Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit ich im Schulausschuss bin, kann ich diesen Eindruck teilen, dass die Opposition bei dem Ringen um die Schuleingangsphase nicht einheitlich agiert. Die Grünen unterstützen diesen Grundgedanken und ringen mit uns gemeinsam um die bestmögliche Qualität in diesem Prozess.
Nun möchte ich drei Anmerkungen zum CDU-Antrag machen: Die erste betrifft den Titel. Sie gehen davon aus – wir nicht –, dass man das Schulgesetz ändern müsse, um das, was im Gesetz steht, gründlich vorzubereiten. Dazu muss man aber bestenfalls die Grundschulverordnung ändern, die den Zeitpunkt der verbindlichen Einführung der Schulanfangsphase enthält. Ein entsprechendes Rundschreiben ist am 6. Dezember letzten Jahres ergangen. Damit hätte sich der Antrag schon formal erledigt.
Hinzukommt die zweite Falschaussage. Sie betrifft den Inhalt der von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzesänderung. Sie wollen die flexible Schulanfangsphase gar nicht gründlich vorbereiten. Wir entnehmen Ihrem Antrag vielmehr, dass Sie die flexible Schulanfangsphase in die Beliebigkeit stellen und damit eigentlich wieder abschaffen wollen.
Die dritte Fehlaussage betrifft die Begründung: Sie sehen in der grundsätzlichen gemeinsamen Beschulung von Kindern mit unterschiedlichem Entwicklungsniveau und in dem unterschiedlich hohen Förderbedarf eher eine Gefahr, denn eine Chance. Hierbei unterscheiden wir uns in unseren Auffassung ganz grundsätzlich. Wir gehen davon aus, dass Verschiedenheit normal ist und dass die flexible Schulanfangsphase genau die Form ist, um mit der Verschiedenheit der Kinder und ihren unterschiedlichen Entwicklungsständen umzugehen.
Mit der flexiblen Schulanfangsphase verbindet sich auch ein anderes Leitbild der Schule. Die Schule ist für die Kinder da. Nicht das Kind muss schulreif sein, sondern die Schule muss sich so wandeln, dass jedes Kind vom ersten Tag an individuell gefördert wird.
Dabei ist es selbstverständlich, dass das einer gründlichen Vorbereitung und Sicherung der personellen und materiellen Ausstattung an den Schulen bedarf. Das haben wir im Blick. Darum werden wir weiter ringen. Ich verweise auch auf die vielen positiven Erfahrungen von Schulen, die schon vorher – bevor es die Möglichkeit gab, das zum Regelfall zu machen – in die Jahrgangsmischung und die flexible Schulanfangsphase eingestiegen sind. Wir haben viele davon besucht. Diese Schulen, die sich selbst auf den Weg gemacht haben, haben gute Erfahrungen gemacht. Insofern kann man die Anregung geben, dass die Fortbildung für Schulen, die davon noch nicht überzeugt sind, viel besser und sehr praktisch an diesen Schulen stattfinden könnte.
Dort, wo ein positives Beispiel tagtäglich gelebt wird und man die positiven Aspekte genau erkennen kann, gibt es preiswertere und effektivere Fortbildung als an einem theoretischen Wochenendseminar.
Die Schulanfangsphase, die die ersten beiden Jahrgänge in der Grundschule umfasst, hat zwei Aspekte. Diese beiden Jahrgänge können individuell in unterschiedlichem Tempo – in einem, zwei oder drei Jahren – durchlaufen werden. In dieser Schulanfangsphase wird jahrgangsübergreifend und altersgemischt gelernt. Der zweite Aspekt ist der eigentliche Diskussionspunkt der Schulanfangsphase: Der verbindliche Einführungszeitpunkt war bisher das Schuljahr 2007/2008.
Inzwischen gilt der Zeitpunkt 2008/2009. Dazu hat Frau Tesch das Entscheidende schon gesagt. Wir hätten uns vorgestellt, dass es schneller geht. Aber nun sollte diese Zeit sinnvoll genutzt werden, um die Schulen, die noch Vorbereitungszeit brauchen, zu unterstützen.
Für die Jahrgangsmischung gibt es Erfahrungen und gründliche Vorbereitungen. Dazu hat insbesondere der seit 1999/2000 laufende Schulversuch Jahrgangsübergreifendes Lernen – JÜL – beigetragen. Acht Schulen begannen damit, 2002 kamen zehn weitere dazu. Die teilnehmenden Schulen praktizierten verschiedene Varianten der Altersmischung. So wurden zum einen sowohl zwei als auch drei Jahrgänge zusammengefasst. Die altersgemischten Gruppen umfassten nicht nur die Anfangsjahrgänge, sondern auch alle Jahrgänge der Grundschule. Der Schulversuch wurde fachlich-pädagogisch begleitet, und im Februar 2006 wurde ein Abschlussbericht vorgelegt. Mit dem Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes und der Grundschulverordnung konnte der Schulversuch zum Schuljahr 2005/2006 vorzeitig beendet werden. Die jahrgangsübergreifende Arbeit stellt seitdem keine Abweichung von der Regel mehr fest.
