Und das alles, obwohl Sie genau wissen, worum es geht. Herr Nußbaum zur Schuldenbremse: Wir brauchen einen Abbau des strukturellen Defizits im Zeitraum von 2010 bis 2020 um jeweils zehn Prozent pro Jahr. – Zehn Prozent pro Jahr!
Die Linke gibt in dieser Koalition den Tritt vor. Um Altschulden abzubauen, sagt sie, brauche man nur noch Bundeshilfen. Ein wichtiger Schritt, sagt Die Linke, um landespolitische Gestaltungsspielräume erhalten zu können, wäre die Prüfung einer Verfassungsklage. Sie will keine Aufgabenkritik, und sie wünscht sich ein linkes Lager, in
dem SPD und Grüne nach ihrer Pfeife tanzen – so gibt es Die Linke in Ihrem Strategiepapier vor. Das sind keine Grundlagen für eine solide Haushaltspolitik, das ist der Abgesang dieser Koalition. Wir helfen Ihnen dabei und können uns für die Stadt nur wünschen, dass diese Koalition nicht noch die nächsten zwei Jahre Verantwortung trägt, sondern möglichst schon vor der Zeit die politische Verantwortung verliert. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die Fraktion Die Linke hat nun Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vom Senator a. D., Herrn Sarrazin, haben wir gelernt, dass man einen Haushalt nicht auf der Einnahmeseite aufbauen kann, sondern nur auf der Ausgabenseite – das ist nach wie vor richtig.
Während alle anderen Bundesländer von 2001 bis 2008 ihre bereinigten Ausgaben im Durchschnitt um 9,2 Prozent steigerten, haben wir in Berlin – als einziges Bundesland – die bereinigten Ausgaben um 0,4 Prozent, nämlich um 1,7 Milliarden Euro, gesenkt.
Kein anderes Bundesland hat das geschafft, und das ist die Basis, auf der wir der Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenzusteuern haben. Das ist der große Unterschied zu den bisherigen Haushalten der rot-roten Koalition, ausgenommen der Nachtragshaushalte. Dieser Doppelhaushalt 2010/2011 hat der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenzusteuern und nicht hinterherzusparen.
Um die Dramatik der Situation zu begreifen, muss man dann doch auf die Einnahmen schauen, und da sehen wir im Vergleich zum Ist 2008 einen dramatischen Steuereinbruch von 1,4 Milliarden Euro in 2009 und 1,9 Milliarden Euro in 2010. Schon jetzt resultieren diese Verluste zu etwa 30 Prozent aus bundesrechtlichen Steuerrechtsveränderungen. Das wird in den nächsten Jahren angesichts des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes noch schlimmer, das letztlich ein Ausrauben der öffentlichen Haushalte der Bundesländer darstellt. Dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist ein Anachronismus – in der Landwirtschaft werden Wachstumsbeschleuniger übrigens in der Regel Düngemittel genannt. Wenn man die falsch einsetzt, hat man nicht nur kein Wachstum, sondern auch noch eine Bodenverseuchung. Die Gülledüngung in der DDR war ein solches Beispiel von Wachstums
Damit aber nicht genug der Einnahmeverluste! Kurz gesagt: Wir können auf keinen einzigen Cent aus Solidarpaktmitteln verzichten. Sollten diese ausfallen, fordern wir eine entsprechende Kompensation aus Bundesmitteln.
Berlin wird von der Wirtschaftskrise zwar stark, aber offenbar weniger getroffen als andere Regionen und der Bund selbst. Dies wurde kürzlich sogar von der – hören Sie zu, Herr Goetze, Herr Meyer! – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft konstatiert, wonach Berlin wegen seines dynamischen Wachstums einen vorderen Platz im Ranking der anderen Bundesländer einnimmt. Das liegt eben auch an der Wirtschafts- und Unternehmensstruktur Berlins, und das hat wiederum sehr wohl etwas mit der Politik dieses Senats zu tun, insbesondere mit der Wirtschaftspolitik des Senats.
