollten wir der Berliner Feuerwehr 60 Stellen zusätzlich zur Verfügung stellen. Das hätte dazu geführt, dass wir den Eintreffzeiten genau die Zeit gutgeschrieben hätten, die gebraucht wird, um wieder rechtzeitig vor Ort zu sein – es geht um Lebensrettung, um Menschenleben! Ich finde es geradezu grotesk, Frau Seelig, dass Sie mir die Frage stellen, wie wir einen solchen Stellenaufwuchs darstellen wollen. Einerseits – das können Sie auf den Seiten 32 und 34 unseres liberalen Sparbuchs nachlesen – fordern wir einen Aufwuchs von kumuliert 80 bzw. 100 Stellen in den beiden Haushaltsjahre. Das sind Kosten von wenigen Millionen Euro, und gleichzeitig verpulvern Sie von der rot-roten Koalition über 150 Millionen Euro für einen wirkungslosen und sozialwidrigen öffentlichen Beschäftigungssektor. Angesichts dessen, Frau Seelig, ist Ihre Bemerkung grotesk.

[Beifall bei der FDP]

Herr Körting – das wurde bereits angesprochen – hat nun jede Woche ein neues nettes Wortkonstrukt parat: Einerseits möchte er linke Gewalt endlich ächten, es gibt auch rot lackierte Faschisten – vielleicht nicht unter uns, aber doch in unserer Nähe. Aus unserer Sicht – und da stimmen wir mit Bündnis90/Die Grünen völlig überein – reicht es eben nicht, ein Mantra der Ächtung vor sich herzutragen. Sie müssen gewährleisten, dass Linksextremismus nicht nur benannt, sondern auch wirksam bekämpft wird in unserer Stadt. Dazu gehört es, nicht nur die polizeiliche, sondern auch die gesellschaftliche Problematik endlich anzugehen. Genau die Voraussetzungen dafür haben Sie in diesem Haushalt nicht gelegt. Eine Stärkung der polizeilichen Prävention, gerade im gesellschaftlichen Bereich, ist in diesem Haushalt nicht abgebildet – weder in den sächlichen Verwaltungsausgaben, noch im Personalkörper.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben drei Erwartungen an Sie, und alle drei haben Sie nicht erfüllt. Wir wünschen uns eine bürgernahe und leistungsfähige Polizei, die ordnungsgemäß – gemäß Ihren eigenen Definitionen, nicht mehr und nicht weniger – ausgestattet ist, wir wollen Prävention nicht nur als Lippenbekenntnis, und wir wollen, dass Sie Extremismus keine Chance geben, nicht von links, nicht von rechts, von

Benedikt Lux

nirgendwoher. Und wir wollen, dass Sie leistungsfähige Rettungsdienste in unserer Stadt anbieten. Alle drei Anforderungen haben Sie nicht erreicht. Deswegen werden Sie auch mit diesem Haushalt und seinem Vollzug scheitern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Für den Senat hat jetzt der Senator für Inneres und Sport, Herr Dr. Ehrhart Körting, das Wort. – Bitte sehr!

[Zuruf von den Grünen: Der rot lackierte Sprücheklopfer!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bereich des Haushalts 05 – Inneres und Sport – ist in der Tat ein weites Feld. Das ist ja auch in den Debatten deutlich geworden. Ich möchte mich auch erst einmal für die Beratung in den Ausschüssen bedanken, in denen wir jenseits von Polemik einfach verschiedene Fragestellungen ausdiskutiert haben.

Womit haben wir es bei dem Haushalt bzw. dem Aufgabenfeld zu tun? – Wir haben es mit Kriminalitätsbekämpfung zu tun. Und da sage ich selbstbewusst für die Berliner Polizei: Wenn Sie sich die Zahlen der Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre ansehen, dann werden Sie feststellen, dass wir rückläufige Kriminalität haben und eine höhere Aufklärungsquote als vor Beginn dieser Koalition im Juli 2001 bzw. im Januar 2002. Das ist eine einfache, nüchterne Feststellung. Wir haben eine Aufklärungsquote bei der Kriminalitätsbekämpfung ungefähr um 50 Prozent. Wir haben eine rückgehende Kriminalität. Das ist nicht allein der Arbeit der Polizei zu danken, hat auch ein bisschen was mit demografischer Entwicklung, mit älter werdender Gesellschaft zu tun.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Selbstverständlich, Herr Wansner, Sie haben völlig recht, es hat natürlich auch was mit meiner Arbeit zu tun. Ich nehme das gerne von Ihnen entgegen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber es relativiert das Bild, das Sie zeichnen, wenn Sie sich wirklich mit den Daten befassen. So! Wir haben eine solche Entwicklung. Wir haben übrigens auch in einzelnen Kriminalitätsfeldern eine durchaus positive Entwicklung. Wenn Sie sich das Kriminalitätsfeld Jugendgewalt ansehen, das uns besonders am Herzen gelegen hat, weil wir dort über Jahre einen besonderen Anstieg gehabt haben, dann werden Sie feststellen, dass die Maßnahmen, die von Polizei mit Unterstützung Justiz – Kollegin von der Aue – ergriffen worden sind, greifen. Das heißt, das,