Zu den wichtigsten Schlussfolgerungen aus den vorgelegten Bildungsstudien sei noch erwähnt, dass es bei diesem Punkt zentral um die Verstärkung des individuellen Lernens geht. Dabei wird nicht nur das Lernen, die Aktivität der Schülerinnen und Schüler, in den Vordergrund gestellt, sondern auch akzeptiert, dass sie mit unterschiedlichem Tempo lernen und dieses unterschiedlicher Lehr- und Lernstrategien bedarf. In dem Maß, wie sie ihr Lernen selbst gestalten können, lernen sie freiwillig, motiviert und nachhaltiger als bei einem frontalen Unterrichtsangebot. Sie wollen lernen, und sie brauchen dafür Anleitung und Unterstützung, die sie sich dann auch untereinander geben können.
Ich komme zum Schluss: Es geht also darum, diese Schulanfangsphase zu nutzen. Der Anfang ist wichtig, das wissen wir. Es muss gelingen, ein individuelles Lernen im Umgang mit der Heterogenität anzufangen. Damit ist die Schulanfangsphase viel mehr als nur für den Anfang gedacht, sondern sie ist ein Projekt, das dann in der ganzen Schule individuelles Lernen und Lehren ermöglicht und damit ein Ziel, dem wir uns alle verpflichtet fühlen sollten.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Ich will vorab eines sagen. Die hat FDP nichts gegen die flexible Schulanfangsphase.
[Oh! von der Linksfraktion und den Grünen – Özcan Mutlu (Grüne): Das ist ein Wort! – Uwe Doering (Linksfraktion): Aber?]
Jetzt zum Thema Kontinuität: Im Schuljahr 2006/2007 sollte die flexible Schulanfangsphase verbindlich eingeführt werden. Das wurde um ein Jahr verschoben. Jetzt sind wir im Jahr 2008/2009, in dem die flexible Schulanfangsphase – Flex – eingeführt werden soll, und zwar verbindlich. Das zum Thema Kontinuität, Frau Dr. Tesch. Ich finde, das ist eine Glanzleistung, auch was das Thema Verlässlichkeit in der Bildungspolitik betrifft. Hier wird deutlich, dass das Konzept der Flex eben schlecht vorbereitet wurde.
Frau Bluhm, Sie nannten eben das Jahrgangsübergreifende Lernen – JÜL –, wunderbar, genau da ist das Problem. Das war ein Modellversuch, der gut und besser ausgestattet war. Genau hier ist das Problem, dass die Rahmenbedingungen im Augenblick nicht stimmen. Erstens ist es die Raumausstattung, die an vielen Schulen nicht passt, um in der Not ausweichen oder individuell fördern zu können.
Zweitens – und das ist das Entscheidende – müssen die Lehrkräfte für den jahrgangsübergreifenden Unterricht exzellent ausgebildet sein. Da müssten wir uns einig sein, dass Reformen nur dann funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Ich finde es erstaunlich, dass gerade die Lehrkräfte darauf verweisen, dass diese Voraussetzungen in vielen Fällen nicht gegeben sind. In einigen Fällen sind sie gegeben, völlig d’accord, diese sollen es machen. Es ist ein gutes Prinzip. Maria Montessori hat es uns vor 70 Jahren bereits vorgemacht.
Nun könnten wir mit dieser neuerlichen Verschiebung frohlocken und sagen, die Regierung hat verstanden – gepfiffen, hat sie nicht. Die Regierung besteht nämlich weiterhin auf der Verbindlichkeit dieser Maßnahme. Da unterscheiden wir uns von den Roten, den Roten und den Grünen. Das sage ich hier ganz deutlich.
Damit reden Sie zum wiederholten Mal über mehr Eigenverantwortung, die wir den Schulen zubilligen müssten. Wenn es aber darum geht, dass Schulen sie wahrnehmen wollen, dass Schulen sie sogar einfordern, dann stellen Sie Ihr eigenes Konzept wieder als das alleinseligmachende dar. Das kann es nicht sein.
Sie wollen, dass alle Schulen mitmachen, egal, ob sie es wollen, oder noch schlimmer, egal, ob sie es können, egal, ob die Schulkonferenz, ein anerkanntes Gremium, sich einstimmig dafür oder dagegen entscheidet.
Da sage ich: Die Koalition hat es immer noch nicht verstanden, was moderne Bildungsforscher meinen, wenn sie von mehr Eigenverantwortung der einzelnen Schulen redet und wenn sie genau das von der Politik einfordern.
Die Koalition hat etwas anderes auch nicht verstanden – da wurde Herr Steuer eben missverstanden, hoffe ich zumindest, Herr Steuer –, dass nicht jede Schülerin und jeder Schüler mit derselben Maßnahme optimal gefördert wird.
Sie haben es nicht verstanden, dass nicht alle Lehrkräfte mit ein und demselben Konzept ihre Leistungsfähigkeit optimieren können. Die CDU hat es verstanden, ich freue mich, dass sie diesen Weg weitergeht.
Es geht der CDU darum, die Verbindlichkeit der Schulanfangsphase aufzuheben, der Schulkonferenz ein Mitspracherecht einzuräumen, was sie laut Gesetz hat. Es geht ihnen darum, die Eigenständigkeit der Schule zu stärken,
den oktroyierenden Charakter des Schulgesetzes abzumildern. Wen wundert’s? – Diesen Kerngedanken teilen wir als FDP-Fraktion aus ganzem Herzen.