Konzentration auf zukunftsfähige Cluster, Orientierung auf Bildung, Wissenschaft und Kultur, die darauf aufsetzende, erfreuliche Entwicklung des Tourismus und des Messe- und Kongresswesens in Berlin – das sind die Gründe, warum es uns in der Krise zwar schlecht geht, wir aber nicht vor dem Absturz stehen.
Kommen wir zurück zur Ausgabenseite. Ja, wir steigern die Landesausgaben im nächsten Jahr im Vergleich zu 2009 um ca. 650 Millionen Euro. Manche nennen das einen Schluck aus der Pulle, wir nennen das verantwortungsvolles Handeln in Krisenzeiten. Wofür geben wir das Geld aus? – Für soziale Gerechtigkeit, für die Zukunft unserer Kinder und die Wahrung der sozialen Balance. Im Einzelnen heißt das: für Löhne und Gehälter des öffentlichen Dienstes nach Auslaufen des Solidarpakts in Höhe von mindestens 6,5 Milliarden Euro,
für die umfassende Verbesserung der Kitabetreuung mit Mehrausgaben in Höhe von 108 Millionen Euro im nächsten Jahr und 91 Millionen Euro im übernächsten Jahr im Vergleich zu 2009, für die Schulstrukturreform, für konjunkturbedingte und wegen der Weigerung des Bundes zur Zahlungsübernahme steigende Kosten der Unterkunft – also für die Verhinderung von Armut –, für die verbesserte Ausstattung der Bezirke zur Sicherung der sozialen Infrastruktur des Landes, für Leistungen aus Bürgschaftsübernahmen, für das Konjunkturprogramm und, ja, auch für Zinsen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro 2010 und 2,5 Milliarden Euro in 2011. Das sind 11 Prozent bzw. 12 Prozent unserer Gesamtausgaben. Das ist vier Mal so viel wie für Wirtschaft, fast doppelt so viel wie für Polizei und Inneres und fast acht Mal so viel wie für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz ausgegeben wird. Das ist eine Achillessehne unserer Haushaltspo
Diese Ausgaben zu sichern, ohne eine über den Haushaltsentwurf des Senats hinausgehende Nettoneuverschuldung, ist eine Leistung der Koalition während der vergangenen Wochen der Haushaltsberatungen, und dafür danke auch ich allen, die daran beteiligt waren.
Um wieder einen ausgeglichenen Haushalt und ab 2020 sogar einen Haushalt gänzlich ohne Schuldenaufnahme zu erreichen, muss das Ausgabenwachstum ab 2012 drastisch reduziert werden. Als ersten Schritt werden die Ausgaben 2011 zu 2010 nicht erhöht. Alles, was danach kommt, hängt wesentlich vom Verlauf der Krise und den Entscheidungen auf Bundesebene ab, das kann man doch nicht wegreden.
Haushaltskonsolidierung wird deshalb auf unserer Agenda weiterhin ganz oben stehen. Drei wesentliche Faktoren setzen dem aber Grenzen. Erstens: Die Transferausgaben steigen im Zuge der weiteren Ausprägung sozialer Bedürftigkeit – die wollen wir auch weiterhin decken. Zweitens: Die Personalausgaben steigen im Zuge der Anpassung an bundesdeutsches Tarifniveau – auch hier stehen wir im Wort gegenüber den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Drittens – und das ist das größte Risiko – sind natürlich die Zinsausgaben zu bedenken, die selbst bei dem gegenwärtig niedrigen Zinsniveau in dreistelliger Millionenhöhe steigen werden.
Sollte sich am Zinsniveau etwas ändern, hätte das eine gewaltige Hebelwirkung für den restlichen Haushalt mit dramatischer Sprengkraft.
Die Krise und die Steuerrechtsänderung durch den Bund haben innerhalb nur eines Jahres die Ergebnisse unserer Konsolidierungsarbeit dieser und der vergangenen Legislatur zunichte gemacht. Der Schuldenstand Berlins steigt wieder dramatisch schnell. Es wird uns niemand helfen, von diesem Schuldenberg herunterzukommen – weder der Bund, noch die anderen Bundesländer. Der einzige Schluss daraus kann nur eine verantwortungsvolle Reduzierung der Schuldenaufnahme sein, eine stringente Haushaltsausgabedisziplin und mittelfristig die Senkung der Zinsausgaben durch allmähliche Schuldentilgung. Um das zu begreifen, brauchen wir keine Schuldenbremse und auch keinen Stabilitätsrat.