was wir machen, dass wir einen Teil der Leute aus dem Verkehr ziehen, die als Intensivtäter oder Schwellentäter mit einer Vielzahl von Straftaten auftreten, und zwar schneller aus dem Verkehr ziehen, als das früher der Fall war, hat zu der positiven Entwicklung geführt, dass wir die Zahl der Taten – etwa die Zahl der Raubtaten von Jugendlichen gegenüber anderen Jugendlichen – entscheidend gesenkt haben.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Ich weiß, dass Opposition das nicht gerne hört, obwohl ich glaube, wenn man denn außerhalb Berlins ist, freut man sich auch wieder darüber, dass es bestimmte positive Entwicklungen gibt. Ich verkenne nicht, dass es natürlich auch Defizite gibt. So ist das im Leben.

Wir haben die Feuerwehr umstrukturieren müssen aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach unsere Mitarbeiter nicht mehr 55-StundenSchichten in der Woche, sondern nur noch 48 Stunden leisten dürfen, weil alle Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten gelten. Das hat nicht automatisch zu einer Erhöhung des Personals geführt, obwohl wir auch im letzten Haushalt eine Erhöhung von 75 Mitarbeitern im Ergebnis bekommen haben. Wir haben diesmal eine andere Lösung gefunden, indem wir 130 Stellen frei machen – das sind weit mehr als das, was die FDP hier vorgeschlagen hat –, indem wir die Auszubildenden künftig auf anderen Stellen führen. Außerdem werden wir zu Beginn des kommenden Jahres fünf weitere Rettungswagen der Hilfsorganisationen mit einsetzen, um die Zahlen beim Rettungsdienst zu verbessern. Wenn wir über Zielvereinbarungen und Zielzahlen sprechen, müssen wir, glaube ich, auch darüber sprechen, dass die Zielzahlen in der Feuerbekämpfung – Feuerwehr – alle überall eingehalten werden, das heißt, dort sind wir positiv.

[Benedikt Lux (Grüne): Was nützt mir das beim Herzinfarkt?]

Zu dem weiten Feld, das wir haben, gehört auch der Verfassungsschutz. Und dazu gehört eben auch die Bekämpfung extremistischer Bestrebungen völlig unabhängig von der Richtung. Es ist schlichtweg unrichtig, Herr Kollege Juhnke, wenn Sie immer wieder vor sich hertragen, dass dieser Senat linksextremistische Bestrebungen nicht benannt hat. Dann gucken Sie sich die Verfassungsschutzberichte und die jährlichen Berichte der Kriminalpolizei an,

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Koalitionsvereinbarung!]

die Polizeiberichte, die wir machen. Politisch motivierte Kriminalität links und rechts und auch politisch motivierte Kriminalität aus dem Ausländerextremismus, insbesondere aus dem islamistischen Terrorismus, ist von uns zu allen Zeiten benannt worden.

Das gilt auch für die Fragestellung, die wir insgesamt mit einem weiteren Feld haben. Mir untersteht auch die Ausländerbehörde. Das ist auch immer heiß umstritten, wie ausländerrechtliche Entscheidungen getroffen werden. Dazu wird sich sicherlich noch jemand äußern und auch

Björn Jotzo

kritisch äußern. Ich kann nur sagen – und das in aller Zurückhaltung –, kein Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland hat so viele Härtefälle positiv entschieden im Verhältnis zu den betroffen Personen wie Berlin.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch das ist eine einfache Frage der Statistik, meine Lieben, das könnt ihr einfach nur nachlesen, es gibt Fälle – –

[Zuruf]

Natürlich! Ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen mit 16 Millionen Leuten hat insgesamt mehr Fälle. Aber wenn ihr euch die absoluten Zahlen von NordrheinWestfalen anseht, dann wird man feststellen, dass im Verhältnis zur Ausländerpopulation kein anderes Bundesland so viele Härtefälle positiv entschieden hat, wie ich das entschieden habe. Ich habe auch rund 25 Prozent der Härtefälle negativ entschieden.

[Benedikt Lux (Grüne): Das sind alles Vergewaltiger! Das haben Sie schon mal erzählt!]