Damit komme ich zum Schluss meiner Betrachtungen zu diesem Thema. Sparen hat etwas mit politischer Entscheidung zu tun und damit, ob die Art und Weise des Sparens auf die demokratische Legitimation durch den Souverän trifft. Alle Parteien haben zu erklären, welche Ausgaben oder Einnahmen zu wessen Lasten und Gunsten sie zu tätigen gedenken. Und die Wähler entscheiden, wem sie
dafür das Vertrauen aussprechen. Was aber macht die Schuldenbremse mit diesem Grundmechanismus demokratischer Legitimation und politischen Handelns? – Sie diktiert erstens einen völlig willkürlich gewählten Zeitpunkt, ab dem keinerlei Kredite selbst für Investitionen mehr möglich sein sollen.
Zweitens diktiert sie damit einen rechnerischen und eben nicht politisch motivierten und legitimierten Prozess der Ausgabensenkung. Drittens installiert das Gesetz einen völlig neuen Akteur der Finanzaufsicht, den Stabilitätsrat, der sich eben keiner demokratischen Legitimation für die Landeshaushalte unterwirft. Oder was haben die Finanzminister der anderen Bundesländer denn für eine Legitimation, den Berliner Haushalt gegen die demokratisch gewählte Landesregierung zu definieren? Welche Berechtigung hat der Stabilitätsrat, Auflagen zur Veräußerung von Landeseigentum, zur Abkehr von öffentlicher Beschäftigung oder zur Streichung von Stellen im öffentlichen Dienst zu erteilen? – Keine! Deshalb werben wir Linke weiter darum, gegen diese Art der Schuldenbremse auch juristisch vorzugehen, nicht deshalb, weil es sich um ein untaugliches Mittel zur Haushaltsdisziplinierung handelt, sondern weil es um die Grundfesten der demokratischen Verfasstheit Berlins, um die politische und demokratische Legitimation einer Haushaltsaufstellung, um Haushaltspolitik als politischen Akt geht.
Wir werden diesen politischen Akt heute vollziehen, mit der demokratischen Legitimation, die Rot-Rot in dieser Stadt hat. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Esser das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt enthält kleinteilige Verbesserungen, die wir ausdrücklich teilen, aber niemals wagen würden zu Schwerpunkten hochzujubeln wie Herr Müller heute Morgen.
Dieser Haushalt enthält nur ein einziges Highlight, das den Begriff Schwerpunkt verdient, und das sind die pädagogischen Verbesserungen in den Kitas. Dabei handelt es sich, wie wir alle wissen, eben nicht um eine Morgengabe der Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei. Nein! Dieser Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit musste von den Eltern gegen den erbitterten Widerstand einer angeblich linken Regierung durchgesetzt werden.
Unser Dank gehört deshalb nicht Rot-Rot, sondern all jenen, die mit ihrem Engagement und Kampfeswillen die Verbesserungen in den Kitas möglich gemacht haben.
Weit weniger erfreulich ist, dass die Opposition in der Stadt auf dem Gebiet des Klimaschutzes noch keinen vergleichbaren Erfolg erringen konnte. Zurzeit blickt die Welt nach Kopenhagen und erwartet mit Recht durchgreifende Beschlüsse, die der Erderwärmung Grenzen setzen. Auf so einer Konferenz können Rahmenvereinbarungen getroffen werden. Umgesetzt werden muss der Klimaschutz aber höchst kleinteilig vor Ort, in jedem Kraftwerk, in jeder Fabrik, in jedem Auto, in jedem Büro oder Wohngebäude. In diesem dramatischen Wettlauf mit der Zeit zählt jedes Jahr. In einer solchen Situation gehen Sie, meine Damen und Herren von SPD und Linken hin und lehnen unseren Vorschlag ab, 50 Millionen Euro jährlich für die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude zur Verfügung zu stellen. Das ist schlicht skandalös.